Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 5.1876-1877

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5786#0030
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5g

60

Siegen als Internirter zu leben (i573). Dort
ward am 29. Juni 1677 als sechstes Kind seiner
Eltern Peter Paul Rubens geboren. Im fol-
genden Jahre darf die Familie nach Köln
zurückkehren, wo der Vater, nachdem er
sammt den Seinigen in den Schooss der katho-
lischen Kirche wieder eingetreten war, 1587
stirbt. Ein Jahr darauf gelingt es den unab-
lässigen Bemühungen der Witwe die Erlaub-
niss zur Rückkehr nach Antwerpen zu er-
langen und logar das coniiscirte Vermögen
für ihre heben Kinder zu retten.
Wie eine zweite Vorsehung wachte diele
hochherzige Dulderin über das Leben ihrer
Kinder, und besonders scheint Peter Paul,
dessen hohe Begabung schon früh sich gezeigt
haben muss, die Sorgfalt der zärtlichen Mutter
in hohem Maasse erfahren zu haben. Ihr
Streben ging dahin, dem Knaben eine gelehrte
Erziehung zu geben und ihn zum Berufe
des Vaters heranzubilden. In der Schule der
Jesuiten, welche sich durch ihren systemati-
schen Unterricht und ihre klassische Gelehr-
samkeit auszeichnete, erhielt er die Grund-
lage jener gediegenen und universellen Bil-
dung, in der er wohl den Künstlern aller
Zeiten überlegen ist. Als Page im Hause der
Gräfin Lalaing, der vornehmsten und edel-
sten Dame Flanderns, eignete er sich die
Umgangsformen der höheren Stände an, die
ihm nachmals im Verkehr mit den ersten
Fürstenhöfen seiner Zeit von so hohem Werth
waren. Aber die Neigung des jungen Rubens
wandte sich so entschieden der Malerei zu,
dass das Widerstreben der Mutter allmählich
besiegt ward, und er zuerst zu Tobias Ver-
haecht in die Lehre kam.
Man hat bisher gewöhnlich die Vorgänger
von Rubens in ziemlich wegwerfender Weise
behandelt, um sein Auftreten völlig meteorhaft
zu gestalten. In Wahrheit aber verdankt er
seinen Vorläufern und Lehrern gar Manches,
das freilich durch seine geniale Begabung erst
zur vollen Entwickelung kommen sollte. Ein
Rückblick auf die Geschichte der flandrischen
Kunst wird dies erklären. Im Anfang des
fünfzehnten Jahrhunderts war durch die Brü-
der van Eyck die Malerei zu einer Höhe ge-
führt worden, für welche wir kaum eine ge-
nügende Erklärung finden. Die Kunst eines
Hubert van Eyck, wie sie sich im Genter
Altarbild ausspricht, einerseits noch erfüllt
von der feierlichen Symbolik des Mittelalters,
andrerseits aber durchströmt von einem
ganz neuen Naturgefühl, das mit wunder-
gleicher Gewalt plötzlich wie die vom Eise
befreiten Bäche des Frühlings hervorbricht,
fleht wie ein Wunder, wie die erlösende That
eines grossen schöpferischen Genius am An-
fang der modernen Kunstgeschichte. Erst seit
Hubert und Jan van Eyck besitzen wir eine

Malerei im eigentlichen Sinne des Wortes.
Ihre Schüler und Nachfolger, die Hugo von
der Goes, Peter Cristus, Justus van Gent,
Rogier van der Weyden, Hans Memling bis
zu Gerhard David und Dirk Bouts haben
den Kreis treuer Naturauffallüng und charak-
teristischcr Schilderung des Menschenlebens
sammt seiner landschaftlichen und architek-
tonischen Umgebung wohl zu erweitern, aber
nicht zu vertiefen vermocht. Ein ganzes Jahr-
hundert hindurch bewegt sich die flandrische
Malerei in den Geleilen eines treuen, aber
etwas engen Realismus. Da brach im Anfang
des 16. Jahrhunderts wie eine Wundermähr
die Kunde von der freien Blüthe der italieni-
schen Renaissancekunst aufregend und beun-
ruhigend in die Hillen Kreise der niederlän-
dischen Künstler hinein. So mächtig war der
Reiz der Kunflweise eines Rafael und Michel-
angelo, dass von Mabuse und Bernardin von
Orley an die nieder ländlichen Künstler fast
ohne Ausnahme nach dem Süden pilgerten,
um dort in der römischen Schule den edlen,
durch die Antike geläuterten Stil, die gross-
artig ideale Formbehandlung, vor Allem die
freie Darstellung nackter Figuren sich anzu-
eignen. Was die nächsten Decennien unter
einem Lambert Lombard (Sutermans), Michael
Coxcie, Franz Floris (de Vriendt) geschafsen
haben, ist für uns jetzt wenig erbaulich.
Mochte der letztere Meister von seiner Zeit
den Ehrentitel des flandrischen Rafael erhal-
ten, wir erkennen in seinen und seiner Zeit-
genossen Arbeiten wohl die Manier der römi-
schen Schule, verbunden mit einem Streben
nach Grazie und Eleganz, aber zugleich den
Verlust der grossen malerischen Eigenschaften
der früheren einheimischen Schule, durch
welche dieselbe sogar auf Italien einen mäch-
tigen Einfluss geübt hatte.
Inzwischen entwickelte sich gerade durch
nordische Meister, durch die Elzheimer, Brih
Brueghel als besonderer Zweig der Malerei
die Landschaft, zuerst allerdings noch in dem
der germanischen Sinnesweise eigenen Streben
nach der bunten Vielheit und Mannichfaltig-
keit der Naturformen, wie sie in Darstellungen
des Paradieses, der vier Jahres- und Tages-
zeiten , der vier Elemente u. dergl. damals
beliebt waren. Auch Rubens' erster Lehrer
hat solche Werke im Sinne seiner Zeit gemalt»
und jedenfalls konnte sein Schüler die tech-
nischen Grundlagen recht wohl bei ihm sich
aneignen. Von dort kam er in die Schule
zu Adam van Noort, einem Künstler von
derber Handfertigkeit, der in der itahenisiren-
den Strömung seiner Zeit sich die kräftige
heimische Sinnesweise und ein harmoniiches
Kolorit bewahrt hatte. Die vier Jahre, welche
der junge Rubens in dieser Werkstatt zu-
brachte, haben ihm ohne Zweifel eine tuen-
 
Annotationen