Forschungsstand: Der Kreuzzug als Papstkrieg - Eine Meistererzählung
15
päpstliche Autorität ein konstitutiver Bestandteil, ein essentielles Element der
Großerzählung vom Kreuzzug im Allgemeinen sowie der Kreuzzugsdefinition
im Besonderen ist.* * * * * * * 20
Bekanntlich wird in der Forschung eine intensive Debatte um die definito-
rische Frage geführt: „What were the Crusades?"21 In Wesentlichen stehen sich
zwei Definitionen bzw. Schulen antithetisch gegenüber, für die sich die Be-
zeichnungen Traditionalisten und Pluralisten durchgesetzt hat.22 Auch wenn die
Auseinandersetzung zwischen den Exponenten der jeweiligen Gruppierungen
teilweise sehr polemisch ausgetragen wurde, so zeigt sich bei genauerem Hin-
sehen jedoch, dass die beiden gängigen Definitionen zumindest in der Frage der
päpstlichen Autorität nahezu identisch sind.
Der Kieler Mediävist Hans Eberhard Mayer bemühte sich in seinem 1965
erstmals publizierten Standardwerk zur „Geschichte der Kreuzzüge" um eine
Begriffspräzision des Phänomens.23 Für Mayer ist ein Kreuzzug „im eigentlichen
Sinn" ein vom Papst autorisierter Krieg zur Eroberung bzw. Verteidigung Jeru-
salems, wofür den Teilnehmern ein Ablass sowie bestimmte weltliche Privilegien
in Aussicht gestellt wurden.24
Burlington 2005, S. 117; Housley: Contesting the Crusades, S. 19; Blake, Ernest Oscar: The
Formation of the 'Crusade Idea', in: The Journal of Ecclesiastical History 21 (1970) S. 11-32, hier
S. 12; Mitterauer: Warum Europa?, S. 208; France: Crusades and the Expansion of Catholic
Christendom, S. 97; Prince: Alfonso I and the Memory of the First Crusade, S. 77f.; Jotischky:
Crusading and the Crusader States, S. 7; Frankopan, Peter: The First Crusade: the call from the
East, London 2012, S. 5; Tyerman, Christopher: The debate on the crusades, 1099-2010, Man-
chester [u. a.] 2011, S. 2; Ders.: Fighting for Christendom, S. 47, 228.
20 Die Logik, die sich hinter dieser Denkweise verbirgt, ist jedoch erst jüngst in den Blickpunkt der
Forschung geraten. Vgl. Kortüm, Hans-Henning: Kriegstypus und Kriegstypologie: Über
Möglichkeiten und Grenzen einer Typusbildung von „Krieg" im Allgemeinen und von „mit-
telalterlichem Krieg" im Besonderen, in: Dietrich Beyrau/Michael Hochgeschwender/Dieter
Langewiesche (Hg.): Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart (Krieg in der
Geschichte 37), Paderborn [u. a.] 2007, S. 71-98; Chevedden, Paul: Crusade Creationism versus
Pope Urban II's Conceptualization of the Crusades, in: The Historian 75 (2013), S. 1-46, hier S. 11.
21 Riley-Smith, Jonathan: What Were the Crusades, Basingstoke [u. a.] 42009.
22 Zur Unterscheidung der beiden Denkschulen vgl. Riley-Smith: The Crusading Movement and
Historians, S. 8-10; Housely: Later Crusades, S. 2f.; Flori, Jean: Pour ime redefinittion de la
croisade, in: Cahiers de civilisation medievale 47 (2004), S. 329-349; Constable, Giles: The His-
toriography of the Crusades, in: Ders. (Hg.): Crusaders and crusading in the twelfth Century,
Farnham [u. a.] 2008, S. 3-44, hier S. 18 f.; Tyerman: The debate on the crusades, S. 216-246.
23 Mayer, Hans Eberhard: Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart [u. a.] '1965. In einer späteren Re-
zension erklärte Mayer, dass es ein Anliegen seiner Kreuzzugsgeschichte gewesen sei, eine
„clear-cut definition of a crusade" auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen. Vgl. Ders.:
Rezension zu: Riley-Smith, What were the Crusades?, in: Saeculum 53 (1978), S. 841 f., hier S. 841.
24 „Ein Kreuzzug im eigentlichen Sinn ist [...] ein Krieg, der vom Papst ausgeschrieben wird, in
dem das Gelübde verlangt, der Ablaß und die weltlichen Privilegien bewilligt werden, und der
(das scheint wesentlich) auf die Erlangung oder Erhaltung eines ganz bestimmten, geographisch
fest umrissenen Zieles gerichtet ist: auf die christliche Herrschaft über das Grab des Herrn in
Jerusalem." Mayer: Geschichte der Kreuzzüge, S. 263. Zwar fehlt Mayers Kreuzzugsdefinition
seit der sechsten Auflage seiner Kreuzzugsgeschichte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Mayer
die Definition aufgegeben hätte, wie aus einer Auseinandersetzung mit Norman Housley
15
päpstliche Autorität ein konstitutiver Bestandteil, ein essentielles Element der
Großerzählung vom Kreuzzug im Allgemeinen sowie der Kreuzzugsdefinition
im Besonderen ist.* * * * * * * 20
Bekanntlich wird in der Forschung eine intensive Debatte um die definito-
rische Frage geführt: „What were the Crusades?"21 In Wesentlichen stehen sich
zwei Definitionen bzw. Schulen antithetisch gegenüber, für die sich die Be-
zeichnungen Traditionalisten und Pluralisten durchgesetzt hat.22 Auch wenn die
Auseinandersetzung zwischen den Exponenten der jeweiligen Gruppierungen
teilweise sehr polemisch ausgetragen wurde, so zeigt sich bei genauerem Hin-
sehen jedoch, dass die beiden gängigen Definitionen zumindest in der Frage der
päpstlichen Autorität nahezu identisch sind.
Der Kieler Mediävist Hans Eberhard Mayer bemühte sich in seinem 1965
erstmals publizierten Standardwerk zur „Geschichte der Kreuzzüge" um eine
Begriffspräzision des Phänomens.23 Für Mayer ist ein Kreuzzug „im eigentlichen
Sinn" ein vom Papst autorisierter Krieg zur Eroberung bzw. Verteidigung Jeru-
salems, wofür den Teilnehmern ein Ablass sowie bestimmte weltliche Privilegien
in Aussicht gestellt wurden.24
Burlington 2005, S. 117; Housley: Contesting the Crusades, S. 19; Blake, Ernest Oscar: The
Formation of the 'Crusade Idea', in: The Journal of Ecclesiastical History 21 (1970) S. 11-32, hier
S. 12; Mitterauer: Warum Europa?, S. 208; France: Crusades and the Expansion of Catholic
Christendom, S. 97; Prince: Alfonso I and the Memory of the First Crusade, S. 77f.; Jotischky:
Crusading and the Crusader States, S. 7; Frankopan, Peter: The First Crusade: the call from the
East, London 2012, S. 5; Tyerman, Christopher: The debate on the crusades, 1099-2010, Man-
chester [u. a.] 2011, S. 2; Ders.: Fighting for Christendom, S. 47, 228.
20 Die Logik, die sich hinter dieser Denkweise verbirgt, ist jedoch erst jüngst in den Blickpunkt der
Forschung geraten. Vgl. Kortüm, Hans-Henning: Kriegstypus und Kriegstypologie: Über
Möglichkeiten und Grenzen einer Typusbildung von „Krieg" im Allgemeinen und von „mit-
telalterlichem Krieg" im Besonderen, in: Dietrich Beyrau/Michael Hochgeschwender/Dieter
Langewiesche (Hg.): Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart (Krieg in der
Geschichte 37), Paderborn [u. a.] 2007, S. 71-98; Chevedden, Paul: Crusade Creationism versus
Pope Urban II's Conceptualization of the Crusades, in: The Historian 75 (2013), S. 1-46, hier S. 11.
21 Riley-Smith, Jonathan: What Were the Crusades, Basingstoke [u. a.] 42009.
22 Zur Unterscheidung der beiden Denkschulen vgl. Riley-Smith: The Crusading Movement and
Historians, S. 8-10; Housely: Later Crusades, S. 2f.; Flori, Jean: Pour ime redefinittion de la
croisade, in: Cahiers de civilisation medievale 47 (2004), S. 329-349; Constable, Giles: The His-
toriography of the Crusades, in: Ders. (Hg.): Crusaders and crusading in the twelfth Century,
Farnham [u. a.] 2008, S. 3-44, hier S. 18 f.; Tyerman: The debate on the crusades, S. 216-246.
23 Mayer, Hans Eberhard: Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart [u. a.] '1965. In einer späteren Re-
zension erklärte Mayer, dass es ein Anliegen seiner Kreuzzugsgeschichte gewesen sei, eine
„clear-cut definition of a crusade" auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen. Vgl. Ders.:
Rezension zu: Riley-Smith, What were the Crusades?, in: Saeculum 53 (1978), S. 841 f., hier S. 841.
24 „Ein Kreuzzug im eigentlichen Sinn ist [...] ein Krieg, der vom Papst ausgeschrieben wird, in
dem das Gelübde verlangt, der Ablaß und die weltlichen Privilegien bewilligt werden, und der
(das scheint wesentlich) auf die Erlangung oder Erhaltung eines ganz bestimmten, geographisch
fest umrissenen Zieles gerichtet ist: auf die christliche Herrschaft über das Grab des Herrn in
Jerusalem." Mayer: Geschichte der Kreuzzüge, S. 263. Zwar fehlt Mayers Kreuzzugsdefinition
seit der sechsten Auflage seiner Kreuzzugsgeschichte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Mayer
die Definition aufgegeben hätte, wie aus einer Auseinandersetzung mit Norman Housley