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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0080
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2.1 Terminologie und Typologie

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2.1.5 Gewandfarben
Spätmittelalterliche Stoffe, Pelze und auch Leder konnten die unterschiedlichsten
Farben auf weisen. Weil die Farbe ein besonderer optischer Reiz ist361, fallen Farben
bei Kleidung als erstes, noch vor dem Material ins Auge. Allerdings sind (Gewand-)
Farben nicht gleich (Gewand-)Farben; Farben, ihre Benennung, ihre Symbolik, ihr
sozialer Gebrauch und ihre Wahrnehmung sind von Kultur zu Kultur verschieden
und somit historisch wandelbar.362 In diesem Sinne unterlagen auch die mittelalter-
lichen Farben363 im allgemeinen und die mittelalterlichen Gewandfarben364 im be-
sonderen eigenen > Gesetzmäßigkeiten<.
In der zweiten Hälfte des 15. und den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts
wurde für die Kleidung der Reichsfürsten und -fürstinnen eine ganze Reihe von
Farben verwendet. Einen Eindruck von der Farbenvielfalt vermittelt etwa das
Brautaustattungsverzeichnis der Gräfin Mechthild von Württemberg. Als Mecht-
hild 1454 Landgraf Ludwig II. von Hessen heiratete365, erhielt sie einen braun-golde-
nen Rock, der mit einem Schönfeh-Futter versehen war und mit Lasten (lasit) gefüt-
terte Flügelärmel besaß, sowie einen schwarzen mit goldenen Blumen und Silber
gesprengelten Rock, der bis auf die Flügelärmel, die mit einem Futter aus Hermelin
ausgestattet waren, mit Schönfeh gefüttert gewesen ist. Zur Aussteuer gehörten
darüber hinaus ein blauer Rock mit goldenen Blumen und einem Schönfeh-Futter,
dessen Flügelärmel mit einem berlin Futter (hier Bärenfutter?) unterzogen waren,
und ein Rock aus braunem Samt, der abgesehen von den mit Hermelin gefütterten
Flügelärmeln mit einem Schönfeh-Futter versehen war. Ferner werden ein brauner
mit Schönfeh ausgeschlagener Samtrock mit engen Ärmeln, ein Rock aus grünem
Samt mit Flügelärmeln und einem Rückenfeh-Futter sowie ein roter Rock aus Samt,

361 König, Menschheit auf dem Laufsteg, 1999, S. 90.
362 Aus diesem Grund muß sich der Historiker davor hüten, die eigenen Farbvorstellungen und
Farbsysteme auf die Vergangenheit zu projizieren. Vgl. Pastoureau, Vers une histoire sociale des
couleurs, 1989, bes. S. 15-16, S. 18; Ders., L'histoire en couleurs, 1998; Ders., Une histoire des cou-
leurs est-elle possible?, 1990; Ders., La couleur et l'historien, 1990; stark gerafft auch Ders., Bleu,
2000, S. 7-10. Anders als Pastoureau reduziert Kamieth, Die Farbe Schwarz, 2001, S. 7-8, die Farb-
wahrnehmung auf ihre physikalische Komponente. Bürde, Bedeutung und Wirkung der schwar-
zen Bekleidungsfarbe, 2005, setzt zwar implizit eine Wandelbarkeit von Farbbedeutungen und
-Wirkungen voraus, ohne jedoch eigens auf diese Problematik einzugehen. Auch läßt sie die ein-
schlägigen Arbeiten Pastoureaus unberücksichtigt.
363 Zu Farben im Mittelalter vgl. zuletzt Bennewitz, Schindler (Hrsg.), Farbe im Mittelalter, 2011,
und aus konsumhistorischer Sicht Selzer, Blau, 2010. Nach wie vor einschlägig sind außerdem
die zahlreichen Arbeiten von Michel Pastoureau, allen voran die beiden Aufsatzsammlungen
Pastoureau, Couleurs, images, symboles, 1989, und Ders., Figures et couleurs, 1986. Des weite-
ren Ders., Jésus chez le teinturier, 1997; Ders., Bleu, 2000. Erneut eine Synthese seiner bisheri-
gen Arbeiten zur Farbe im Mittelalter hat Pastoureau vorgelegt in Ders., Une histoire symbo-
lique du Moyen Age occidental, 2004, S. 113-209. Siehe außerdem Centre Universitaire
d'Etudes et de Recherches Médiévales d'Aix (Hrsg.), Les couleurs au Moyen Age, 1988.
364 Zu mittelalterlichen und (früh-)neuzeitlichen Gewandfarben vgl. Nixdorff, Müller, Weiße
Westen - Rote Roben, 1983; Bürde, Bedeutung und Wirkung der schwarzen Bekleidungsfarbe,
2005. Speziell zu mittelalterlichen Gewandfarben siehe den knappen, aber höchst informati-
ven Überblick bei Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 134-
136.
365 Die Hochzeit fand am 28. August 1454 in Marburg statt. Vgl. Europäische Stammtafeln, hrsg.
von Schwennicke, Bd. 1.2,1999, Tafel 256.
 
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