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Weitzel, Tim; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Universität Konstanz [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Kreuzzug als charismatische Bewegung: Päpste, Priester und Propheten (1095-1149) — Mittelalter-Forschungen, Band 62: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.57728#0230
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3. Kapitel: Papst - König - Abt: Der Zweite Kreuzzug im Spannungsfeld der Autoritäten 229

bereits hirtgewiesen wurde. Im Ersten Kreuzzug wird mittels des Typus des
Moses mithin die zentrale Führungsrolle des Papsttums im Kreuzzug legitimiert.
Bei Petrus Venerabilis ist es jedoch der französische König, der wie Mose im
Auftrag Gottes Krieg führt. Damit suggeriert der Abt von Cluny dass im be-
vorstehenden Kreuzzug der französische König die Funktion des gottgeleiteten
Anführers übernimmt, wohingegen der Papst in dem Brief bezeichnenderweise
nicht erwähnt wird.
Während Mose im Kreuzzugsdiskurs ein weitverbreiteter Bezugspunkt war,
ist eine solche Assoziation für das Deutungsmuster des Sakralherrschers eher
untypisch.1164 Um die Sakralität des Herrschers zu legitimieren, wurde meist eine
Verbindung zu den alttestamentlichen Königen, allen voran König David, her-
gestellt. Die Reichskrone ist sicherlich das bekannteste Beispiel für solche Be-
züge.1165 Indem Petrus Venerabilis einen aus der Kreuzzugshistoriographie be-
kannten Typus auf den König bezog, versuchte er offenbar Elemente des neuen
Deutungsmusters , Kreuzzug' mit Elementen des sakralen Königtums zu ver-
binden.
Die Autorität des französischen Königs im Kreuzzug wird aber nicht nur
durch die Assoziation mit den principes ludeorum legitimiert. Darüber hinaus
macht der Abt von Cluny Ludwigs zentrale Position im Kreuzzug durch eine
Verschränkung des himmlischen und irdischen Königs plausibel. Beide Könige
bilden im Kampf gegen die inimici crucis eine Funktionsgemeinschaft: Der
himmlische König soll nämlich beschlossen haben, seine Ritterschaft durch den
irdischen König gegen die Feinde seines Kreuzes in Schlachtordnung zu bringen,
wie Petrus Venerabilis dem französischen König gleich im ersten Satz des Briefes
mitteilt.1166 Diese Aussage entspricht der Vorstellung vom Christusvikariat des
sakralen Königs. Lange bevor das Papsttum nämlich den Titel des vicarius Christi
für sich beanspruchte, wurde dem sakralen König diese Funktion zugespro-
chen.1167 Es dürfte wohl kein Zufall sein, dass in dem Brief kein einziges Mal
Bezug auf den Papst genommen wird. Vielmehr wird der irdische König hier wie
ein zweiter Mose von Gott selbst zum Gotteskrieg aufgerufen.
Trotz der zunehmenden Sakralisierung der französischen Könige im
12. Jahrhundert und der Persistenz traditioneller Vorstellungen von der zentra-
len Funktion des Sakralherrschers im Gotteskrieg, gelang es Ludwig offenbar

1164 Dies heißt freilich nicht, dass solche Bezüge völlig fehlen würden, wie Stephan Weinfurter im
Hinblick auf Heinrich II. nachgewiesen hat. Vgl. Weinfurter, Stefan: Kaiser Heinrich II. und die
Bischöfe: Sakralität und Autorität, in: Eleonora Destefanis/Paola Guglielmotti (Hg.): La diocesi
di Bobbio. Formazione e sviluppi di un'istituzione millenaria (Reti Medievali E-Book 23), Firenze
2015, S. 21-45, hier S. 24-28. Für diesen Hinweis danke ich Herrn Prof. Ubl.
1165 Vgl. Schieffer, Rudolf: Mediator cleri et plebis. Zum geistlichen Einfluß auf Verständnis und
Darstellung des ottonischen Königtums, in: Gerd Althoff/Emst Schubert (Hg.): Herrschaftsre-
präsentation im ottonischen Sachsen (Vorträge und Forschungen 46), Sigmaringen 1998, S. 345-
362, hierS. 355 f.
1166 Licet regis aeterni militiam, quam per te regem terrenum, contra inimicos crucis suae armare disposuit,
[...]. Petrus Venerabilis: Ep. 130, in: The Letters of Peter the Venerable, ed. Constable, S. 327.
1167 Vgl. Erkens: Vicarius Christi - sacratissimus legislator - sacra majestas, S. 10-15; Ders.: Herr-
schersakralität im Mittelalter, S. 30-33.
 
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