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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0235
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234

IVI Problematisierungen

die in ihnen verbrieften Pflichten aus der Welt zu schaffen.^ Die dage-
gen zerstörten 1358 vor allem Landsitze und Burgen, die ihnen als Sinnbild
der verhassten Adelsherrschaft gatten V Aufgrund von Zugeständnissen, die
zuvor obrigkeitlich zugesichert worden waren, lassen sich die Aktionen (so
1380 in Paris) als Selbsthilfe interpretieren, mit der die Zusagen dann eigen-
mächtig umgesetzt wurden. Die Handlungen der Aufständischen waren zwar
durch eine emotional bedingte Intensität geprägt, entsprangen aber wohl
einem Gerechtigkeitsempfinden, nach dem die Aufständischen ihre Hand-
lungen als legitim einschätzten: Letztlich setzen sie mit Gewalt durch, was sie
als (ihr) Recht ansahen.

Gewalt als Korrektiv der Obrigkeit
Mittelalterliche Revolten richteten sich kaum je gegen den König direkt, son-
dern machten statt dessen ,Verräter' aus seiner Umgebung für etwaige Miss-
stände verantwortlich/" So erklärten die Pariser 1383 die Initiatoren der Steu-
ererhebungen zu „Feinden des Gemeinwesens"^, und die Cahodvdns forder-
ten im April 1413 vom Dauphin Ludwig (+ 1415) die Auslieferung einiger
seiner Berater, die sie, so Pintoin, für seinen schlechten Lebenswandel ver-
antwortlich machten/^ Man wollte um jeden Preis verhindern, dass den Dau-
phin eine ähnliche Krankheit ereilen würde wie seinen Vater Karl VI. Daher

68 Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 54 und 132; Chronique des quatre premiers Valois, S. 299;
Chronique normande de Pierre Cochon, S. 163; Basin, Louis XI, Bd. 1, S. 68. Siehe dazu Maun-
tel, Charters; Mente, Dominus.
-'6 Jean le Bel, Chronique, Bd. 2, S. 256; Chronographia regum francorum, Bd. 2, S. 279; Chronique
normande, S. 129; Recits, S. 295. Es kann als gesichert gelten, dass Etienne Marcel hier Einfluss
auf die /HOjMCS nahm, um ihre Wut auf einige Befestigungen rund um Paris zu richten, die den
Parisern ein Dorn im Auge waren; Cazelles spricht hier von einem „decastillement systema-
tique", Cazelles, Societe [1982], S. 329; siehe auch Roch, Guerres, S. 49; Wright, Knights, S. 78;
Autrand, Charles V, S. 329; siehe dazu die Lehm de remission für Jacquin de Chenevieres, Au-
gust 1358, ediert in Luce, Histoire, S. 255. Bommersbach, Gewalt, S. 54—57, weist nach, dass
mitunter auch Akten gezielt vernichtet wurden.
70 Das Motiv der Verräter' findet sich immer wieder in Klagen über die Regierung: Slanicka,
Krieg, S. 280; Schnerb, Armagnacs, S. 172; Tuetey, Introduction, S. 19, Fußnote. 2; Beaurepaire,
Complainte, S. 257. Siehe auch: Chiffoleau, Processions; Cazelles, Societe [1982], S. 323. Cohn,
Lust, S. 135-140, äußert sich skeptisch zum Motiv der Königsloyalität, da diese in den Quellen
nur selten positiv belegt sei. Für die /HajMcn'c etwa berichtet nur die Chronique des quatre pre-
miers Valois, S. 74, dass die Aufständischen königliche Banner mit sich führten und den könig-
lichen Schlachtruf Monl/oL riefen. Für eine grundsätzlich pro-königliche Ausrichtung spricht
jedoch, dass der König selbst nie Ziel von Attacken wurde, sondern er vielmehr die Bestrafung
der Verräter' gewährleisten sollte. Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 221, etwa berichtet für das
Jahr 1411 von einer Gruppe Bauern aus dem Laonnais, die sich unter dem Namen cp/äns V roi/
gegen den Graf von Roussy wandten. Die den Aufständischen seitens der Chronisten mitunter
zugeschriebenen anti-königlichen Intentionen können dagegen als Versuche der Delegitimie-
rung gedeutet werden. Siehe dazu Mauntel, Legitimität, S. 107, sowie Kap. IV.2.1.3, S. 237-244.
71 J...J HMim; pcrÜMHCMW mÜMCMfcs, &;'Mccps SMÜSKÜ'orMm promoforcs Dostes rdpMNicc repM-
ärndos. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 130.
77 Zur folgenden Episode siehe hauptsächlich die Chronique du Religieux, Bd. 5, S. 16-26. Siehe
auch im Journal d un Bourgeois, S. 56-71 (§59-86). Ausführliche moderne Darstellungen finden
sich bei Schnerb, Armagnacs, S. 168-190; d'Avout, Querelle, S. 179-222; Coville, Les cabo-
chiens, S. 179-346.
 
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