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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0198
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11 Formen kriegerischer Gewalt

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lesen, haben sie doch System: Die Menschen wurden nicht einfach getötet
oder aus purer Lust an der Gewalt misshandelt, sondern bewusst schmerz-
haft gefoltert und vor allen an den Gliedmaßen verstümmelt, damit sie der
Folter schnell nachgaben und ein möglichst hohes Lösegeld versprachen^
Tote sind zumeist die Folge von Folter oder ausgebliebenen Lösegeldzahlun-
gen: So wurde der 32jährige Sohn von Jehan Lambert zuerst verschleppt und
schließlich getötet, weil der Vater die geforderte Geldsumme nicht schnell
genug auf treiben konntet
Die für vormalige Mitglieder der Lcordzczzrs ausgestellten Lehms de rczzzzssz-
ozz wirken in ihren Schilderungen deutlich nüchterner als die Petitionen ihrer
Opfert Ähnlich den Schilderungen in historiographischen Berichten beken-
nen die Männer ihre Taten meist summarisch in stereotypen Wendungen und
liefern häufig entschuldigende Erklärungen, warum sie gezwungen waren, so
zu agieren. Da sie ihre Berichte mit dem Ziel einer königlichen Begnadigung
zu Protokoll gaben, hatten sie verständlicherweise keinerlei Interesse an dras-
tischen Schilderungen individueller Schicksale, sondern versuchten eher die
soziale Normalität ihrer Handlungen hervorzuheben. So erklärte Jean de
Ravenei 1446, er habe von Jugend an immer auf Seiten des Königs gekämpft
und seine Leute seien ihm treu ergeben gewesen. Als er sie nicht mehr ver-
sorgen konnte, sei er mit ihnen (wie viele andere königliche Gzpzhzzzzes ja
auch!) durchs Land gezogen und habe „Plünderungen, Raub, Diebstahl,
Mord, Vergewaltigungen, Sakrilege und Lösegelderpressung für Mensch und
Vieh begangen", kurzum, er habe „vom Land gelebt, wie Krieger es zu tun
gewohnt waren."342 p)ie Beute habe er lediglich zur Bezahlung seiner Leute
verwandt. Die Aufzählung dieser typischen Kriegsübel sowie der Hinweis
auf die Legitimität ihrer Ausübung kommen in den meisten Begnadigungs-
briefen vor. So gab auch Guy de Roye 1448 vor, nur getan zu haben, „was
man in der damaligen Zeit gewohnt war zu tun. "343

334 Freminville, Ecorcheurs, S. 15; Tuetey, Ecorcheurs, Bd. 1, S. 185-190; Canat de Chizy, Ecor-
cheurs, S. 49.
340 Tuetey, Ecorcheurs, Bd. 2, S. 329; siehe auch ebd., S. 354 und 368.
344 Siehe ebd., Bd. 2, S. 381-489.
342Tgs^Mdz ioniesuoi/es, ponr ee ^n'/i n'auo/i pas Neu de (?Moi/ /es enireien/r, eons/dere ^ne p/Ms/eMrs
eap/ia/nes ei gens de gMerre e:dx d/sans esire a noMS ieno/eni /es edamps en d/uerses pnri/es de Mosire
roi/aMme OM Z/z/nso/eni d/uers maM/x ei domma/ges, d se m/si SMr /es edamps eomme aMires ei per eM/x
soM^eriydre SMr Mosire peMp/e ei SMdg/ez es pai/s de Cdampa/gne, Laonnoi/s ei aMire pari, maM/x, dom-
ma/ges, pü/eries, roder/es, /arree/ns, meMrires, rau/ssemens de/e^^s, saer/ie/ges, raen^onnemens de
gens ei de desi/a/, ei uescM SMr /es edamps eomme gens d'armes oni aeoMsiMme dejä/re. Leihe de Remis-
sion für Jean de Ravenei, April 1446, zitiert nach ebd., Bd. 2, S. 402f. (Nr. 84).
343 Dnrani icedMi iemps oni/a^l ses d/z gens p/Ms/eMrs man/x, domma/ges ei OM/irages a nos d/z sndg/ez
esp/e /es edem/ns, desiroMsse maredans ei/a^l ^i eomm/s p/Ms/eMrs aMires man/x /nnnmerad/es a/ns/ tpre
oni aeeoMsinme de/aLe /e iemps passe /esd/z gens de gMerre u/uans SMr /es edamps. Lehre de Remission
für Guy de Roye, Juni 1448, Paris, AN, JJ 179, fol. 67'-67' (Nr. 127), zitiert nach ebd., Bd. 2,
S. 435f. (in Fußnote 1). Ganz ähnlich argumentiert auch Jean Raymon: Li /ad p/Ms/eMrs aMires
maM/x ei de/iz ^Me/nso/eni eommMnemeni poMr /ors /es gens de gMerre ienans /es edamps. Lehre de Re-
mission für Jean Raymon, April 1446, zitiert nach ebd., Bd. 2, S. 409f. (Nr. 87).
 
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