Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0057
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
56

III Orientierung

größeren Erzählung, in der ein Autor Informationen über Personen und
Handlungen auf spezifische Weise an geordnet und verknüpft hat, um ihnen
einen Sinn zu verleihend Die Frage nach Narrativen, das heißt den stilisti-
schen Techniken, Formen und Motiven, mit denen das Erzählte aufgebaut,
beschrieben und vermittelt wurde, ist für die vorliegende Untersuchung da-
her zentrale Jenseits handlungsorientierter Schilderungen zeigen erst ihre
narrativen Umsetzungen und Einbettungen, wie das jeweilige Geschehen
beurteilt und bewertet wurde.
Die zwei Ebenen von Gewaltpraktiken und Narrativen sind schwerlich
exakt zu trennen. Die Arbeit verfolgt daher nicht das Ziel, Fakten von Fiktio-
nen zu trennen, sondern es geht ihr primär um eine Sensibilisierung gegen-
über dem Charakter von Gewaltbeschreibungen. Auf dieser Grundlage kön-
nen dann exemplarisch Plausibilitäten gegeneinander abgewogen werden:
Welche Motive tauchen häufig in bestimmten Kontexten auf und können
daher als Stereotype gelten? Welche Funktion haben sie in der Erzählung?
Welche Rückschlüsse sind angesichts der spezifischen Darstellungsmodi auf
den Umgang mit Gewalt im Untersuchungszeitraum möglich? In dieser Per-
spektive sind Heroisierungen inhaltlich ebenso relevant wie bestimmten
Gruppen zugeschriebene GewattexzesseA Statt aufgrund ihrer möglichen
Uberzeichnung oder Fiktionalität ein Hindernis zu sein, sollen diese Narrati-
ve produktiv in die Analyse einbezogen werden.
Entsprechend können auch stereotype oder topische Wendungen gedeutet
werden. Als Gemeinplätze, derer man sich durch Wiederholung versichert
und die selbst einem beständigen Wandel unterliegen, sind sie für die Gestal-
tung konkreter Erzählungen stets abrufbar A Zwar fanden nach den For-
schungen Gauvards nur 25 % der Verbrechen explizit nachts statt, mit dem
Motiv der Nacht aber waren besondere Ängste verbunden, vor Einbrüchen,
vor gewalttätigen Soldaten und Plünderern, vor Auftragsmorden... Verbre-
chen, die nachts begangen wurden, galten daher gemeinhin als hinterhältiger
und damit als gravierender^ So muss der Bericht Jean Juvenals über eine
Todesliste der Armagnacs zum Jahr 1413 genau auf diese Ängste angespielt
haben. Der Chronist berichtet, es habe eine Liste mit Namen von politischen
Gegnern gegeben, die nachts in ihren Pariser Häusern gefangen genommen
und dann getötet werden sollten A Allein der knappe Hinweis, das Vorhaben

32 Siehe dazu ebd., S. 108f.
33 Vgl. dazu Fludernik, Erzähltheorie, S. 15; Schmid, Elemente, S. 2, sowie Jannidis, Narratology.
34 Vgl. Kortüm, Kriege, S. 215-218; Slanicka, Feindbilder, S. 93-104; Bommersbach, Gewalt, S. 72-
80; Jäger, Aspekte, S. 26-30.
33 Signori weist darauf hin, dass auch die Vorstellungswelt des Krieges ganz eigene Bilder und
Traditionen hat. Die Wurzeln dieser „Archetypen" reichen teilweise bis in die Antike zurück.
Vgl. Signori/Emich, Einleitung, S. 11-14; Signori, Frauen, S. 160.
33 Gauvard, Grace especial, S. 482, 552, 803, 828; Gauvard, Violence commanditee, S. 1015; Gau-
vard, Violence et ordre public, S. 14f. Siehe auch Muchembled, Violence, S. 118-126 sowie Ver-
don, Nuit, S. 21-66.
32 Ef/Mf froMuo MM roodo, OM osfoioMf pfMsioMrs MofaMos goMS k!Mf de Paris, t?M0 do d? coMr dM Pot/, cf & fa
Poi/MO, cf dos SOigMOMMS. J...J DoS^MOis aMCMMS dOfOiOMf OSfrO fMOZ. Pf /OS OMd OM osfo proMdro do MMÜ OM
 
Annotationen