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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0379
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378

VI Vertiefungen

rück. Pintoin beschrieb die Pariser als „am ganzen Körper mit Blut befleckt
und bis zu den Knöcheln im Blut watend"^ und sein Bericht gipfelte in der
Feststellung, diese Grausamkeit hätte sogar die Sarazenen erschüttert. Indi-
rekt mag er damit auf seine eigene Schilderung des Massakers bei Nikopoiis
angespielt haben, von dessen Blutrünstigkeit sich mit Sultan Bajezid tatsäch-
lich ein Sarazene erschreckt zeigte. Gleichzeitig unterstellte Pintoin den Pari-
sern eine Grausamkeit, die sogar die der Sarazenen übersteige. Die Aufstän-
dischen wurden, obwohl sie Christen und Franzosen waren, mit einem nega-
tiv konnotierten und als kulturell fremd imaginierten Motiv assoziiert, das
ihre Taten umso ungeheuerlicher erscheinen ließ.

Verschmutzung und Befleckung
Blut erschreckte und Blut beschmutzte. Das Motiv der Reinigung (wie es noch
1099 in Jerusalem gesehen wurde) scheint dagegen im Spätmittelalter in den
Hintergrund getreten zu sein. Das ,Blutopfer' der Christen 1396, wie es Pinto-
in schildert, war nur im metaphorischen Sinn eine Reinigung von den Sün-
den, während das physisch sichtbare Blut den Boden verschmutzte. Auch die
stilisierte Reinigung der Stadt Paris von armagnakischen ,Verrätern' durch
das Massaker des Jahres 1418 beim Bourgeois & Paris war keine Reinigung
durch Blut(-vergießen), sondern vielmehr von (vergossenem) Blut: Ein Re-
genschauer habe die Straßen gesäubert, womit das Blut selbst als Sinnbild der
Verschmutzung erscheint. Die eigentliche Reinigung der Stadt zeigte sich am
nächsten Tag gerade durch die Abwesenheit von BtutA
Blut wurde im spätmittelalterlichen Frankreich mit Verschmutzung und
Befleckung assoziiert: So beschrieb Michel Pintoin gleich zwei Mal Schlacht-
felder als „von Blut verschmutzt."^ Auch sei noch einmal an den Abt von
St. Denis erinnert, der in der Darstellung Pintoins 1418 während der Massa-
ker von bewaffneten Parisern bedroht und dessen Gewand von ihren blutigen
Waffen befleckt wurdet Pintoin enthielt sich jedes bewertenden Kommentars
- vermutlich, weil er das Bild selbst als wirkmächtig genug erachtete. Die
Befleckung des Abtes mit Blut mag auf die päpstlicherseits bereits 1215 ver-
kündete Vorschrift verweisen, Kleriker sollten jeden Kontakt mit Blut meiden,
da sich dessen Unreinheit sonst auf sie übertragen könnte.^ Vor demselben
Hintergrund galt eine Kirche, in der Blut vergossen wurde, als entweiht.^

82 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 246-248, Textzitat auf S. 258, Anm. 215.
82 Journal d un Bourgeois, S. 112 (§193), Textzitat auf S. 259, Anm. 221.
84 Ei ca&MdMM crMorc drcMW^MH^MC tw ei Einem poÜMMMiMr. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 222
(ad a. 1382). LfNtjMC simges imwMMissiwM cxccrccfMr, iia Mi inierempiorMm crMorc locMS poÜMcrciMr
MMiuersMS, aE giorMW mEEHMÖMW SMh dMcc. Ebd., Bd. 4, S. 170 (ad a. 1408).
88 Ebd., Bd. 6, S. 246, Textzitat auf S. 257, Anm. 212.
88 Konzilien des Mittelalters, S. 244 (can. 18), siehe in dieser Arbeit auch S. 258, Anm. 214 ; vgl.
dazu Bildhauer, Blood, S. 66f. sowie Le Goff/Truong, Histoire, S. 39-41.
82 Siehe z. B. im Journal d un Bourgeois, S. 360f. (§704) (ad a. 1436). Zu entweihten Kirchen siehe
Corpus iuris canonici, Bd. 1, Sp. 1299 (DccrciMW Gmiinni, de Cons., d. 1, c. 19, §1): S; imwidEio
Mci HEMÜcn'o tvdcsiH MioiaiH /Mcn'f, EEigcniissiwc cxpMrgcfMr cf &MMO consccrciMr. Dazu auch
Brademann/Freitag, Heilig, S. 403.
 
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