1. Die Muslime im Königreich Sizilien - eine Spurensuche
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scher Herrschaft begann, in dem das sizilische Reich in die damaligen großen
Konflikte Lateineuropas verstrickt wurde. Die Muslime gerieten dabei mehrfach
in Opposition zur Zentralgewalt, insbesondere in den Wirren von 1189 und nach
dem frühen Tod Heinrichs VI. und Konstanzes 1197/8. Nur der dreijährige
Kaisersohn Friedrich II. verblieb damals als Herrschaftsnachfolger, die Muslime
rebellierten. Erst als Erwachsenem gelang dem Staufer die Niederringung des
Aufbegehrens, woraufhin die besiegten Muslime zwischen 1223 und 1247 ihr
Land verlassen mussten - mit den eingangs geschilderten Folgen.
Doch auch wenn der berühmte Friedrich II. damit die vierhundertjährige
Geschichte des Islam auf Sizilien beendete, initiierte er zugleich eine neue Ära
muslimischen Lebens auf dem süditalienischen Festland: Im Norden Apuliens
konnten die Vertriebenen wiederum vergleichsweise friedlich im christlichen
Reich siedeln und ihre Religion gegen Zahlung der entsprechenden Steuern
ausüben. Erstaunlich schnell normalisierte sich ihr Verhältnis zum Königtum;
die Muslime entwickelten sich zu treuen Unterstützern Friedrichs II. und seiner
Erben bis in die dritte Generation: Als der Stauferkaiser selbst, seine Söhne
Konrad IV. und Manfred sowie sein Enkel Konradin jahrzehntelang mit dem
Papsttum stritten, konnten sie jeweils auf massive muslimische Waffenhilfe
zählen. So stellte die religiöse Minderheit einen bedeutenden Machtfaktor im
staufischen Süditalien dar.
Daran änderte sich auch wenig, als das sizilische Königreich einen erneuten
Herrschaftswechsel durchlief: 1266 kam Karl I. von Anjou, der Bruder des
französischen Königs, als Streiter des Papsttums gegen die Staufer ins Land und
schlug Manfred und zwei Jahre später auch Konradin vernichtend. Damit be-
gann die angiovinische Herrschaftszeit in Süditalien, zugleich die letzte Phase
dortigen islamischen Gemeinschaftslebens. Obwohl Karl I. von Anjou nämlich
die Staufer und ihre muslimischen Verbündeten in Form eines Kreuzzugs be-
kämpft hatte, begnadigte er die Muslime zweifach. Sie konnten weiterhin bei
freier Religionsausübung und begrenzter Selbstverwaltung vor Ort leben, zum
Teil auch noch als Höflinge und Soldaten im Königsdienst wirken. Der Angio-
vine und sein Sohn Karl II. erhoben sogar kooperierende muslimische Füh-
rungspersönlichkeiten zu Rittern. Erst an der Wende zum 14. Jahrhundert zer-
brach die traditionsreiche Koexistenz im Königreich Sizilien: Karl II. von Anjou
ließ das muslimische Lucera aus bislang umstrittener Ursache entvölkern und
seine Bewohner großteils in die Sklaverei verkaufen.
Ein halbes Jahrtausend islamischen Gemeinschaftslebens im Zentrum des
Mittelmeerraumes und damit eine Epoche italienischer Geschichte gingen zu
Ende. Der gesamten Zeitspanne aber hatten die Muslime Süditaliens ihren
Stempel aufgedrückt. Und doch finden sich, wie erwähnt, bemerkenswert we-
nige direkte Zeugnisse ihrer einstigen Präsenz und Bedeutung: Im westsizili-
schen Binnenland ist das ehemalige demographische Gewicht der Muslime vor
allem ex negativo spürbar, muslimische Städte harren dort weiter der Ausgra-
bung. In Palermo - einst pulsierende Metropole der sizilischen Muslime - liegen
direkte Zeugnisse fast nur unter der Erde: Moscheefundamente, Friedhöfe und
sogenannte qcinciwät, auf arabische Traditionen zurückgehende Wasserleitungs-
stollen. Offen sichtbare Reste muslimischen Einflusses überdauern fast nur in
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scher Herrschaft begann, in dem das sizilische Reich in die damaligen großen
Konflikte Lateineuropas verstrickt wurde. Die Muslime gerieten dabei mehrfach
in Opposition zur Zentralgewalt, insbesondere in den Wirren von 1189 und nach
dem frühen Tod Heinrichs VI. und Konstanzes 1197/8. Nur der dreijährige
Kaisersohn Friedrich II. verblieb damals als Herrschaftsnachfolger, die Muslime
rebellierten. Erst als Erwachsenem gelang dem Staufer die Niederringung des
Aufbegehrens, woraufhin die besiegten Muslime zwischen 1223 und 1247 ihr
Land verlassen mussten - mit den eingangs geschilderten Folgen.
Doch auch wenn der berühmte Friedrich II. damit die vierhundertjährige
Geschichte des Islam auf Sizilien beendete, initiierte er zugleich eine neue Ära
muslimischen Lebens auf dem süditalienischen Festland: Im Norden Apuliens
konnten die Vertriebenen wiederum vergleichsweise friedlich im christlichen
Reich siedeln und ihre Religion gegen Zahlung der entsprechenden Steuern
ausüben. Erstaunlich schnell normalisierte sich ihr Verhältnis zum Königtum;
die Muslime entwickelten sich zu treuen Unterstützern Friedrichs II. und seiner
Erben bis in die dritte Generation: Als der Stauferkaiser selbst, seine Söhne
Konrad IV. und Manfred sowie sein Enkel Konradin jahrzehntelang mit dem
Papsttum stritten, konnten sie jeweils auf massive muslimische Waffenhilfe
zählen. So stellte die religiöse Minderheit einen bedeutenden Machtfaktor im
staufischen Süditalien dar.
Daran änderte sich auch wenig, als das sizilische Königreich einen erneuten
Herrschaftswechsel durchlief: 1266 kam Karl I. von Anjou, der Bruder des
französischen Königs, als Streiter des Papsttums gegen die Staufer ins Land und
schlug Manfred und zwei Jahre später auch Konradin vernichtend. Damit be-
gann die angiovinische Herrschaftszeit in Süditalien, zugleich die letzte Phase
dortigen islamischen Gemeinschaftslebens. Obwohl Karl I. von Anjou nämlich
die Staufer und ihre muslimischen Verbündeten in Form eines Kreuzzugs be-
kämpft hatte, begnadigte er die Muslime zweifach. Sie konnten weiterhin bei
freier Religionsausübung und begrenzter Selbstverwaltung vor Ort leben, zum
Teil auch noch als Höflinge und Soldaten im Königsdienst wirken. Der Angio-
vine und sein Sohn Karl II. erhoben sogar kooperierende muslimische Füh-
rungspersönlichkeiten zu Rittern. Erst an der Wende zum 14. Jahrhundert zer-
brach die traditionsreiche Koexistenz im Königreich Sizilien: Karl II. von Anjou
ließ das muslimische Lucera aus bislang umstrittener Ursache entvölkern und
seine Bewohner großteils in die Sklaverei verkaufen.
Ein halbes Jahrtausend islamischen Gemeinschaftslebens im Zentrum des
Mittelmeerraumes und damit eine Epoche italienischer Geschichte gingen zu
Ende. Der gesamten Zeitspanne aber hatten die Muslime Süditaliens ihren
Stempel aufgedrückt. Und doch finden sich, wie erwähnt, bemerkenswert we-
nige direkte Zeugnisse ihrer einstigen Präsenz und Bedeutung: Im westsizili-
schen Binnenland ist das ehemalige demographische Gewicht der Muslime vor
allem ex negativo spürbar, muslimische Städte harren dort weiter der Ausgra-
bung. In Palermo - einst pulsierende Metropole der sizilischen Muslime - liegen
direkte Zeugnisse fast nur unter der Erde: Moscheefundamente, Friedhöfe und
sogenannte qcinciwät, auf arabische Traditionen zurückgehende Wasserleitungs-
stollen. Offen sichtbare Reste muslimischen Einflusses überdauern fast nur in