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Kamenzin, Manuel; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Universität Heidelberg [Contr.]; Universität Heidelberg [Contr.]
Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349) — Mittelalter-Forschungen, Band 64: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62605#0194
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6.10. Rudolf I. und der gute Tod im hohen Alter

193

Die schriftlichen Quellen geben keine Hinweise auf die konkrete Todesur-
sache, sie benennen das hohe Alter des Königs und verweisen unbestimmt auf
eine Krankheit oder ein Fieber. Die Gebeine König Rudolfs sind erhalten, wenn
auch nicht vollständig.1103 Anhand der Skelettreste wurde er als Mann von
„bedeutender Körpergröße" bezeichnet.1104 Darüber hinaus wurden an den
Unterschenkelknochen „Altersdeformationen" festgestellt, die als Indizien für
eine Gichterkrankung gesehen wurden.1105 Angaben zur Todesursache werden
nicht gemacht. Nähere Informationen über medizinische Untersuchungen der
Überreste liegen nicht vor.
Die ausschließlich positiven Schilderungen vom Tod Rudolfs I. in der zeit-
genössischen Historiographie dürften auf eine Kombination der positiven
Grundtendenz bezüglich Rudolfs, des hohen Alters und des Ansehens der
Speyerer Grablege, besonders nach 1309, zurückzuführen sein. Ob der Grabesritt
tatsächlich erfolgte und ob die Reise als letzte Reise intendiert war oder der
besseren Luft wegen unternommen wurde, dürfte an dieser Einschätzung nichts
geändert haben. Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob dies als Ergebnis einer
bewussten Selbstinszenierung König Rudolfs gedeutet werden sollte oder ob es
sich nicht vielmehr um spätere Bedeutungszuschreibungen handelt.1106 Dies
kann nur Vermutung bleiben, da belastbare Zeugnisse fehlen. Ein Testament des
Habsburgers ist nicht erhalten. Auch das Grabmal kann aufgrund seiner un-
durchsichtigen Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte nicht als Indiz dafür
gelten, dass der König tatsächlich in Speyer bestattet werden wollte. Ob ein
Grabesritt und ein inszeniertes, gar als öffentlich zu bezeichnendes Sterben
stattfand oder ob es sich dabei um Details handelt, die unter dem Eindruck der
Speyerer Feierlichkeiten im Jahr 1309 nachträglich hinzugefügt wurden, kann
nicht geklärt werden.
Die Überlieferung zum Tod König Rudolfs zeigt, wie sich ein Narrativ in den
Schilderungen aufgrund von zeitgenössischen Ereignissen etablierte und welche
Strahlkraft Speyer vielleicht schon 1291, zum Todeszeitpunkt, sicher aber nach
1309 entfaltete. Diese Umstände haben zu einer einzigartigen Überlieferungssi-
tuation geführt, die nur positive Urteile über den König kennt, was sich passend
in die Urteile über Rudolf I. in der Chronistik fügt.
Das Leben Rudolfs I. wurde im 19. Jahrhundert mehrfach zum Thema der
zeitgenössischen Dichtung. Der Grabritt wurde dabei zu einem prägenden
Merkmal. Neben den berühmten Bearbeitungen Friedrich Schillers („Der Graf

1103 Siehe Kapitel A 1.4.

1104 Grauert, Kaisergräber, S. 581.

1105 Ebd. Ranke/Birkner, Kaisergräber, S. 1089 attestieren „arthritische Alterserscheinungen" am
linken Kniegelenk, den Füßen, den Hüftgelenken und dem Kreuzbein. - Gicht war unter dem
Namen podagra bekannt, an dieser Krankheit soll 1039 Konrad II. gestorben sein, siehe Bresslau,
Konrad II., Bd. 2, S. 335 f. Die Erkrankung wird nun auch in Zusammenhang mit dem Tod Karls
des Großen diskutiert, siehe S. 58 Anm. 260. Zur angeblich positiven Konnotation von Gicht als
Todesursache siehe Kapitel 4.3.3., Abschnitt „Das gute Sterben".

1106 Dieses Narrativ vertreten bspw. Grabmayer, Diesseits, S. 36-43 oder Meyer, Königs- und Kai-
serbegräbnisse, S. 19-21.
 
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