1. Der Konflikt um den Preußischen Bund (1451-1453)
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Friedrich III. soll, behandelt man den Konflikt sachgerecht, überhaupt nicht ent-
scheiden. Die Piccolominische Alternative, die ebenfalls das Handeln der Herr-
scherfigur eingrenzt, indem sie es aus dem gerade stattfindenden rechtlichen
Entscheiden ausgrenzt, führt allerdings in die Aporie. Freundschaftliche Beile-
gung und Einigung sind bereits gescheitert. Eine decisio mit dem Schwert kann
ein friedliebender Herrscher nicht wollen. Der Kaiser wird gezwungenermaßen
doch wieder zum rechtlichen Entscheider. Aber muss das zu einer Entschei-
dung führen? Auf die Gefahr, dass eine rechtliche Entscheidung Friedrichs III.
nicht anerkannt wird, wirkungslos bleibt und damit allen Beteiligten schadet,
wird die Herrscherfigur in direkter Ansprache hingewiesen273. Diese Erwägung
legt für die gegenwärtige Situation einen klaren Kurs nahe. Eine Entscheidung
soll vermieden werden. Daher sei in der jetzigen Situation die (Splitter) Entschei-
dung zu fällen, Zeit zu gewinnen, um aus dem Entscheiden wieder auszustei-
gen. Die Frist solle gewährt werden, um auch eine Möglichkeit zu gewähren, pax
und concordia zu schaffen.
Es folgt die Segregation der fürstlichen Räte, die sich aus der Situation des
Schiedsgerichts für eigene Beratungen zurückziehen274. Bei ihrer Rückkehr ste-
hen sie Friedrich III. und den verbliebenen Beisitzern als eine geschlossene Grup-
pe gegenüber, die, wie aufgrund ihrer Vorstellung vorhersehbar, die Ablehnung
weiterer Fristsetzung fordert. Es kommt zur Spaltung des Gremiums in acht-
zehn fürstliche Räte und vierzehn kaiserliche Räte, von denen zwölf dem Anra-
ten Piccolominis folgen. Entscheidet in dieser Situation die Figur Friedrichs III.?
Auf den Herrscher kommt es auch in der Erzählung Piccolominis an, doch als
„Entscheider"sollte man ihn sich nicht vorstellen:
Cesar, quod est consuetum, maiorem partem secutus est, quamquam
male sese res habet, cum sententie numerantur, non ponderantur.275
Friedrich III. trifft in der Erzählung Piccolomis hinter den Kulissen des Schieds-
gerichts, dem er vorsitzt, selbst keine Entscheidung über den Konfliktfall, son-
dern fällt die Entscheidung des Gremiums, indem er einer situativen Gewohn-
heit nachgeht und sich der Mehrheit anschließt. Das Zählen der Stimmen wird
mit den weiterführenden, engagierteren Überlegungen des Abwägens kontras-
tiert. Die Herrscherfigur hält sich nach Einschätzung des Erzählers gedanklich
aus dem Entscheiden der Sachfrage weitgehend heraus. So entscheidet der Kai-
ser, wie von der Figur Piccolominis angeraten, nicht, sorgt aber, wie vom Erzäh-
ler missbilligend festgestellt wird, gleichzeitig dafür, dass ein Ergebnis zustande
273 EbcL, 224: „Nempe ne credas, cesar, quamcunque sententiam tuleris, acceptum iri, ne preceps
iudicium agas, ne sententiam promas que ridiculo sit; omnia experiri prius que sunt ad con-
cordiam malim quam ferri sententiam cui non pareant partes."
274 Ebd., 224: „Hü [legati Maguntini] cum ceteris principum legatis Colloquium petunt; assurg-
unt universi atque in alium se locum recipiunt; diu inter se confabulantur; ubi unanimes sunt
reversi, dilacionem concedendam negant".
275 Ebd., 224. Die Gewohnheit ist hier diejenige dieser Herrscherfigur, bzw. der Umgebung dieser
Herrscherfigur, jeweils keine gewohnheitsrechtliche Regel, consuetum, nicht consuetudo.
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Friedrich III. soll, behandelt man den Konflikt sachgerecht, überhaupt nicht ent-
scheiden. Die Piccolominische Alternative, die ebenfalls das Handeln der Herr-
scherfigur eingrenzt, indem sie es aus dem gerade stattfindenden rechtlichen
Entscheiden ausgrenzt, führt allerdings in die Aporie. Freundschaftliche Beile-
gung und Einigung sind bereits gescheitert. Eine decisio mit dem Schwert kann
ein friedliebender Herrscher nicht wollen. Der Kaiser wird gezwungenermaßen
doch wieder zum rechtlichen Entscheider. Aber muss das zu einer Entschei-
dung führen? Auf die Gefahr, dass eine rechtliche Entscheidung Friedrichs III.
nicht anerkannt wird, wirkungslos bleibt und damit allen Beteiligten schadet,
wird die Herrscherfigur in direkter Ansprache hingewiesen273. Diese Erwägung
legt für die gegenwärtige Situation einen klaren Kurs nahe. Eine Entscheidung
soll vermieden werden. Daher sei in der jetzigen Situation die (Splitter) Entschei-
dung zu fällen, Zeit zu gewinnen, um aus dem Entscheiden wieder auszustei-
gen. Die Frist solle gewährt werden, um auch eine Möglichkeit zu gewähren, pax
und concordia zu schaffen.
Es folgt die Segregation der fürstlichen Räte, die sich aus der Situation des
Schiedsgerichts für eigene Beratungen zurückziehen274. Bei ihrer Rückkehr ste-
hen sie Friedrich III. und den verbliebenen Beisitzern als eine geschlossene Grup-
pe gegenüber, die, wie aufgrund ihrer Vorstellung vorhersehbar, die Ablehnung
weiterer Fristsetzung fordert. Es kommt zur Spaltung des Gremiums in acht-
zehn fürstliche Räte und vierzehn kaiserliche Räte, von denen zwölf dem Anra-
ten Piccolominis folgen. Entscheidet in dieser Situation die Figur Friedrichs III.?
Auf den Herrscher kommt es auch in der Erzählung Piccolominis an, doch als
„Entscheider"sollte man ihn sich nicht vorstellen:
Cesar, quod est consuetum, maiorem partem secutus est, quamquam
male sese res habet, cum sententie numerantur, non ponderantur.275
Friedrich III. trifft in der Erzählung Piccolomis hinter den Kulissen des Schieds-
gerichts, dem er vorsitzt, selbst keine Entscheidung über den Konfliktfall, son-
dern fällt die Entscheidung des Gremiums, indem er einer situativen Gewohn-
heit nachgeht und sich der Mehrheit anschließt. Das Zählen der Stimmen wird
mit den weiterführenden, engagierteren Überlegungen des Abwägens kontras-
tiert. Die Herrscherfigur hält sich nach Einschätzung des Erzählers gedanklich
aus dem Entscheiden der Sachfrage weitgehend heraus. So entscheidet der Kai-
ser, wie von der Figur Piccolominis angeraten, nicht, sorgt aber, wie vom Erzäh-
ler missbilligend festgestellt wird, gleichzeitig dafür, dass ein Ergebnis zustande
273 EbcL, 224: „Nempe ne credas, cesar, quamcunque sententiam tuleris, acceptum iri, ne preceps
iudicium agas, ne sententiam promas que ridiculo sit; omnia experiri prius que sunt ad con-
cordiam malim quam ferri sententiam cui non pareant partes."
274 Ebd., 224: „Hü [legati Maguntini] cum ceteris principum legatis Colloquium petunt; assurg-
unt universi atque in alium se locum recipiunt; diu inter se confabulantur; ubi unanimes sunt
reversi, dilacionem concedendam negant".
275 Ebd., 224. Die Gewohnheit ist hier diejenige dieser Herrscherfigur, bzw. der Umgebung dieser
Herrscherfigur, jeweils keine gewohnheitsrechtliche Regel, consuetum, nicht consuetudo.