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blättern könnte, oder der Einfall, über den Reihen von
Kunstblättern gute Placate anzubringen, die auch in
dieser Höhe wirken müssten, und anderes mehr. Im
ganzen wurde mehr über die Zeit und den Ort der Aus-
stellung gestritten, als über die Art der Ausführung. Auf
die Decoration der Räume, auf die Wahl der Rahmen
und ähnliches kamen nur ganz wenige zu sprechen.
Praktisch hatte also die Umfrage nicht viel Wert; und ich
glaube, dass auch hier die That viel mehr gilt, als alle
Worte. Dies hat uns wieder einmal die Ausstellung der
Secession bewiesen, von der wir wünschen, dass
sie auch den Franzosen genügend bekannt geworden
sein möge.
Das ganze Arrangement war wirklich mustergiltig.
Die Ausstattung der Säle hatten Josef Hosfmann, Adolf
Böhm, Koloman Moser und Josef M. Auchentaller be-
sorgt. Die Decoration war ebenso einfach als vornehm
und geschmackvoll: ein weisser, flanellartiger Stofs be-
deckte die Wände; darauf waren in zarten Farben und in
Gold oder Silber mit der Schablone hübsche, wenig auf-
dringliche Ornamente gedruckt, die meist friesartig am
oberen Rande der Wände hinliefen oder auch ihren
unteren Theil bedeckten. Auf diese Weise hatte man für
die feinen und empfindlichen Werke der vervielfältigenden
Kunst einen unvergleichlich vortheilhaften Grund ge-
schaffen, von dem sie sich aufs beste abhoben, ohne
sich gegenseitig in der Wirkung zu beeinträchtigen. Die
Rahmen waren zum grössten Theile in lichten Farben
gehalten; eine grosse Anzahl von geschmackvollen
Originalrahmen verhinderte aber die Gleichförmigkeit, die
den Beschauer gelangweilt und die individuelle Wirkung
der einzelnen Arbeiten gestört hätte. Die Säle waren
nicht überfüllt, nur einige schöne Marmorarbeiten, Bronzen
und Vasen auf Postamenten und ein paar gute moderne
Möbel bildeten ihren übrigen Schmuck. Nirgends wurde
der Betrachter durch auffällige Decoration von der
Besichtigung der graphischen Arbeiten abgelenkt. Diese
waren recht übersichtlich aufgehängt, die Werke der
einzelnen Künstler zur bequemen Betrachtung neben-
einander, nicht zu viel von jedem, und vor allem, was bei
jeder graphischen Ausstellung wohl die Hauptsache ist,
überhaupt nicht zu viel an den Wänden. So hatte man
hier wirklich die seltene Gelegenheit, eine grosse Menge
von Erzeugnissen der modernen vervielfältigenden Künste
unter den angenehmsten äusseren Bedingungen zu studiren.
Und dieses Studium war wirklich der Mühe wert.
Wenn auch die Auswahl der einzelnen Werke einen
mehr zufälligen Charakter hatte und damit keineswegs
die Absicht verbunden war, auch nur einen beiläufigen
Überblick über den gegenwärtigen Stand der graphischen
Künste zu geben, etwa wie es auf der Ausstellung unserer
Gesellschaft im Jahre 1895 versucht worden war, so war
doch eine solche Zahl von in- und ausländischen
Künstlern mit bedeutenden Arbeiten vertreten, dass man
viel Neues und auch das Alte oft in einem neuen Lichte
sehen konnte.
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Auf die Betheiligung der ausländischen Künstler
wurde von den Veranstaltern der Ausstellung grosser
Wert gelegt. Die Wiener Künstler wollten wieder einmal
an den Fortschritten des Auslandes ihre eigenen ermessen.
So wurde Josef Engelhart nach Paris entsendet, der dort
eine grosse Anzahl von vorzüglichen neueren französischen
Arbeiten zusammenbrachte, die denn auch wirklich den
wichtigsten Theil der Ausstellung ausmachten. Den Ehren-
platz nahmen, wie wir glauben, keineswegs mit Recht die
Studien von Roll und Dagnan-Bouveret ein; unter den
übrigen französischen Arbeiten waren manche, die diese
Huldigung besser verdient hätten. Roll scheint uns trotz
seines grossen Könnens nicht viel mehr als ein ver-
wässerter Naturalist zu sein; und Dagnan-Bouveret
haftet so viel Akademisches an, dass wir nicht begreifen
würden, wie die Secession dazu kommt, seine Werke
auszustellen, wenn wir nicht zufällig wüssten, dass er zum
Lager des Champ de Mars, der französischen Secession,
gehört. Gewiss könnten die Wiener Künstler technisch
auch von diesen beiden Malern Manches lernen; doch
gebricht es ihnen an wirklicher Eigenart und Bedeutung.
Was dagegen eine geniale Persönlichkeit aus einem so
bescheidenen Verfahren, wie es der Steindruck ist,
machen kann, das konnte man an den Lithographien
Eugene Carrieres erkennen. Da in Wien vorher noch
nie eine grössere Anzahl seiner Bildnisse ausgesteHt
worden war, machten sie eine ganz gewaltige Wirkung
und zogen immer und immer wieder die Beschauer an.
Dazu kommt noch, dass darunter einige ganz besonders
gute Abdrücke waren: Das Bildnis Verlaines und der
weibliche Kopf waren vom Künstler selbst gedruckt und
brachten daher dessen Absicht aufs beste zur Geltung.
Auch sonst war die Lithographie der Franzosen
und zugleich auch ihre Zeichenkunst durch Blätter von
Lunois, Steinlen, Forain, Willette, Hermann Paul und
Leandre gut vertreten. Charles Leandre war für Wien
keine neue Erscheinung; er hat sich uns diesmal durch
sein vortreffliches Placat »Pierot und Colombine« von
einer neuen Seite gezeigt. Unter den französischen
Radirern, mit denen das Wiener Publicum hier zum
erstenmale bekannt gemacht wurde, fielen am meisten
Chahine, Leheutre und Dupont auf. Edgar Chahine, ein
noch junger Künstler, handhabt den Trockenstift mit
unglaublicher Geschicklichkeit: seinen Blättern, in denen
er die bunten Gestalten des Pariser Strassenlebens
schildert, ist eine eigenthümlich nüchterne Poesie eigen.
Von gediegener Technik und feinem Geschmack zeugen
die landschaftlichen Radirungen Leheutres. Auch die
Arbeiten P. Duponts, eines jungen Künstlers, der auch
in Paris zu den neuesten Erscheinungen gehört, sind
aussergewöhnlich tüchtig, und es liegt eine gewisse
Grösse in ihnen; merkwürdig ist es freilich, dass die
hier ausgestellten Drucke gar nichts anderes vorstellen,
als immer und immer wieder Gespanne von Last-
oder Ackergäulen, was den Glauben erwecken könnte,
als wüsste der Künstler kein anderes darstellbares
blättern könnte, oder der Einfall, über den Reihen von
Kunstblättern gute Placate anzubringen, die auch in
dieser Höhe wirken müssten, und anderes mehr. Im
ganzen wurde mehr über die Zeit und den Ort der Aus-
stellung gestritten, als über die Art der Ausführung. Auf
die Decoration der Räume, auf die Wahl der Rahmen
und ähnliches kamen nur ganz wenige zu sprechen.
Praktisch hatte also die Umfrage nicht viel Wert; und ich
glaube, dass auch hier die That viel mehr gilt, als alle
Worte. Dies hat uns wieder einmal die Ausstellung der
Secession bewiesen, von der wir wünschen, dass
sie auch den Franzosen genügend bekannt geworden
sein möge.
Das ganze Arrangement war wirklich mustergiltig.
Die Ausstattung der Säle hatten Josef Hosfmann, Adolf
Böhm, Koloman Moser und Josef M. Auchentaller be-
sorgt. Die Decoration war ebenso einfach als vornehm
und geschmackvoll: ein weisser, flanellartiger Stofs be-
deckte die Wände; darauf waren in zarten Farben und in
Gold oder Silber mit der Schablone hübsche, wenig auf-
dringliche Ornamente gedruckt, die meist friesartig am
oberen Rande der Wände hinliefen oder auch ihren
unteren Theil bedeckten. Auf diese Weise hatte man für
die feinen und empfindlichen Werke der vervielfältigenden
Kunst einen unvergleichlich vortheilhaften Grund ge-
schaffen, von dem sie sich aufs beste abhoben, ohne
sich gegenseitig in der Wirkung zu beeinträchtigen. Die
Rahmen waren zum grössten Theile in lichten Farben
gehalten; eine grosse Anzahl von geschmackvollen
Originalrahmen verhinderte aber die Gleichförmigkeit, die
den Beschauer gelangweilt und die individuelle Wirkung
der einzelnen Arbeiten gestört hätte. Die Säle waren
nicht überfüllt, nur einige schöne Marmorarbeiten, Bronzen
und Vasen auf Postamenten und ein paar gute moderne
Möbel bildeten ihren übrigen Schmuck. Nirgends wurde
der Betrachter durch auffällige Decoration von der
Besichtigung der graphischen Arbeiten abgelenkt. Diese
waren recht übersichtlich aufgehängt, die Werke der
einzelnen Künstler zur bequemen Betrachtung neben-
einander, nicht zu viel von jedem, und vor allem, was bei
jeder graphischen Ausstellung wohl die Hauptsache ist,
überhaupt nicht zu viel an den Wänden. So hatte man
hier wirklich die seltene Gelegenheit, eine grosse Menge
von Erzeugnissen der modernen vervielfältigenden Künste
unter den angenehmsten äusseren Bedingungen zu studiren.
Und dieses Studium war wirklich der Mühe wert.
Wenn auch die Auswahl der einzelnen Werke einen
mehr zufälligen Charakter hatte und damit keineswegs
die Absicht verbunden war, auch nur einen beiläufigen
Überblick über den gegenwärtigen Stand der graphischen
Künste zu geben, etwa wie es auf der Ausstellung unserer
Gesellschaft im Jahre 1895 versucht worden war, so war
doch eine solche Zahl von in- und ausländischen
Künstlern mit bedeutenden Arbeiten vertreten, dass man
viel Neues und auch das Alte oft in einem neuen Lichte
sehen konnte.
0 —
Auf die Betheiligung der ausländischen Künstler
wurde von den Veranstaltern der Ausstellung grosser
Wert gelegt. Die Wiener Künstler wollten wieder einmal
an den Fortschritten des Auslandes ihre eigenen ermessen.
So wurde Josef Engelhart nach Paris entsendet, der dort
eine grosse Anzahl von vorzüglichen neueren französischen
Arbeiten zusammenbrachte, die denn auch wirklich den
wichtigsten Theil der Ausstellung ausmachten. Den Ehren-
platz nahmen, wie wir glauben, keineswegs mit Recht die
Studien von Roll und Dagnan-Bouveret ein; unter den
übrigen französischen Arbeiten waren manche, die diese
Huldigung besser verdient hätten. Roll scheint uns trotz
seines grossen Könnens nicht viel mehr als ein ver-
wässerter Naturalist zu sein; und Dagnan-Bouveret
haftet so viel Akademisches an, dass wir nicht begreifen
würden, wie die Secession dazu kommt, seine Werke
auszustellen, wenn wir nicht zufällig wüssten, dass er zum
Lager des Champ de Mars, der französischen Secession,
gehört. Gewiss könnten die Wiener Künstler technisch
auch von diesen beiden Malern Manches lernen; doch
gebricht es ihnen an wirklicher Eigenart und Bedeutung.
Was dagegen eine geniale Persönlichkeit aus einem so
bescheidenen Verfahren, wie es der Steindruck ist,
machen kann, das konnte man an den Lithographien
Eugene Carrieres erkennen. Da in Wien vorher noch
nie eine grössere Anzahl seiner Bildnisse ausgesteHt
worden war, machten sie eine ganz gewaltige Wirkung
und zogen immer und immer wieder die Beschauer an.
Dazu kommt noch, dass darunter einige ganz besonders
gute Abdrücke waren: Das Bildnis Verlaines und der
weibliche Kopf waren vom Künstler selbst gedruckt und
brachten daher dessen Absicht aufs beste zur Geltung.
Auch sonst war die Lithographie der Franzosen
und zugleich auch ihre Zeichenkunst durch Blätter von
Lunois, Steinlen, Forain, Willette, Hermann Paul und
Leandre gut vertreten. Charles Leandre war für Wien
keine neue Erscheinung; er hat sich uns diesmal durch
sein vortreffliches Placat »Pierot und Colombine« von
einer neuen Seite gezeigt. Unter den französischen
Radirern, mit denen das Wiener Publicum hier zum
erstenmale bekannt gemacht wurde, fielen am meisten
Chahine, Leheutre und Dupont auf. Edgar Chahine, ein
noch junger Künstler, handhabt den Trockenstift mit
unglaublicher Geschicklichkeit: seinen Blättern, in denen
er die bunten Gestalten des Pariser Strassenlebens
schildert, ist eine eigenthümlich nüchterne Poesie eigen.
Von gediegener Technik und feinem Geschmack zeugen
die landschaftlichen Radirungen Leheutres. Auch die
Arbeiten P. Duponts, eines jungen Künstlers, der auch
in Paris zu den neuesten Erscheinungen gehört, sind
aussergewöhnlich tüchtig, und es liegt eine gewisse
Grösse in ihnen; merkwürdig ist es freilich, dass die
hier ausgestellten Drucke gar nichts anderes vorstellen,
als immer und immer wieder Gespanne von Last-
oder Ackergäulen, was den Glauben erwecken könnte,
als wüsste der Künstler kein anderes darstellbares