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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0252
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21 Formen kollektiver Gewalt

251

Der politische Gegner wurde im Sinne eines Feindbilds dämonisiert, ver-
teufelt und entmenschlicht, mitunter wurde sogar direkt zur Gewalt gegen
ihn aufgefordert.^ So erging schon 1411 in Paris der Aufruf, dass jeder, der
einen Armagnac töten könne, dies tun solle und dafür dessen Güter behalten
dürfet Die Bezeichnung ,Armagnac' nahm den Charakter eines Schimpf-
worts an und nach Jean Juvenal habe es in der auf geheizten Stimmung ge-
reicht, jemanden als ,Armagnac' zu bezeichnen, um ihn straflos töten und
ausrauben zu können."^ Auch die allgegenwärtige Präsenz der jeweiligen
Parteizeichen sorgte dafür, dass der Konflikt sich auf immer größere Gruppen
übertrug und damit öffentlich sichtbar wurde."^ Die ideologische Aufladung
der Parteizeichen ging nach Jean Juvenal so weit, dass Kinder nicht im Zei-
chen des Kreuzes Christi getauft wurden, sondern mit dem burgundischen
Andreaskreuz.^" Eine derartige religiöse Verbrämung sakralisierte die Partei-
zeichen und machte sie damit quasi unantastbar:^ Es ist allein schon be-
zeichnend, dass eine Statue des Hl. Andreas - des Patrons von Burgund - in
Paris mit dem weißen Band der Armagnacs geschmückt wurde, womit man
den Hausheiligen des Gegners für die eigene Partei vereinnahmte. Als 1414
ein Mann dieses Band entfernte, wurde dies folglich als politischer Akt gese-
hen, für den dem Mann die Hand abgehackt wurdet
Als weiteres Merkmal der durch den Bürgerkrieg geprägten Atmosphäre
beschreiben die Quellen die Geschwindigkeit, mit der vor allem die städtische
Bevölkerung immer wieder die Seiten wechselte, beziehungsweise sich von
der jeweiligen Propaganda vereinnahmen ließ. Für die Zeit kurz nach dem
(burgundisch geprägten) Aufstand der 1413 berichtet der Boz/rgeozs
de Paris, die Stimmung habe sich schnell gegen den Herzog von Burgund
gewendet und Einzelne haben Angst gehabt, abweichende Meinungen zu

etait tMe OM iZZsaZZ; 'C'esZ MM ArMMgMac', rar ZedZZ eomZe etait ZeMM poMr Zres cnieZ Ziomme eZ Zi/mM
eZ SHMS pZZZe. Journal d un Bourgeois, S. 37 (§13) (ad a. 1410). Siehe zur Konstruktion von Feind-
bildern Slanicka, Feindbilder, zur Entmenschlichung bes. S. 104-106.
i66 Slanicka, Feindbilder, hebt mit Blick auf den Konstruktionscharakter von Feindbildern insbe-
sondere die Überhöhung der eigenen Opfer und die Diabolisierung und Entmenschlichung des
Gegners hervor. Im Rahmen des Bürgerkriegs wurden etwa die Burgunder in zwei Miniaturen
der Tres RZeZies Heu res des Herzogs von Berry für die Passion Christi verantwortlich gemacht:
Die Soldaten, die Jesus abführen, sind durch ihre Kleidung als Bourguignons kenntlich ge-
macht, Musee Conde, Chantilly, MS. 65/1284, fol. 143' und 147', Abbildungen bei Slanicka,
Feindbilder, S. 107f. Prominente Armagnacs werden wiederum beim Bourgeois zu schlechten
Christen stilisiert: Journal d un Bourgeois, S. 110 (§191), 113 (§194), 152f. (§262), siehe dazu Sla-
nicka, Feindbilder, S. 113f.
16? Journal d'un Bourgeois, S. 39 (§16) (ad a. 1411).
168 FZ sZ MM Ziomme esZoZZ rZeZie, ZZ Mepi^oZZ dZre, CesZMi/-Za esZ An?MgMHf, poMr Ze ZMer, pZZZer, desroZier,
eZ preMdre ses ZiZeMS. FZ sZ ZZ M'i/ auoZZ Ziomme de/MsZZce, Mi/ HMZre (/Mi ^'sZ oze moZ Juvenal des
Ursins, Histoire, S. 471 (ad a. 1411). Zum Schimpfwortcharakter siehe S. 193, Anm. 323.
169 Siehe dazu Slanicka, Krieg; Slanicka, Knotenstock.
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HMX eii/ZiMS & eeMX i/M'oM dZsoZZ esZre HMeMMemeMZ JäuorZsHMS HMsdZZs seZgMeMrs. Juvenal des Ürsins,
Histoire, S. 471 (ad a. 1411).
i7i Siehe dazu Slanicka, Feindbilder, S. 109f.
i77 Journal d'un Bourgeois, S. 80f. (§110); Chronique du Religieux, Bd. 5, S. 446.
 
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