Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0212
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
11 Formen kriegerischer Gewalt

211

gund, oder aber die Bitte an den König, er möge für Gerechtigkeit sorgend
Man vertagte die Entscheidung zunächst, aber die Hoffnung auf ein Umden-
ken des Königs war wegen des burgundischen Einflusses am Hof vergeblich.
Im Juli 1411 erklärte die LigMC Burgund schließlich den Krieg, allen königli-
chen Verboten zum Trotzt Der Kriegsbeginn von 1411 und der spektakuläre
Mord von 1407 blieben in der Erinnerung der Zeitgenossen prägnante Ein-
schnitte, auf die etwa Thomas Basin noch 1470 den Beginn der Kriege und
Kämpfe datierte

112.2 Praktiken: Die Normalität des Exzessiven
Die Darstellungen des Bürgerkriegs in den zeitgenössischen Chroniken
zeichnen sich durch zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Tendenzen
aus. Zum einen wurde die besondere Schwere und Grausamkeit des Bürger-
kriegs hervorgehoben, zum anderen die Gewöhnung an die Schrecken des
Krieges betont. Die Charakteristika der antiken Bürgerkriegsbeschreibungen
ließen sich zwar nicht eins zu eins auf das 15. Jahrhundert übertragen, das
grundlegende Narrativ wurde jedoch von den mittelalterlichen Autoren bei-
behalten.433
Die besondere Härte des Bürgerkriegs wurde von den Chronisten anhand
dreier Charakteristika verdeutlicht. Erstens wurde die Beliebigkeit des Mor-
dens beschrieben: Nicht nur Gegner waren das Ziel militärischer Opera-
tionen, sondern die Beteiligten seien gegen alle Gruppen der Bevölkerung
gleichermaßen vorgegangen. Michel Pintoin etwa schilderte, wie 1409 bur-
gundische Truppen im Bourbonnais wüteten und ohne Ausnahme die Ein-
wohner ungeachtet des Alters, des Geschlechts oder des Standes massakrier-
ten.^ Dieses Vorgehen kann zwar auch als übliche Kriegspraktik gelten,
wurde aber in den Bürgerkriegserzählungen dezidierter betont und durch

430 Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 65.
431 Chronique normande de Pierre Cochon, S. 247; Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 165. Der An-
klagebrief Karls von Orleans ist wiedergegeben bei Juvenal des Ursins, Histoire, S. 460f., siehe
auch Chronique du Religieux, Bd. 4, S. 418-434. Vgl. dazu Schnerb, Armagnacs, S. 144f.
432 CMW, faB dfscessfoMe efapsMS, fa^Mefs fegMM dfsfn'Mg; MOMJäcBe possef, armfs cf pofeufM pars ceso
JäucMS cf Mcccm fBam Mfcfscf CMpicMS, ipsMM BMrgMmBoMMm dMcem cf ferras SMHS aggredf; ipse uero c
Biuerso scsc/;'Mcs^MC SMOS fMfgr;' cf aduersHMfes opprfmere af^MC eorMM coMHBhMS oFsfsfere moBeFßMfMr.
QMcr cs FeBorMm cBBB'MM prfmMm, deiMde efmm exfernorMM af^MC FosBB'MM BuaMM/MB cf origo. Ba-
sin, Charles VII, Bd. 1, S. 20. Der Bourgeois schrieb 1419 anlässlich der Beerdigung Johanns Oh-
nefurcht, dass in den vergangenen 12 Jahren (also seit 1407) mehr Übel begangen wurden, als
in den letzten 60 Jahren (also seit 1359), Journal d un Bourgeois, S. 150f. (§262). Nicolas de Baye
führte 1412 als Grund für die Kriege den Mord an Ludwig von Orleans an und berichtete, wie
1412 der Beginn des Krieges auf 1410 datiert wurde, Nicolas de Baye, Journal [1885-1888],
Bd. 2, S. 71 und 84f. Noch zum Jahr 1405 hatte dagegen Michel Pintoin geschrieben, er kenne
die Ursachen des Streits zwischen den Fürsten nicht, Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 292.
433 Siehe Götter, Abgeschlagene Hände, bes. S. 56.
434 Bf fMMC pafriam BFere cf sine oNce, uefMd fempesfas oa/Bda, perfMsfraMdo d;*M, ^Mof^Mof & agrfcoBs,
mcoBs ^MO^MC afBs oFufam FaNdf, cfaB, scx:B Mcc coMdidom pareews, sine miserfcordm peremff crMdeB-
fer, cf Freudo^Mfo Mfcws, md/am rem reButpdf fMcofMmem, CM;'A^o a:d fgwe Mocer; possef. Chronique
du Religieux, Bd. 4, S. 242. Siehe auch Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 220.
 
Annotationen