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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0222

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11 Formen kriegerischer Gewalt

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verlegen, da sie den Griff zu den Waffen als traditionelles Recht verstanden,
um ihre Interessen zu verteidigen. Während die Fürsten unter dem Einfluss
des Teufels stünden, der den Hass unter ihnen immer neu entfache, so Michel
Pintoin, hätten sich die Krieger an die Gewalt gewöhnt, die ihnen inzwischen
quasi angeboren sei.^°

Krieg wurde als normaler Bestandteil der irdischen Welt aufgefasst und
seine Präsenz oder gar Notwendigkeit kaum je kritisch hinterfragt. Basierend
auf theologischen Grundlagen und klassischen ritterlichen Idealen wurde der
Krieg als regelhafte, geordnete und symmetrische Art der Konfliktaustragung
imaginiert. Für jegliche durch ihn bedingten Übel war der Mensch in seiner
Fehlerhaftigkeit verantwortlich. Diese Übel aber konnten vermieden werden,
so zumindest die Sichtweise des Adels, wenn man die Kriegführung ihnen als
professionellen Kriegern überließ. Ihre Ideale und Regeln bildeten die Grund-
lage für Handlungsprinzipien, welche die Kriegstührung berechenbar und
das Handeln des Gegners absehbar machen sollten. Diese Berechenbarkeit
wurde nicht als taktischer Nachteil, sondern als Voraussetzung für einen rit-
terlichen, das heißt auf Symmetrie beruhenden Kampf angesehen. Gleichwohl
beschränkte sich die Akzeptanz derartiger Regeln und Ideale auf den Adel, so
dass gegenüber der Art und Weise, wie städtische Truppen oder Söldner
Krieg führten, starke Vorbehalte bestanden. Traditioneller adliger Maßstab
des Kriegs war nicht Erfolg, sondern die Orientierung an Tugenden und der
Gewinn von Ehre. Städtische Bewohner dachten deutlich stärker in Katego-
rien der Effizienz und forderten genau diese von ihren Kriegern ein.
Neben der ständischen und geographischen Herkunft der Akteure waren
auch Recht und Moral Bewertungskriterien zeitgenössischer Beobachter.
Während rechtliche Erwägungen idealer weise auf eindeutigen und akzeptier-
ten Normen (z. B. Waffenruhen) beruhten, orientierten sich moralische Urteile
an nicht eindeutig definierbaren Werten (z. B. Treue). Dennoch hatten sie im
Zweifelsfall gegenüber rechtlichen Überlegungen stärkeres Gewicht, was
gleichzeitig die beschränkte Geltungskraft der sogenannten ,Regeln der
Kriegstührung' zeigt. Gegenüber dieser Normalität der Kriegsführung wur-
den die Auseinandersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts jedoch in ihrem
Ausmaß als erklärungsbedürftig angesehen. Die Diagnosen der Zeitgenossen
reichten von theologischen (der Krieg als Strafe Gottes) bis zu sozialkritischen
Deutungen (der Krieg als Ausdruck des Hasses der Fürsten aufeinander) und
moralisierten damit den technischen und personellen Wandel der Kriegsfüh-
rung. Die Dauerhaftigkeit der Konflikte, die mangelhafte Effizienz des Ritter-
tums und die Entwicklung neuer Waffen führten zu einer Professionalisie-
rung des Krieges, die das ritterliche Ethos der Selbstbestimmtheit durch das

48° Sed tphg morid; od;'o, msiigMHMie di/aMo diseordiarMm inceMiore, MMiMO igiwHFHMi. Chronique du
Religieux, Bd. 6, S. 260; ähnlich ebd., S. 284. Ei MOMmdh re/ereFgui iMMC regem m eiuÜHÜFMS s;'N
SMMih's pMhhce ei uoce precoMM edäisse Mi omwes arma se^Menies ad iMUH&MdMM ZHghcos, ne amphMS
HSSMeias ei ^MHs; iMMHias iMäpu'igies excercereMi. Ebd., S. 262.
 
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