Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0211
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
210

IVI Problematisierungen

dass diejenigen, die Frankreich eigentlich beschützen
sollten, nur ihre eigenen Interessen verfolgen würden A" Damit waren die
Konflikte als entlarvt und die Spaltung der Fürsten
wurde als Kern des Problems benannt.^ Der geradezu stereotyp beklagte
,unversöhnliche Hass' der Fürsten aufeinander entsprach einem personal
gedachten Politikverständnis, das als typisch für das Mittelalter gelten darf:
Politik war nicht losgelöst von den persönlichen Beziehungen und Empfin-
dungen der Beteiligten denkbar A3 ,Hass' zwischen ihnen wurde damit zum
unüberwindbaren Hindernis für vertrauensvolle Kommunikation und am
Allgemeinwohl orientierte Politik, so dass Michel Pintoin klagte, die Fürsten
hassten sich so sehr, dass sie lieber gegeneinander kämpfen würden, als ihre
Kräfte geeint gegen die Feinde des Reiches zu bündelnd^ Diese Feindschaft
fand ihren politischen Ausdruck unter anderem darin, dass man nicht nur
politisch und militärisch gegen den Gegner vorging, sondern ihn durch die
Exkommunikation auch auf religiös-spiritueller Ebene aus der christlichen
Gemeinschaft ausschließen wollte. Die Bourguignons und der König haben
1411 die Exkommunikation der Armagnacs erwirkt, berichtet Michel Pinto-
in.425 Dies geschah zwar in Analogie zur kollektiven Exkommunikation der
Briganten von 1357 wegen ihrer Plünderungen, aber die Namen der nunmehr
aus der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossenen Anführer seien laut in
Paris verlesen worden.^ Nur sechs Jahre später hatte sich der Wind jedoch
gedreht und das Anathem traf nun den Herzog von Burgund A?
Neben dem Blick auf die grundlegenden Ursachen waren sich viele Chro-
nisten einig, dass der konkrete Anlass für den Ausbruch des Bürgerkrieges
der spektakuläre Mord an Ludwig von Orleans 1407 war As Direkt nach dem
Mord behielt Johann Ohnefurcht zunächst die Oberhand, auch weil der geg-
nerischen Partei nun die zentrale Führungsfigur fehlte. Der Herzog nutzte
dies, um sein ,Reformprogramm' umzusetzen, was auch zu Verhaftungen
vermeintlicher ,Verräter' am Hof führte. Die Opposition scharte sich um Karl,
den Sohn Ludwigs und neuen Herzog von Orleans, und gründete im April
1410 die Lignc de GzenA^ Monstrelet berichtet, wie die Anhänger Orleans'
berieten, welchen Weg sie einschlagen sollten: Eine gnerre morfeHe gegen Bur-

420 VoMS, me soMsfcwir, ^ rdcucr, rsfrs adurrsaürs de ma prospenle ef, en ÜCM de gMer-
doM, ^Merez wie des du Aon ef deueweewieid de uoz s;'wgsd;'ers desLs. Chartier, Quadrilogue, S. 16f.
421 Juvenal des Ursins, Histoire, S. 347.
422 Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 292, 334, 344; Bd. 4, S. 324f., 328, 484, 620; Journal d un Bour-
geois, S. 280 (§543).
423 Oschema, Freundschaft, S. 605.
424 Tanfo conü'aü nuicore ;'nfer se wi:do MwaEaMf, (?Mod, chcMwispecforMwi uironm yidieio, prowipenis sese
perse^M; ed'gisseid, t?Mam aduerards regrd twdws oLdare. Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 50. Wei-
tere Beispiele für den,unversöhnlichen' oder ,tödlichen' Hass der Fürsten und auch des Vol-
kes: Ebd, Bd. 4, S. 458; Bd. 6, S. 48 und 62; Journal d un Bourgeois, S. 206 (§392).
425 Chronique du Religieux, Bd. 4, S. 532-550. Siehe auch Ordonnances, Bd. 9, S. 652f. (Karl VI.,
1411). Vgl. dazu Schnerb, Armagnacs, S. 155f.; Ehlers, Ludwig von Orleans, S. 114.
42o Journal d un Bourgeois, S. 43f., (§24); Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 197f.
427 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 158. Die Aufhebung erfolgte 1418: Ebd., S. 300.
428 Siehe dazu S. 304—306 dieser Arbeit.
429 Slanicka, Krieg, S. 233f.; Schnerb, Armagnacs, S. 133-142.
 
Annotationen