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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0388
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31 Ideal und Devianz

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iungen das Richtige, das Wünschenswerte und das Erstrebenswerte. Helden-
geschichten hatten ihren festen ,Sitz im Leben' der adligen Kultur, wie eine
Regelung Alfons' X. von Kastilien (reg. 1252-1282) aus den S/efe pzzrfzdzzs zeigt:
Der König legte fest, dass Krieger in Friedenszeiten durch die Lektüre von
ruhmvollen Taten das lernen sollten, was sie sich in Kriegszeiten praktisch
aneignen konnten.^ Höfische Literatur und Historiographie sollten also die
Krieger zum Kämpfen ausbilden und motivieren - und entsprechend waren
die Erzählungen aufgebaut." So gehörte der tapfer kämpfende Held unab-
dingbar zur idealen Beschreibung einer Schiacht.'" Die Motive und Formulie-
rungen, mit denen ein Krieger zum Helden stilisiert wurde, waren dabei
weitgehend formelhaft, da es weniger um individuellen Ruhm als um die
Verkörperung ritterlich-adliger Ideale ging.""
Typischerweise hingen äußere Erscheinung und innere Verfassung eines
Helden zusammen: Ein wohlproportionierter Körper mit edlen Zügen spie-
gelte die innere Tugendhaftigkeit eines Kriegers."^ Der Körper eines Helden
gab diesem aber auch die Möglichkeit, sich im Kampf effektiv durchzusetzen
- so war zum Beispiel die Fähigkeit hoch geschätzt, seinen Gegnern mit ei-
nem Hieb Gliedmaßen abschlagen zu können."^ Als heldenhaft wurde damit
eher tatkräftiges (gewaltsames) Handeln als überlegtes Taktieren angesehen."""
Gleichzeitig entsprach dieses Ideal zunehmend weniger den tatsächlich im
Kampf geforderten Eigenschaften: So berichtet etwa Monstrelet, wie ein ein-
zelner französischer Krieger in der Hoffnung, andere würden ihm folgen,
allein den gegnerischen Bogenschützen entgegenstürmte - und von diesen
getötet wurde.'"' Auch wenn in dieser Episode eher gemeinsames Agieren
statt individuellem Wagemut propagiert wurde, behielt das klassische Bild
des ,Helden' jedoch grundsätzlich seine Strahlkraft - womöglich gerade als
Gegenpol zu der sich wandelnden Realität."*"

s Ef por ende or&?MroM aso como /iompo de gMorra HprtmdMM &rmas pro u/s/a ei por prMoFa,
o/ros/ /iompo de paz /o apr/s/osoM por o;'da ei por OM/omüm/oM/o; ei por eso axos/MmFra/wM /os ea-
M/eros ^MHMdo oom/oM t?Me /es /ei/sen /as des/or/as de /os gnmdes A^dos de armes t?Me /os o/ros ^er/eran,
e/ /os sesos e/ /os esfMerzos t?Me dod/erow para sader uenoer e/ aeadar /o t?Me ^Mer/en. Las siete partidas,
Bd. 2, S. 213 (II, XXI, 20); Verweis bei Aurell, Chevalier lettre, S. 270.
9 Keen, Chivalry, Nobility, S. 45; ebenso Oschema, Si fut moult grande perte, S. 108 und 119f.
Siehe auch die exemplarische Analyse von Melville, Held.
Kortüm, Kriege, S. 18f.
11 Prietzel, Tod, S. 72. Zum ,Heldentod" siehe ebd., S. 78-82; zu unterschiedlichen Typen von
Helden siehe Oschema, Si fut moult grande perte, S. 111-118. Zur Darstellung ritterlicher Hel-
den siehe Brown-Grant, Commemorating.
12 Nadot, Spectacle, S. 219f. Für ein solches physisches Idealbild siehe z. B. die Beschreibung des
Jean II. Le Maingre (genannt Boucicaut): Le Livre des fais du bon messire, S. 391 (IV,1), Ver-
weis bei Nadot, Spectacle, S. 221, allerdings auf eine veraltete Edition.
i2 Siehe beispielhaft folgende Quellenbelege: Chronique des quatre premiers Valois, S. 35; Frois-
sart, Chroniques (liv. III & IV), S. 622 (IV,52); Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 6, S. 165 (1,538);
Chronique du Religieux, Bd. 4, S. 262; Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 225. Vgl. auch Kortüm,
Kriege, S. 227, sowie Przybilski, Leib.
i4 Prietzel, Tod, S. 71. Als Ausnahme darf hier die Idealisierung gelten, die Karl V. im
15. Jahrhundert erfuhr, vgl. S. 93f., 129 (Anm. 54) und 209 dieser Arbeit.
i8 Monstrelet, Chronique, Bd. 4, S. 413.
i8 So die Argumentation von Kortüm, Kriege, S. 20f.
 
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