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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0404
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31 Ideal und Devianz

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sei entsprechend ein „vollkommener Schurke""^ gewesen. Jean le Bel formte
damit aus einer Gruppenbezeichnung für die Landbevölkerung eine Füh-
rungsfigur, die als Personifikation der Schiechtheit diente. Froissart führte
dies konsequent weiter, indem er schrieb, die Aufständischen hätten den
Schlechtesten der Schlechten zu ihrem König gewählt.^ Die Zuschreibung,
einen Anführer zum , König' erhoben zu haben, ist ein weiteres Mittel zur
Delegitimation eines Aufstands: Eine ,Königswahl' bedeutete die offene
Missachtung des eigentlichen Königs und sollte den ordnungsgefährdenden
Charakter der jeweiligen Rebellion belegend^ Hierauf spielt auch die C/izwzz-
zjzzc normende an, die den Anführer der JizcpnrTze erst bei dessen Tötung in die
Handlung einführte und ihm sogleich vorwarf, er habe sich für einen König
gehadert."5 Jenseits dieser stereotypen, delegitimierenden Zuschreibungen
bleibt die Figur des Anführers gesichtslos. Dies könnte an unzureichenden
Informationen der Chronisten liegen. Wahrscheinlicher aber ist, dass der ,Kö-
nig der Aufständischen' im Narrativ der Chronisten schlicht keine individuel-
le Charakterprägung benötigte. Der Anführer der eigentlich als führungslos
imaginierten Aufständischen war vielmehr die exemplarische Personifikation
aller schlechten Eigenschaften, die man den Rebellen zuschrieb.
Was also können wir über die Person Guillaume Cales sagen, der nicht
nur in mehreren Chroniken als Anführer der JizepizenL fassbar ist, sondern
auch in Begnad igungsbriefen?""' Wenig, so die folgerichtige Antwort. Nähere
Informationen bieten nur die C/izvztzpne zfzfc de /een de Venehe und die Gzroizz-
t?ne des pnzztzT premzers Vzzlozs, die beide eine gewisse Grundsympathie für die
Anliegen der jzzczjMds zeigen. Die GzronzzjMC dde de /een de Venehe stellte Cale als
schlauen Bauern aus Mello (Dep. Oise) vorA? Die GzroizzzjMC des zjMdfm premzers
Vdlozs beschreibt ihn sogar als gutaussehend und rhetorisch begabt. Er habe
wiederholt versucht, die Jzzepzzes zu mäßigen und vor zu großen Exzessen zu
warnen, ns
Die übrigen Chroniken stehen den Jzzepzzes eindeutig negativ gegenüber
und verzichten auf eine genauere Charakterisierung ihres Anführers. Von

112 EI auoZrMi res wrsrZ?aMS grMS MMg ci?appiiaiMr tpCoM apprZZoii Ja^Mr Bekomme, tpu rsioii MM papäii
uZZaiM. Jean le Bel, Chronique, Bd. 2, S. 260. Zur Benennung der Jar^Mrs siehe S. 225, Anm. io.
n2 Ei auoZrMiJäZi MM roi/ rMirr i/aMS, ^Mr OM apprZZoZi JaZrr BoMZmwwe, ^MZ rsioZi, sZ com OM dZsoZi adoMr, de
CiermoMi eM BZaMuoZsZs, ei Ze esZZsZreMi Ze pZrMr des pZrMrs. Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 5, S. 100
(1,413). Zur Benennung der Jar^Mes siehe S. 225, Anm. 10.
ui Siehe dazu Mauntel, Legitimität, S. 97 und 112f.; Dommanget, Jacquerie, S. 44-48. Zum Motiv
der „anderen Könige" arbeitet zurzeit Torsten Hiltmann (Münster).
H2 Ei/Zsi ropprr Za iesie a ZeMr rappiiaiMe, ^MZ se uoMZoZi ieMZr poMr roi/. Chronique normande, S. 130.
n6 Nennung in Chroniken: Chronique des regnes, Bd. 1, S. 178 und 184; Chronique de Richard
Lescot, S. 126; Chronique des quatre premiers Valois, S. 71-74; Chronographia regum franco-
rum, Bd. 2, S. 272f. Nennung in Begnadigungsbriefen: Eriirr dr rrwZssZoM für Jeanne, Witwe von
Jean Rose, September 1358, Luce, Histoire, S. 272-274; Eriirr dr rrmissioM für Jean Bernier, Sep-
tember 1358, ebd., S. 276-278; Eriirr dr rrmissioM für Mahieu de Leurel, März 1365, ebd., S. 333-
335.
n2 Ei srZpsos ZM wagMa WMZiZiMdZMr rowZa'MaMirs, rapZiaMrMW ^Mrwdaw, dr uZZZa ^Mar MrZZo dZrZiMr, rMsiZ-
CMM! wagMZs asiMiMM!, ordZMarMMi, srZZZrri CMZZZrZwMM! dZrir KarZr. Chronique dite de Jean de Ve-
nette, S. 174.
ns Chronique des quatre premiers Valois, S. 71-73.
 
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