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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 3.1874-1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.4989#0002
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Die ereilten Flüchtlinge.

sleckt unter Flügeldecken tragen. Seine
Bauern, seine Dorfmulikanten und Dorsschul-
meisler, seine Kleinstädter, seine Grossstädter
mussen, bei aller individuellen Schärfe ihrer
Charakterisirung, Typen ihrer Gattung sein.
Wir erinnern uns nicht, ob schon in einem
älthetischen Lehrbuche die Eintheilung der
Genrebilder zu finden ilt, welche wir hier
geben wollen: in Zustandsbilder und Begeben-
heitsbilder, in schildernde und in erzählende.
Bei ersteren wirken die Objecte der Daritel-
lung durch ihr blosses Dasein — es genüge
an die zechenden und rauchenden Bauern, die
würfelnden Soldaten u. dgl. der Niederländer
des 17. Jahrhunderts zu erinnern. Aus den
zweiten muss man eine Erzählung heraus-
lesen, den einen dargestelltcn Moment durch
eine dazu gedachte Vorgeschichte oder durch
Verliehen dessen, was voraussichtlich diesem
Moment folgen werde, ergänzen. Bei den
älteren Meutern ist diese zweite Gattung viel
seltener als die erite vertreten, kömmt aber
doch auch vor. Wir erinnern z. B. an das
vom jüngeren David Teniers wiederholt be-
handelte Sujet, wie der alte Bauer bei der
jungen, drallen Hausmagd seine Caressen an-
bringt, nicht bemerkend, dass ihn sein nicht
mehr junges und nicht mehr dralles Weib
mit unheilverkündender Miene belauscht —
eine Scene, welche uns einen tiefen Blick in
die »Zustände« des bezüglichen Bauernhauses
werfen lässt — vor allem aber erinnern wir an
Jan Steen, mit seinem falschspielenden Vaga-
bunden (Pinakothek in München), seinem
»Alchymisten« (Akademie in Venedig), wie
denn dieser unvergleichliche Maler-Komiker
recht eigentlich als der Vater des erzählenden
Genrebildes gelten darf.
Als im Laufe unseres Jahrhunderts die
Genremalerei nach einer Art von Winter-
schlaf, in welchen sie während der vornehmen,
heroisch-theatralischen, akademisch-classischen
David-Füger-u.s.w.-Zeit versunken war, wieder
erwachte und sich rasch zu glänzender Höhe
hob, trat die Unterscheidung, welche wir oben
gemacht, allmälig scharf zu Tage, und das
erzählende Bild begann eine grosse Rolle zu
spielen.
Es wäre der Mühe werth, gelegentlich
einmal eine Geschichte dieses Wiederer-
wachens zu schreiben. Zur Zeit, wo es die

Malerei unter einem gefesselten Promethcu-

einem handverbrennenden Scävola gar

nicht

that, durften es, wenn sie einmal nach a
dem Heroismus in einfachen Naturzultan
ausruhen wollte, doch nur lehr resseettf^
Unnaturzustände sein, wo sie lieh erging,
Gessner'sche Schäferwelten, wo Daphnis un
Chloe Rosen eilen und Morgenthau trinke •
War eine gestellte Aufgabe unabwe»W
genrehaft, so wurde sie mit einer Art De P ^
rationsentsehlusfes in den Pomp eines Historie
bildes hinausstylisirt. Man sehe z. B. Kraftter
zwei colossale Landwehrmannbilder im vVie
Belvedere, wo der styliiirte niederösterreic
sche Bauernvater, mit der stylisirten JaC^
auf dem Rücken, dem stylisirten Sohn-Lan
wehrmann stylisirt die Hand drückt. w
der alte, treuherzige Voss seinen siebenzig^
jährigen Dorfschulmeister in der Sprech
Homer's feiert, so ertragen wir es, denn
naive Erzählungsart Homer's ist ein re -n
Spiegel, der die Gestalt des zürnenden Act]
so treu zurückstrahlt, wie die Gestalt des
Grossvaterltuhl einnickenden Schulme
1 Hektor
Tamm — aber über den gemalten «
im »Landwehristen« - Hut mussen wir unJ\
kührlich lächeln. Waldmüller's prächtig
Bauernscenen sind eine wahre Seelenerquic v
darnach. .
Allmälig fing die »natura furca expu
an, ihre vorigen Rechte wieder gelten
machen. Anfangs erschienen die Genreng
schüchtern, irgend eine fremde Trach ,
fremdes Local musste sie empfehlen. ^e .?. n
tanische Fischer, römische Gärtnerfamu»^
wachende und schlafende Räuber nnSeIYn
sich in den Kunstausstellungen einzUr\e.
Aber noch Leopold Robert's mit Rechtu0(T
rühmte »Schnitter« haben die ganze Bedeu j?
eines Historienbildes, — kam Robert do(* j!.ie
David's Schule! Der Engländer David WU
war einer der ersten, die den »kühnen ^
in's volle Menschenleben« ohne Complm^"
wagten. In seiner »Testamentseröftnung^
scheint Hogarth neu aufzuleben, aber
Hogarth's zu sehr in erste Reihe Seru^
didactische und moralisirende Tendenz,
hauser's freie Nachahmung (im Belve den
giebt eine Reduction, höchst deutlich in ^
Beziehungen der einzelnen Figuren zum ^
lasser, desfen Bildniss von der ZimmerW» '
 
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