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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0083
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82

1111 Voraussetzungen

wegs einen reichen Abt, einen reichen Prior, einen reichen Händler
oder eine Herde Maultiere (...) mit Stoffen, Pelzen (...) oder Seide
finden konnten! Alles war unser, oder wir stellten die Bedingungen
des Freikaufs! Jeden Tag bekamen wir neues Geld! (...) Und wenn wir
ausritten, bebte vor uns das ganze Land."65
Kriegführung war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Alltag
geworden, die Ausübung von Gewalt zur Normalität: „Wir führen Krieg, um
zu leben, denn leben müssen wir ja"66, so die Rechtfertigung der Söldner. Den
häufig gegen sie vorgebrachten Anschuldigungen der Illoyalität und Unzu-
verlässigkeit begegneten sie mit dem strikten Verweis auf ihre exakten Auf-
gaben. Als 1417 eine burgundische Armee vor Paris stand, weigerten sich die
dort stationierten Söldner, einen Ausfall zu planen, denn dafür seien sie nicht
zuständig/? Als bezahlte Krieger fühlten sie sich ihrem jeweiligen Einsatzort
und den dort lebenden Menschen kaum verbunden, sondern hatten in der Tat
vor allem ihre eigenen Interessen im Blick.
Das Rittertum war schon im Mittelalter Objekt vielfältiger Zuschreibungen
und Projektionen, die eine genaue Definition erschwerend Für die Lebens-
welt der Krieger erscheint dabei aus mittelalterlicher Sicht die Ausübung von
Gewalt als zentral: Ganze Chroniken beschrieben kriegerische (Gewaltta-
ten, ganze Bilderzyklen verewigten Heereszüge und Schlachten. Aus moder-
ner Perspektive mag man die Adligen als „berufsmäßige[n] Gewalttäter'^
beschreiben - ihrem eignen Selbstverständnis als professionelle Krieger wird
dies aber keineswegs gerecht.
Auch Beharrungskraft zählte zum Inventar des Rittertums: Je deutlicher
die Kritik an ihrem Lebensstil wurde, umso stärker hielten sie an traditionel-
len Werten fest. Die militärischen Fähigkeiten mussten einerseits als gesell-
schaftliches Alleinstellungsmerkmal, andererseits als Mittel des sozialen Auf-
stiegs ständig neu unter Beweis gestellt werden/" Das Festhalten an einem
Habitus, der Tugenden wie Ruhm, Freigiebigkeit und Großzügigkeit sowie
eine standesgemäße militärische Ausrüstung erforderte, diente der sozialen

65 i/ n'es/ /emps, esFa/ewen/ ne g/o/re en re wonde (?Me de gens d'armes, de gnerro/er ains/ t?Me nons auons
Jdi/. Cowwen/ es/ions nons resjois ^Man/ nons cdeuaM/c/n'ons d /'auen/nre e/ noMS poMi/ons /roMuer snr
/es cdamps MMg ricde a/dv OM nng ricde pr/enr OM nng ricde warcdan/ OM nne ron/e de nud/es (...) c/?ar-
g/es de draps (...) e/ de pe//e/rie (...) OM de draps de soi/e (...(/ Ton/ es/o// nos/re on raencdonne d
nons/re uoM/en/e/ Tons /es JoMrs noMS au/ons noMue/ argen// (...) E/ ^nan/ nons rdeuaM/r/n'ons /on/ /e
pai/s /raw/do// deuan/ MOMS. Froissart, Chroniques (Rv. III & IV), S. 469 (IV,14). Zu Marches siehe
auch S. 189-192.
66 No HS (a/sons gnerre ponr u/ure, car u/ure noHS (aH//. Froissart, Chroniques (Rv. III & IV), S. 470
(IV,14).
67 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 130.
68 Ansätze dazu bei: Oschema, Noblesse, S. 232-234; Saul, Chivalry, S. 3-5; Auer, Kriegswesen,
S. 65-67; Barthelemy, Chevalerie, S. 477-482; Ehlers, Ritter, S. 7-12; Hay, Collateral Damage,
S. 10-18; Kaeuper, Chivalry and violence, S. 302-304; Kortüm, Menschen, S. 60f.; Keen, Chival-
ry, S. 1-6; Althoff, Christi milites.
69 Metz, Geschichte der Gewalt, S. 22.
70 Kortüm, Menschen, S. 44f Vgl. auch Martin, Mentalites [1998], S. 386; Vale, War, S. 20f.
 
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