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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0100
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31 Obrigkeitlich-zentralisierend

99

Zusammengenommen bilden diese Aspekte eine Reihe von Gewaltphäno-
menen, die es aus obrigkeitlicher Sicht zu verhindern oder zu unterdrücken
gait, weil sie sowohl den König als auch das Reich gefährdeten. Tendenziell
zeichnet sich so der Anspruch auf ein obrigkeitliches Gewaltmonopol ab.^
Dies wäre als Beobachtung für die Mitte des 15. Jahrhunderts angesichts der
expliziten Behauptung eines solchen Monopols in der frühen Neuzeit nicht
überraschend.^ Doch bevor ein solches Gewaltmonopol konstatiert werden
kann, müssen die normativen Quellen untersucht werden: Zielte die königli-
che Gesetzgebung auf die Monopolisierung der Gewaltausübung in königli-
cher Hand, oder wurden derartige Tendenzen nur von königsnahen Autoren
herbeigeschrieben?

Ein Gewaltmonopol? Beschränkungen und Ausweitungen von Gewalt
Ein wichtiger Maßstab für den königlichen Anspruch, Gewalt zu kontrollie-
ren, ist das Verbot der Privatkriege.''' Aus der Gottesfriedensbewegung her-
aus erließ Ludwig VII. im Jahr 1155 einen zehnjährigen, reichsweiten Frie-
den.^ Trotz des fortschreitenden Aufbaus einer zentralen Verwaltung wurde
aber die Landfriedensgesetzgebung unter Philipp II. nicht fortgesetzt. Statt-
dessen etablierte er mit der Qr/anrnünne eine 40tägige Frist, die vor Fehdeer-
öffnung Verhandlungen erzwingen sollte.^ Auch unter Ludwig IX. kam es
nicht zu einem generellen Fehdeverbot, sondern lediglich zu einer weitrei-
chenden regionalen Einschränkung beziehungsweise genaueren Regelung der
Fehdeführung.^ Die königliche Gesetzgebung beschränkte sich im folgenden
Jahrhundert im Wesentlichen auf die wiederholte Erneuerung der ludovizia-
nischen Ordonnanz und ihre weitreichende Einschränkung der Privatkriege.^
Dazu kam die (ebenfalls wiederholte) Festsetzung, dass königliche Kriege
Vorrang vor privaten Fehden sowie vor Turnieren und Duellen haben soll-

^ Brown und Kaeuper sehen dies bereits für das beginnende 13. Jahrhundert im Entstehen; vgl.
Brown, Violence, S. 255; Kaeuper, War, S. 12. Differenzierter argumentiert Kaiser, Selbsthilfe,
S. 69-72, der die Bedeutung der Ordonnanz von 1413 als endgültiges Fehdeverbot hervorhebt,
dabei aber deren Zustandekommen unter dem Druck des Aufstands der sogenannten GTo-
dn'cMS nicht beachtet (vgl. dazu S. lOlf. dieser Arbeit)
5° Reemtsma und Reinhard verorten die Behauptung im 15./16. Jahrhundert und den Prozess der
Durchsetzung im 17. Jahrhundert, vgl. Reemtsma, Gewalt, S. 346f.; Reinhard, Geschichte,
S. 351. Von Trotha setzt sich kritisch mit der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols
und der subjektiv zu jeder Zeit dennoch wahrgenommenen Gewaltpräsenz auseinander:
Trotha, Distanz, S. 28-53. Siehe auch Knoch, Einleitung, S. 16-24.
Siehe als Überblick: Kaeuper, War, S. 225-259; siehe auch Barthelemy, Chevaliers, S. 261-290,
mit Fokus auf Ludwig VI.
52 Brown, Violence, S. 257; Kaiser, Selbsthilfe, S. 69.
55 Kaiser, Selbsthilfe, S. 70.
54 Kaiser, Selbsthilfe, S. 71. Siehe auch Kaeuper, Chivalry and violence, S. 101; Kaeuper, War,
S. 231-235. Dazu auch die apologetische, aber quellenreiche Zusammenfassung in Ordon-
nances, Bd. 1, S. XXV-XXXIII (Pm/acc).
55 Ordonnances, Bd. 1, S. 56-58 (Ludwig IX., 1245), 84 (Ludwig IX. 1258), 344f. (Philipp IV., 1302),
492f. (Philipp IV., 1311), 655f. (Philipp V., 1318); Bd. 2, S. 406, 408f. (Johann II., 1350), 552f. (Jo-
hann II., 1353); Bd. 3, S. 646f. (Johann II., 1363). Siehe dazu Kaeuper, War, S. 235-260.
 
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