Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0351
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
350

VI Vertiefungen

richten wollen, weil diese im Kampf seinen Neffen getötet haben sollen, sei
dies den anderen Adligen grausam und unehrenhaft erschienen und auch die
Gefangenen selbst seien angesichts des ihnen drohenden Schicksals entsetzt
gewesen: Froissart berichtet, sie haben nicht glauben wollen, dass ein so tap-
ferer Mann und Krieger so grausam sein könne und im Kampf gefangene
Ritter töten würde.'" Dieses Beispiel macht deutlich, dass es Froissart vor al-
lem um das Verhalten der Krieger ging. Angesichts verbreiteter kriegerischer
Gewalt erwartete er in seiner Chronik von seinen Protagonisten eine größere
Beherrschtheit, die damit als ein Verhaltensideal erscheint."" Abweichungen
wie bei Louis d'Espagne wurden dagegen als negatives Beispiel stilisiert -
ganz ähnlich wie der burgundische Herzog Karl der Kühne bei Philippe de
Commynes zum negativen Beispiel eines rein emotional re(a) gierenden Fürs-
ten wurde.
Uber das Motiv der Wut hinaus konnte auch das Ziel des Wutausbruchs
zum Sinnbild unbeherrschten Verhaltens (und damit unrechtmäßigen Tötens)
werden, so bei der Tötung von Boten. Sollte ein Bediensteter lediglich eine
Botschaft überbringen, gebührte ihm unbedingt freies Geleit."^ Mit der Reak-
tion des französischen Admirals Jean de Vienne schildert Michel Pintoin
exemplarisch das angemessene Verhalten gegenüber Boten: Obwohl ein Bote
dem Admiral 1385 einen beleidigenden Brief des englischen Königs über-
bracht habe, habe dieser weder in Gesten noch in Worten eine Regung des
Zorns gezeigt, sondern den Boten ehrenhaft behandelt.""" Gegenüber diesem
vorbildhaften Verhalten stellt eine Episode aus dem Jahr 1409 das negative
Gegenbild dar: Michel Pintoin und Jean Juvenal verurteilten einhellig, wie ein
Bote, den Ludwig von Orleans mit einer Vorladung vor das ParUnzetü zum
Grafen von Nevers gesandt habe, unterwegs an einer Ulme erhängt und die
königlichen Briefe zerrissen worden seiend Zwar habe der Graf von Nevers
sich von etwaigen Anschuldigungen entlasten können, aber „der arme Diener
blieb tot"'", wie Jean Juvenal schrieb. Der Fall mag den Zeitgenossen - gerade
weil man ihn nicht aufklären konnte - als (weiteres) Menetekel ihrer unheil-
vollen Zeit gegolten haben, die sich durch die Nichtbeachtung vormalig als
bindend angesehener Verhaltensformen auszeichnete.

Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 414-416 (1,177).
11 So auch in der Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 386.
12 Dazu Mauntel/Oschema, Prince. Diese Charakterisierung findet sich mitunter auch bei anderen
Chronisten, siehe z. B. Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 134.
12 Bonet, Arbre, S. 155-160 (IV,57-59); Laennec, Christine, Bd. 2, S. 244—251 (IV,l-3), (siehe auch:
Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 243-250; Christine de Pisan, Book of deeds, S. 185-191).
i4 Perieeiis gpiahMS, gdwirdiMS expiorgiorew regiMW, Mec MMiM exHcerbgiMM! Me^Me uerNs, FeMigMe ae
eorMipoMie excepii, Mec & coMsüds HMf uinhMS dosiiMW percMMciaiMS, ipsMW per ioeggig commidioMMM!
dedMceMS, post depsdem re/eciioMem ipsMM! doMCiHMi iMHMcnhHS. Chronique du Religieux, Bd. 1,
S. 386.
12 iMsidiose. De ienio cn'wiDe. Ebd., Bd. 4, S. 250; Q:d /Mi MM dorn'Mc ei dcicsicMc cas. Juvenal des
Ursins, Flistoire, S. 452.
12 Mais ioMies/bis ie pgMure sergeMi deweMra wort. Fi Me peMi-OM OMC^Mes s^auoir tpd ee Huoii/di. Juvenal
des Ursins, Histoire, S. 452.
 
Annotationen