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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

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Vones, Ludwig: Päpstlicher Legat und päpstlicher Wille. Zu den Rahmenbedingungen der Legatengewalt um 1100 am Beispiel der Gesandtentätigkeit des Richard von Marseille
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0360

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Päpstlicher Legat und. päpstlicher Wille

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In seiner Studie neueren Datums über die Legatenkonzilien unter Papst Gre-
gor VII. stellte Kriston R. Rennie auf der Grundlage seiner Londoner Dissertation
abschließend fest: „the legatine office transformed under Gregory's care to better
suit the reformers' immediate legal and administrative needs", und „Gregory cre-
ated a willing body of government in tune with his desired reforming policies"106.
Das mag in dieser allgemein gehaltenen Formulierung zum Teil richtig sein, doch
sollte man angesichts der Einzellegationen und ihrer unterschiedlichen Bedingt-
heiten - außer Richard von Marseille wäre zur gleichen Zeit im selben Raum auch
noch Abt Frotard von Saint-Pons de Thomières anzuführen107 - hinzusetzen, dass
Intentionen und Handlungswille des Papstes und Legaten nur solange wirklich
übereinstimmten, wie beider Zielsetzungen deckungsgleich oder zumindest mit-
einander vereinbar waren. Diese Zielsetzungen waren aber im vorliegenden Fall
geleitet auf der einen Seite von einem eifernden Reformwillen, dem alle anderen
kirchlichen (praktischen) Belange untergeordnet wurden, auf der anderen Seite,
der des Legaten, spielten aber stets die partikularen Interessen, seiner Kon-
gregation und ihrer Ausdehnung, nicht zuletzt auch Familieninteressen, eine
nicht zu unterschätzende Rolle - ja selbst persönliche Feindschaften wie mit dem
Bischof von Vie oder dem konkurrierenden Abt Frotard von Saint-Pons de Tho-
mières sollten nicht zu gering veranschlagt werden. Der oft unternommene Ver-
such in der Forschung, die Legatengewalt und die Abtsgewalt bei den Handlun-
gen des Legaten voneinander zu trennen, muss angesichts der engen Verquickung
beider Funktionen sowie der sich häufig überlappenden Zielsetzungen zwangs-
läufig ins Leere laufen, und gerade im Falle Richards von Marseille kann beobach-
tet werden, dass er trotz aller Verbindungen zum regionalen Adel im Kern darauf
bedacht war, seine Kongregation von diesem Einfluss, aber auch von den Ein-
griffsmöglichkeiten der Bischöfe zu trennen108, um in letzter Konsequenz eine
weitgehend autonome Institution zu schaffen, die durch ihre enge Bindung an
Rom und das Papsttum ihre unabhängige Stellung nicht nur begründen, sondern

106 Rennie, Collaboration and council criteria in the age of reform: legatine councils under Pope
Gregory VII (wie Anni. 34), S. 110. Vgl. auch Rennie, Hugh of Die and the legatine office under
Gregory VII: on the effects of a waning administration (wie Anni. 33), bes. S. 46ff.
107 Vgl. zu seinen Legationen, die oft zugunsten des eigenen Klosterverbandes und in Rivalität zu
Richard von Marseille durchgeführt wurden. Kehr, Das Papsttum und der katalanische Prin-
zipat (wie Anni. 1), S. 38ff., 42ff., 50ff.; Säbekow, Die päpstlichen Legationen nach Spanien und
Portugal (wie Anm. 2), S. 20ff.; Schieffer, Die päpstlichen Legaten in Frankreich (wie Anm. 2),
S. 146f.; Magnou-Nortier, La société laïque et l'Église dans la province ecclésiastique de Nar-
bonne (wie Anm. 55), S. 510ff.; allg. Gallia Christiana in provincias ecclesiasticas distributa. To-
mus VI, Parisiis 1789, coi. 226ff.
108 Dass die Beschneidung der bischöflichen Gewalt bereits zu den Zielen Gregors VII. gehörte,
wird von Ian Robinson, „Periculosus homo": Pope Gregory VII and Episcopal Authority, in:
Viator 9,1978, S. 103-131, nahegelegt, wobei der Fall des Manasses von Reims natürlich auch
eine zentrale Bedeutung erhält (a.a.O., S. 124ff.). Zur neuen Grundlegung der päpstlichen Au-
torität um die Mitte des 11. Jahrhunderts siehe Rudolf Schieffer, Motu proprio. Über die
papstgeschichtliche Wende im 11. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch 122, 2002, S. 27-41, zu
ihrer Einordnung in den Gesamtkontext der kirchlichen Entwicklung Gerd Tellenbach, Die
westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert, Göttingen 1988, S. 236ff.
 
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