Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI article:
Lubich, Gerhard: Frauen in den Briefen der frühen Päpste. Bild und Funktion der Frau nach der päpstlichen Epistolographie zwischen Gregor I. und Gregor VII.
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0153

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
152

Gerhard Lubich

aus dem Rahmen der Familie ausgegliedert wurden. In den wenigen Briefen an
Frauen selbst beschränkt sich die Titulatur auf die nüchterne Wiedergabe der
Amtsbezeichnung, während die familiäre Terminologie (dilecta filia) als rein for-
males, der Praxis der geistlichen Familie argumentativ nicht mehr dienendes
Überbleibsel erhalten blieb. Nach dem Ende der Karolinger trat offenbar eine ge-
wisse Pause ein; erst in der Situation des späteren 11. Jahrhunderts, als eine er-
staunliche Anzahl „starker" Frauen sich als Bündnispartnerinnen des Papsttums
anboten, wurde dieser Kontakt verstärkt wieder aufgenommen, dann jedoch unter
dem Vorzeichen politischer Kommunikation und vergleichsweise nüchtern.
Mögliche Gründe für die skizzierte Entwicklung zu benennen, fällt schwer.
Ganz sicherlich dürfte als ganz wesentlicher Bestandteil der Entwicklung die sich
im Untersuchungszeitraum stetig stärker verfestigende Kirchenorganisation zu
benennen sein: Angelegenheiten, die zu Zeiten Gregors I. noch direkt mit dem
Papst verhandelt wurden, Geschäfte wie theologische und rechtliche Fragen wan-
derten in die sich institutionalisierenden Instanzen, vom Klostervogt über den in
die Diözesanverfassung eingegliederten Bischof oder Erzbischof bis hin zur Orga-
nisation der sich zur Behörde ausbildenden Kurie. Seit dem 10. Jahrhundert forma-
lisierte sich zudem die Urkundenausstellung, etwa im erwähnten Zusammenhang
mit dem Papstschutz, im 11. Jahrhundert schließlich das Legatenwesen. Auf der
anderen Seite wurden - und hier zeichnet sich eine Konstante ab - aus sich heraus
mächtige Frauen immer als politische Partner auf gleicher Augenhöhe behandelt,
sofern die Situation es erforderte; regelrecht gesucht wurde der Kontakt zu Frauen
aber offenbar nicht. Die familiär-spirituelle Rolle der Frauen, dies wird man letzt-
lich als generelle Tendenz festhalten können, fand einhergehend mit dem Anstei-
gen der Bedeutung des Papsttums keine Berücksichtigung mehr in der Korrespon-
denz, und vielleicht war dieser früher so wichtige Aspekt sogar ein wenig aus dem
Blick des Papsttums geraten. Die Anhängerschaft der „devianten" religiösen Be-
wegungen der folgenden Jahrhunderte bestand nicht selten zu einem Großteil aus
Frauen.
 
Annotationen