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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0214
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11 Formen kriegerischer Gewalt

213

Neben der expliziten Betonung der besonderen Härte und Unerbittlichkeit
wurde jedoch gleichzeitig auch die Gewöhnung an die Gewalt des Bürger-
kriegs beschrieben: Die Krieger plünderten und mordeten „wie es ihre Ge-
wohnheit war"439^ Garnisonen gegnerischer Burgen wurden hingerichtet und
„wie gewohnt" öffentlich zur Schau gestellt,^ und selbst die Androhung der
Belagerer, die Verteidiger einer Festung an Bäumen aufzuhängen, wenn sie
sich nicht ergäben, schüchterte diese nicht mehr ein, „denn sie waren erfahren
im Krieg und schon öfter in ähnlichen Situationen gewesen."^ Die Wendung
der ,Übeltaten, die Krieger gewöhnlich begehen' fand sogar in die oft stan-
dardisierten Formulierungen für Begnadigungsbriefe Eingang.^
Das Nebeneinander von schockierenden Einzelfall-Schilderungen und
mitunter fatalistisch aufgezählten Stereotypen steht keinen Widerspruch dar.
Beide Ebenen ergänzen sich und entspringen der politisch-moralischen Inten-
tion der Autoren, den Bürgerkrieg als besonders grauenhaft darzustellen. Zu
diesem Zweck wurden verschiedene Narrative bewusst angewandt, um den
Bürgerkrieg zu delegitimieren, den Franzosen die Schlechtigkeit ihres Han-
delns vor Augen zu führen und sie möglichst auf die als eigentliche Gegner
beschriebenen Engländer zu verweisend^ Drastische Schilderungen von Ge-
walt delegitimierten die Handelnden und der Hinweis, man habe sich an
diese Gewalt gewöhnt, wirkte subtil in dieselbe Richtung: Die Schrecken des
Krieges wurden zwar beschrieben, hatten aber keinen Neuigkeitswert mehr,
so die implizite Aussage derartiger Wendungen. Tatsächlich besaß die ver-
meintliche Beiläufigkeit, mit der die Gewalt beschrieben wurde, jedoch das
Potential, das Grauen noch zu erhöhen. Die Unmenschlichkeit der Situation
dürfte den zeitgenössischen Lesern sofort als ungewöhnlich und exzessiv ins
Auge gesprungen sein.

ieMrs soMdoi/ers poiMi ne pui/nieMi ei ipi'iis MdiunieMi HMire cdose ipie re ipi'iis emdinieMi eM iMHMi, eM
preMHMi Pommes de ioMS ediis, /ewiwies, CMfüMts. Journal d'un Bourgeois, S. 331f. (§644). Siehe auch
Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 346-348.
439 diem, ie 2^'joMr d'oeiodre eMSMiuHMi,/Mi priMse in uiiie de ProuiMS ei ie edusiei per /es AMgioi/s ei/Mi
piiiee ei roddee, ei iMe geMS, eoniwe eoMsiMMie esi d ieiz geMS de/iire. Journal d'un Bourgeois, S. 320
(§618).
440 Aueo/Mes ieipiei/MreMi deoipiiez Miessire Pierre de MeMHM, oipiiniMe dM eoMiMiMM d'iceiie uiiie, MMisire
AMeei Bussiei Hduooii, ei i/MHire HMires geMiiiz doMiMies, doMi ies iesies/ireMi/iedees HMX doMiz de iüMces
ei ies eorps pendMS HM gidei eM in MMMiere HCOMSiMMiee. Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 10.
444 AMssi ne /MreMi pus MioiMS nigres ies HssiegeHMS de ieMr prepurer ioMie Miorieiie eMundi/e, ei de ieMr
eeri/ier doMieMse Miori d MM urdre s'iis se inissoieMi preMdre MOM reMdMS. QMi M'eM/ireMi Mi/ piMS, Mi/
woiMS poMriHMi, cur esioieMi ioMS dMÜs de gMerre, ei esioieMi pusses HMires/bis pur HMires semdindies des-
irois. Si/ se reeoi/briereMi eM ieMr HueMiMre ei eM in ueriM de ieMrs eoMmges. Chastellain, Oeuvres,
Bd. 1, S. 96.
442 di se wisi SMr ies eiuiMips eoMiMie HMires ei pur eMix so:i(Jeri/!ire SMr Mosire peMpie ei SMdgiez es pui/s de
CdHMipnigMe, PnoMMOi/s ei HMire pari, MMMix, doniMMiigcs, piiieries, roderies, iurreeiMS, weMrires, muis-
seweMS desneriieiges, meM^OMMeMieMS de geMS ei de desidd, ei ueseM SMr ies eiuiMips eoMiMie geMS
d'arwes OMi HCOMSiMMie de /eire. Peiire de PemissioM für Jean de Ravenei, April 1446, zitiert nach
Tuetey, Ecorcheurs, Bd. 2, S. 402f. Siehe auch den Peiire de RemissioM für Guinot de Roquelaure,
November 1445, ediert in: ebd., S. 469f.; Peiire de RewissioM für Jean de Raymon, April 1446,
ediert in: ebd., S. 409f.; Peiire de RemissioM für Charles de la Cloche, Mai 1447, ediert in: ebd.,
S. 421f.
443 Vgl. zu Bürgerkriegsnarrativen Ferhadbegovic/Weiffen, Einleitung, S. 10-14.
 
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