3. Kapitel: Peter der Eremit - Der primus auctor des Ersten Kreuzzugs
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beschließt seinen Bericht über den Kreuzzug des Eremiten mit dem reflexiven
Kommentar, dass es seine Absicht war aufzuzeigen, dass Peter der Eremit keinen
Beitrag zu dem Werk der übrigen Kreuzfahrer geleistet hätte.* * 664 Damit markiert
der Benediktinerchronist einen scharfen Kontrast zwischen dem Kreuzzug des
Eremiten und den Taten der anderen Kreuzfahrer, welche ihm bekanntlich als
Dei Gesta per Francos gelten.
Diese hier ins Blickfeld gerückte Deutung von Peters Kreuzzug steht im
zeitgenössischen Diskurs keineswegs allein. Sie findet sich, mehr oder weniger
explizit, auch bei anderen Historiographen, insbesondere der französischen
Tradition. So stellt auch die weitverbreitete Kreuzzugsgeschichte von Robert
dem Mönch einen Kausalnexus zwischen der verlustreichen Schlacht von Civitot
und der militärischen Inkompetenz Peters des Eremiten her.665 Ähnlich deutet
auch Balderich von Bourgueil den Ausgang von Peters Kreuzzug.666 Bekanntlich
stehen die Geschichten der drei Benediktinermönche, also Guibert von Nogent,
Robert von Reims und Balderich von Bourgueil, in einer engen textuellen Be-
ziehung zueinander, da sie alle dieselbe Vorlage haben, nämlich die anonymen
Gesta Francorum. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass sich die genannte
Deutungsweise auch bei dem normannischen Anonymus nach weisen lässt.667
Diese Darstellungsweise der Chronisten hat lange Zeit auch der modernen
Sichtweise Vorschub geleistet. Dem disziplinierten Fürsten- bzw. Ritterkreuzzug
wurde der undisziplinierte, anarchische Volks- bzw. Bauernkreuzzug kontras-
tierend gegenüber gestellt, womit die Forschung letztlich die Sichtweise der
Chronisten duplizierte.668 Die Attraktivität jenes Deutungsangebotes bestand
darin, dass sich somit jene Aspekte der Kreuzzugsgeschichte, die nicht recht ins
Bild vom heroischen und zumal erfolgreichen Ritterkreuzzug zu passen schie-
nen - etwa Pogrom, Plünderung, der Aufbruch des unbewaffneten vulgus sowie
apokalyptische Erwartungen -, ausklammem ließen, indem man sie dem
Volkskreuzzug zurechnete. Der Blick auf die Charisma-Theorie scheint diese
Sichtweise ebenfalls zu stützen, definiert Weber das personale Charisma doch als
„spezifisch irrational" und „spezifisch revolutionär", weshalb es der Disziplin
buntur interitu, quia indisciplinatis mors obviat et quicquid pensi moderatique nichil habet, parum durat.
Guibert von Nogent: Dei Gesta per Francos, II, 11, ed. Huygens, S. 123 f.
664 Comitiae Petri Heremitae talisfuit exitus, cuius historiam ideo sine alterius materiae intersticio prosecuti
sumus, ut eam aliis nullam impendisse opem sed Turcis addidisse audaciam monstraremus. Guibert von
Nogent: Dei Gesta per Francos, II, 11, ed. Huygens, S. 128.
665 Sed omnis congregatio hominum que bono auctore non gubernatur, si ei languidum caput principatur,
cotidie languescit et a salute elongatur. Propterea et hi, quia prudentem principem qui eorum dominaretur
non habebant, reprehensibilia opera faciebant. Robert der Mönch: Historia Hierosolimitana, I, ed.
Kempf/Bull, S. 9.
666 Gens etenim illa sine rege, sine duce, uariis aggregata locis, indisciplinate uiuentes, in res alienas rapaciter
inuolabant, et plumbum, de quo ecclesie cooperte fuerant, absportabant et uendebant; necnon et palatia
destruebant, et in omnibus se nequiter agebant. Balderich von Bourgueil: Historia lerosolimitana, I,
ed. Biddlecombe, S. 13.
667 Petrus uero Heremita paulo ante ierat Constantinopolim, eo quod nequibat refrenare illam diuersam
gentem, quae nec illum nec uerba eins audire uolebat. Irruentes uero Turci super eos occiderunt multos ex
eis; [...]. Gesta Francorum, ed. Hill, S. 4.
668 Siehe dazu oben S. 133.
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beschließt seinen Bericht über den Kreuzzug des Eremiten mit dem reflexiven
Kommentar, dass es seine Absicht war aufzuzeigen, dass Peter der Eremit keinen
Beitrag zu dem Werk der übrigen Kreuzfahrer geleistet hätte.* * 664 Damit markiert
der Benediktinerchronist einen scharfen Kontrast zwischen dem Kreuzzug des
Eremiten und den Taten der anderen Kreuzfahrer, welche ihm bekanntlich als
Dei Gesta per Francos gelten.
Diese hier ins Blickfeld gerückte Deutung von Peters Kreuzzug steht im
zeitgenössischen Diskurs keineswegs allein. Sie findet sich, mehr oder weniger
explizit, auch bei anderen Historiographen, insbesondere der französischen
Tradition. So stellt auch die weitverbreitete Kreuzzugsgeschichte von Robert
dem Mönch einen Kausalnexus zwischen der verlustreichen Schlacht von Civitot
und der militärischen Inkompetenz Peters des Eremiten her.665 Ähnlich deutet
auch Balderich von Bourgueil den Ausgang von Peters Kreuzzug.666 Bekanntlich
stehen die Geschichten der drei Benediktinermönche, also Guibert von Nogent,
Robert von Reims und Balderich von Bourgueil, in einer engen textuellen Be-
ziehung zueinander, da sie alle dieselbe Vorlage haben, nämlich die anonymen
Gesta Francorum. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass sich die genannte
Deutungsweise auch bei dem normannischen Anonymus nach weisen lässt.667
Diese Darstellungsweise der Chronisten hat lange Zeit auch der modernen
Sichtweise Vorschub geleistet. Dem disziplinierten Fürsten- bzw. Ritterkreuzzug
wurde der undisziplinierte, anarchische Volks- bzw. Bauernkreuzzug kontras-
tierend gegenüber gestellt, womit die Forschung letztlich die Sichtweise der
Chronisten duplizierte.668 Die Attraktivität jenes Deutungsangebotes bestand
darin, dass sich somit jene Aspekte der Kreuzzugsgeschichte, die nicht recht ins
Bild vom heroischen und zumal erfolgreichen Ritterkreuzzug zu passen schie-
nen - etwa Pogrom, Plünderung, der Aufbruch des unbewaffneten vulgus sowie
apokalyptische Erwartungen -, ausklammem ließen, indem man sie dem
Volkskreuzzug zurechnete. Der Blick auf die Charisma-Theorie scheint diese
Sichtweise ebenfalls zu stützen, definiert Weber das personale Charisma doch als
„spezifisch irrational" und „spezifisch revolutionär", weshalb es der Disziplin
buntur interitu, quia indisciplinatis mors obviat et quicquid pensi moderatique nichil habet, parum durat.
Guibert von Nogent: Dei Gesta per Francos, II, 11, ed. Huygens, S. 123 f.
664 Comitiae Petri Heremitae talisfuit exitus, cuius historiam ideo sine alterius materiae intersticio prosecuti
sumus, ut eam aliis nullam impendisse opem sed Turcis addidisse audaciam monstraremus. Guibert von
Nogent: Dei Gesta per Francos, II, 11, ed. Huygens, S. 128.
665 Sed omnis congregatio hominum que bono auctore non gubernatur, si ei languidum caput principatur,
cotidie languescit et a salute elongatur. Propterea et hi, quia prudentem principem qui eorum dominaretur
non habebant, reprehensibilia opera faciebant. Robert der Mönch: Historia Hierosolimitana, I, ed.
Kempf/Bull, S. 9.
666 Gens etenim illa sine rege, sine duce, uariis aggregata locis, indisciplinate uiuentes, in res alienas rapaciter
inuolabant, et plumbum, de quo ecclesie cooperte fuerant, absportabant et uendebant; necnon et palatia
destruebant, et in omnibus se nequiter agebant. Balderich von Bourgueil: Historia lerosolimitana, I,
ed. Biddlecombe, S. 13.
667 Petrus uero Heremita paulo ante ierat Constantinopolim, eo quod nequibat refrenare illam diuersam
gentem, quae nec illum nec uerba eins audire uolebat. Irruentes uero Turci super eos occiderunt multos ex
eis; [...]. Gesta Francorum, ed. Hill, S. 4.
668 Siehe dazu oben S. 133.