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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0142
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11 Formen kriegerischer Gewalt

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anders als heute - nicht durch die Mittel seiner Austragung definiert, sondern
durch seinen Ursprung in widerstreitenden Prinzipien. Entsprechend fasst
Johannes sowohl spirituelle als auch körperliche Widersprüche als , Kriege'
zusammen. ,Spirituelle' können zum einen himmlische Kriege sein, so der
Kampf Gottes gegen Lucifer, zum anderen menschliche, so der innere Kampf
jedes Individuums zwischen Gut und Böse, Geist und Körper.^ ,Körperliche
Kriege' dagegen äußern sich in physischer Gewaltausübung. Johannes unter-
scheidet hier zwischen universellen und partikularen Kriegen, die sowohl aus
gerechten als auch aus ungerechten Motiven heraus geführt werden können.^
Ein grundsätzlicher Friede auf Erden sei unmöglich, weil der Krieg im
göttlichen Recht (im droü diume, weil er sich gegen das Böse richte), im Recht
der Völker (im ms genÜMm, um das Recht zu verteidigen) und im Naturrecht
(im drod de naünv, weil die Dinge sich naturgegebenermaßen widersprechen)
verankert sei V Christine de Pisan nahm diese Argumentation auf, vereinfach-
te sie jedoch theoretisch.^ Mehr Gewicht legte sie dafür auf die Ursachen für
irdische Kriege und nannte dafür drei Gründe, die sie aus dem Recht (drod)
herleitete, und zwei, die aus dem Willen/dem Belieben (voMÜnU) herrührten.
Kriege dienten demnach dazu, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen, das
Böse zu bekämpfen und zu Unrecht entwendete Güter oder Länder zurück-
zugewinnen. Aus dem Willen heraus wurden Kriege geführt, um Rache zu
üben und Güter und Gebiete zu erobern.^ Die Stoßrichtung ist klar: Es gibt
der Intention gemäß gerechtfertigte und ungerechtfertigte Kriege.
Hinter dem Problem der Forschung, diese mittelalterlichen Kriegstheorien
auf die von den Quellen überlieferten Kriegshandlungen anzuwenden, steht
ein modernes Verständnis, das den Krieg aus Handlungen heraus definiert
und historische Untersuchungen praxeologisch oder soziologisch anlegt. Die
mittelalterliche Unterscheidung zwischen öffentlichen' und ,privaten' Krie-
gen wirft für die Moderne nicht nur terminologische Probleme auf, sondern
lässt sich tatsächlich kaum trennscharf auf historiographische Berichte über-

12 Giovanni da Legnano, Tractatus de Bello, S. 80-84 (Kap. 3-8).
13 Ebd., S. 85-94 (Kap. 10-14) und 130 (Kap. 78).
14 Zur rechtlichen Verankerung siehe Bonet, Arbre, S. 83-85 (IV,1). Bouvet verneint die Möglich-
keit absoluten Friedens mit astrologischen und theologischen Argumenten sowie mit Verweis
auf die Natur des Menschen, der dazu veranlagt sei, Krieg zu führen, Bonet, Arbre, S. 72-75
(111,2). Für Johannes von Legnano ist universeller Frieden unmöglich, weil 1) Verbrechen be-
straft werden müssen, 2) die Menschen um irdische Güter streiten und so 3) untereinander und
nicht gegen den Teufel kämpfen, 4) die Menschen weder die Schäden noch 5) den Ausgang der
Kriege bedenken und letztlich 6) nicht nach den Geboten Gottes leben. Giovanni da Legnano,
Tractatus de Bello, S. 82 (Kap. 6). Siehe auch die naturrechtliche Argumentation von Philippe
de Commynes, Memoires, S. 425 (V,20). Zur rechtlichen Herleitung von Kriegen siehe auch
Audinet, Lois, S. LXX-CVI; Keen, Laws, S. 7-21.
i3 Christine leitet den göttlichen Ursprung des Krieges und die menschliche Verantwortung für
die Übel mit vagen Verweisen aus der Bibel und anderen Schriften ab: Laennec, Christine,
Bd. 2, S. 23f. (1,2), (siehe auch Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 9f.; Christine de Pisan,
Book of deeds, S. 14).
i3 Laennec, Christine, Bd. 2, S. 26 (1,4), (siehe auch Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 11;
Christine de Pisan, Book of deeds, S. 16).
 
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