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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

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Groten, Manfred,: Die gesichtslose Macht. Die Papstbullen des 11. Jahrhunderts als Amtszeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0200
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MANFRED GROTEN

Die gesichtslose Macht
Die Papstbullen des 11. Jahrhunderts als Amtszeichen

Die letzte Phase des Siegelwesens im spätantiken römischen Imperium ist charak-
terisiert durch die Verbreitung von Metallsiegeln in Form von beidseitig geprägten
Bleibullen1. Die Bullierung stellte im Vergleich zu der älteren Praxis des Eindrük-
kens eines Siegelrings in Wachs oder Ton ein technisch erheblich umständlicheres
Verfahren dar, dem wohl ein hoher Prestigewert zugemessen wurde. Während der
Siegelring bequem am Finger oder an einer Schnur ständig mitgeführt werden
konnte, traf das für die Instrumente der Bullierung, Bleischrötlinge, Prägezange
und Hammer, keineswegs zu. Die Anbringung von Bullen gestaltete sich zwangs-
läufig zu einem aufwändigen Akt. Es ist daher verständlich, dass sich die Verwen-
dung von Bullen auf einen kleinen Personenkreis beschränkte. Bullen benutzten
vor allem die hohen Würdenträger des Reiches und der Kirche, vorwiegend ver-
mutlich im Rahmen ihrer Amtsgeschäfte. Die Bullen hatten also im Gegensatz zu
den Ringsiegeln in erster Linie amtlichen Charakter.
Die Ablösung des Ringsiegels durch die Bulle führte einen radikalen Bruch
mit der Tradition des römischen Siegelwesens herbei. Die Bilder der Siegelringe
waren frei gewählte Erkennungszeichen, die ihre Funktion nur im engeren Be-
kanntenkreis des Siegelführers erfüllen konnten, denn die Siegel waren nahezu
ohne Ausnahme schriftlos und damit von einem Außenstehenden nicht einer be-
stimmten Person zuzuordnen. Nur der Eingeweihte konnte etwa wissen, dass sich
hinter dem Bild eines Froschs der Dichterfreund Maecenas verbarg2.
Zum Teil war die veränderte Gestaltung der Bleibullen durch die Anforde-
rungen des neuen Mediums bedingt, zum Teil durch ihren Verwendungszweck.
Die zwei Seiten einer Bulle bieten mehr Raum für Informationen als der Siegelring.
Da die Bullen vorwiegend von Amtsträgern verwendet wurden, erscheint es ein-
leuchtend, dass man zusätzlich zu bildlichen Erkennungszeichen Texte mit Na-
men und Funktionen der Siegelführer auf ihnen anbrachte. Der häufigste Bullen-
typ hat eine Bild- und eine Schriftseite. Es gibt aber auch bildlose Bullen. Die

1 Erich Kittel, Siegel (Bibliothek für Kunst- und Antiquitätenfreunde 11), Braunschweig 1970,
S. 163-168; Gustave Schlumberger, Sigillographie de l'empire byzantin, Paris 1884.
2 Kittel, Siegel (wie Anm. 1), S. 92.
 
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