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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 6.1877-1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.5788#0013
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'9

Ordentliche Publikationen.

20

nach Tizian und Giorgione als der dritte
zugleich mit Paolo Veronese genannt wird,
so verdankt er diese Auszeichnung nicht
seinen grossen religiösen Gemälden, sondern
eben jenen blonden Frauenbildern, die der
Meister vielleicht in den Stunden der Musse
schuf. Ihm fehlte einerseits die dramatische
Kraft und die Würde Tizian's, andererseits
die souveräne Beherrschung der gesammten
Farbenscala, wie sie Giorgione zu eigen war.
Nur einmal gelang es ihm bei Behandlung
eines religiösen Stoffes die Würde und die
Grossartigkeit Tizian's zu erreichen, als er
für die Artilleristen Venedigs ihre Schutz-
patronin, die heilige Barbara, in Sta. Maria
Formosa malte. Hier ist königliche Majestät
mit echt jungfräulicher Anmuth zu einer so
innigen Harmonie verschmolzen, dass der
Maler in dieser seiner reissten Schöpfung dicht
an die Seite Tizian's rückt.
Obwohl der Künstler niemals, soweit es
lieh nachweisen lässt, einen Auftrag von
Seiten der Republik Venedig erhielt, icheint
er dennoch nie in Verlegenheit um Aufträge
gewesen zu sein. Die Zahl der von seiner
Hand erhaltenen Portraits verschwindet ge-
gen die Menge von Altarbildern, die theils
noch existiren, theils der Ueberlieferung nach
von ihm gemalt worden sind. So wissen
wir, dass er sür die edlen venezianischen
Häuser der Priuli und Cornaro arbeitete und
in ihren Palästen auch zeitweilig wohnte.
In der Kenntniss seiner weiteren Lebensum-
stände aber sind wir auf zwei Documente
beschränkt. Das eine ist sein Testament,
das andere ein Verzeichniss seines Nach-
lasfes. Es war am 28. Juli i528, als der
Maler, wie es in dem Documente heisst, bei
gesundem Geiste und Verstande, aber sehr
krank am Körper, in Gegenwart zweier
Zeugen seine letztwilligen Verfügungen traf.
Aus ihnen geht hervor, dass er unverheira-
tet oder doch kinderlos war, dass er sich
in günstigen Vermögensverhältnissen befand
und in Folge dessen reichliche Legate machen
konnte. Kirchen, Hospitäler und Corpora-
tionen wurden von ihm gut bedacht, wäh-
rend der Haupttheil seines Vermögens den
Kindern seines verstorbenen Bruders zufallen
sollte. Wenige Tage darauf starb er, in der
Fülle der Kraft, inmitten zahlreicher Ent-
würfe. Das lässt sich buchstäblich nach-
weisen. Denn wir besitzen — und das ist
das zweite Document — eine Aufnahme
feines Nachlass-Inventars, die das Datum des
8. August trägt. Darin werden nicht weniger
als 44 mehr oder minder fertige Bilder und
Skizzen namhaft gemacht, unter denen sich
auch sechs Frauenbildnisse befinden. Wenn
der Angabe Vasari's, dass Palma im Alter
von 48 Jahren gestorben, zu trauen ist, so

wäre demnach, wie oben angegeben, seine
Geburt um i48o festzusetzen. Vasari's An-
gabe wird übrigens dadurch unterstützt, dass
die frühesten Bilder des Künstlers,' wie mit
Sicherheit angenommen werden kann, um
i5oo entstanden sind.
Den reichsten Schatz von Palma'schen
Frauenbildern besitzt die k. k. Galerie im
Schloss Belvedere zu Wien. Sie flammen
alle aus der herrlichen Sammlung meist
venezianischer Bilder, welche der Erzherzog
Leopold Wilhelm während seiner Ver-
waltung der spanischen Niederlande (i646 —
i656) mit Hilfe David Teniers d. J. an-
legte; die Perle dieser und vielleicht aller
Frauenbildnisse Palma's, die sogenannte
«Violante», wird diesmal den Mitgliedern
der «Gesellschaft für vervielfältigende Kunst»
in einer trefflichen Nachbildung von J. B u r-
ger* geboten. Von dem Veilchen, das hinter
dem Saume des feingefälteten Hemdes her-
vorblickt, hat die holde Schönheit den poe-
tischen Namen erhalten, der im Uebrigen
zu dem stolzen, vornehmen Gesichtsausdrucke
wenig passt. Wer sie war, wie sie in Wirk-
lichkeit sich nannte, wissen wir nicht; nur
scheint uns unzweifelhaft, dass wir ein etwas
idealisirtes Portrait einer edlen Tochter der
adriatischen Königin vor uns haben. Es ilt
keines von jenen träumerischen, sinnlichen,
genussfrohen Geschöpfen, wie sie uns in dem
feurigen Trio des Dresdener Bildes oder in
den blauäugigen Mädchen der Berliner Galerie
aus des Meisters letzter Zeit entgegentreten.
Aus den edlen Zügen spricht ein reges geisti-
ges Leben, nicht jene «phlegmatische Com-
plexion», die sonst für die Frauenbildnisse
Palma's und wohl auch für den Künstler
selbst charakteristisch ist. Es ist ein Werk
aus seiner besten Zeit, als die Formen noch
nicht unter sseischiger Fülle, unter einem
«Ichwimmenden Duft» verschwanden, als er
jenen Schmelz, jene leuchtende Durchsichtig-
keit in der Behandlung des Fleisches erreicht
hatte, die seine eigentliche Domaine aus-
machte und in der ihm von seinen grösseren
Zeitgenossen weder Giorgione noch Tizian
gleichkamen. Adolf Rosenberg.

Album-Heft XII.
Kaiser Leopold I.
l'orträtstich von Louis Jacoby, nach
C h r i st o f Lauch.
Für die gediegene und prachtvoll aus-
gestattete Festschrift **, die Prof. v. LützoW
* Bezüglich des Stechers verweilen wir auf die
Notiz zu dem Stiche des Künstlers nach Miens isi.
den «Mitth. d. G. f. v. K.» 1876. •
** Geschichte der kais. kön. Akademie der
bildenden Künste von Carl von Lützow. Wien
Carl Gerold's Sohn 1877.
 
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