Motiv aufzufinden. Wenig erfreulich waren die Radirungen
und Zeichnungen von Fernand Piet; der derbe poesielose
Naturalismus, der sich in ihnen zeigt, scheint uns heute
wohl abgethan. Ausserdem wird auch Piet auf diesem
Gebiete von dem in ähnlicher Richtung seit Jahren
thätigen George Jeanniot, der hier eine grosse Anzahl
von Arbeiten ausgestellt hatte, bei weitem übertrofsen.
Erfreulicherweise war der farbige Kunstdruck der
Franzosen vortrefslich vertreten. Bei der Neigung der
modernen Kunst, die Techniken aller und jeder Art, seien
sie alt oder neu, für sich zu erobern, ist es begreiflich,
dass gegenwärtig in Paris jene Bewegung zu Gunsten
dieses interessanten, aber schwierigen Kunstzweiges ent-
standen ist. Vor kurzem wurde dort unter dem Vorsitze
Rasfaellis eine »Societe de l'Estampe originale en couleurs«
gegründet, die im Laufe dieses Jahres ihre erste eigene
Ausstellung eröfsnen sollte. Die farbige Radirung war hier
in Wien durch Maurin, Ranft, Potter, Rasfaelli, Bejot
und Jourdain, die farbige Lithographie durch Riviere
und Lunois, der Farbenholzschnitt durch Riviere allein
vertreten. Gegen die Arbeiten Maurins, Potters und
Ranfts glauben wir einwenden zu müssen, dass, wie es
im Vorworte des Ausstellungskataloges sehr richtig heisst,
farbige Werke der Graphik, der Technik entsprechend,
nie den Charakter eines Bildes haben sollen. Insbesondere
widersprechen die vielgerühmten farbigen Radirungen
Graphische Ausstellung der Wiener Secession. Decoration von Auchentalle
Charles Maurins dem hier ausgesprochenen Grundsatze;
sie nähern sich ohne Zweifel dem Aquarell und gehen
auf naturalistische Bildwirkung aus. Dies liegt aber
keineswegs im Wesen dieser Technik, die unserer Ansicht
nach nur einfache Mittel verlangt. Denn, wenn Maurin,
wie man uns erzählt hat, einen vollen Tag zum Bemalen
der Platte und zum Drucke eines Abzuges braucht, was
wir gerne glauben, warum malt er dann lieber nicht gleich
ein Aquarell? Seine Blätter sind Kunststücke oder Curio-
sitäten, keine Kunstwerke, schon von dem Gesichtspunkte
der Radirtechnik aus allein betrachtet, wenn wir selbst
von ihrem geringen künstlerischen Gehalte ganz absehen
wollen. Wir glauben nicht inPrincipienreiterei zu verfallen,
wenn wir den jungen Wiener Künstlern, die sich etwa in
der farbigen Radirung versuchen wollten, den Rath geben,
sich nicht Maurin oder Potter zum Vorbilde zu nehmen,
sondern Rafsaelli, Bejot oder Jourdain. Raffaellis Arbeiten
auf diesem Gebiete sind von früheren Ausstellungen der
Secession her bekannt; auch die neuen Beispiele, die wir
hier sahen, hatten denselben Charakter und erscheinen
uns der feinen und discreten Anwendung der Farbe
wegen als wahrhaft mustergiltig. Neu für Wien waren
die beiden Blätter von E. Bejot. Ganz besonders hat uns
das eine gefallen, wo man aus einem Fenster über Töpfe
von rothen Geranien weg auf einen Theil von Paris blickt.
Es vereinigt gute decorative Wirkung mit einem eigen-
_ thümlichen poetischen Reiz, die Farbengebung ist
von grösster Feinheit, und das Ganze wird belebt
von einer Wärme der Empfindung, die Paris so
ansieht, wie wir selbst es kennen — trotz allen
Lärmes und Getümmels — als die gemüthlichste Stadt
der Welt. Neben dieser zarten auch auf die Einzel-
heiten eingehenden Kunst wirken die Arbeiten
Francis Jourdains fast derbe: mit Hilfe weniger,
stark geätzter Striche und zweier Farben (Schwarz
und Roth) vermag er den Eindruck einer Erscheinung
mit der grössten Sicherheit wiederzugeben. In seinen
beiden Blättern »Frau in altmodischer Tracht« und
»Der schwarze Hahn« geht er in der Vereinfachung
der Mittel von allen Künstlern, die hier ausgestellt
haben, am weitesten, noch weiter als der Engländer
Nicholson in seinen bekannten Farbenholzschnitten,
von denen einige Beispiele in sehr guten Drucken
zu sehen waren. Jourdains Kunst geht aber keines-
wegs auf das Witzige oder gar auf das Caricaturen-
hafte aus, dem sich manche Arbeiten Nicholsons
nähern, sie haben einen ganz merkwürdigen
prickelnden Reiz und sogar in ihrer Einfachheit
fast etwas Grossartiges.
Nicht umsonst haben wir so lange bei den
französischen Werken verweilt; sie bildeten, wie es
auch in der Absicht der Veranstalter lag, den
wichtigsten Theil, das Ereignis der Ausstellung.
Doch müssen wir zugeben, dass Deutschland nicht
viel weniger gut vertreten war: fast alle Namen von
Menzel an bis Walter Leistikow und Heinrich Otto
und Zeichnungen von Fernand Piet; der derbe poesielose
Naturalismus, der sich in ihnen zeigt, scheint uns heute
wohl abgethan. Ausserdem wird auch Piet auf diesem
Gebiete von dem in ähnlicher Richtung seit Jahren
thätigen George Jeanniot, der hier eine grosse Anzahl
von Arbeiten ausgestellt hatte, bei weitem übertrofsen.
Erfreulicherweise war der farbige Kunstdruck der
Franzosen vortrefslich vertreten. Bei der Neigung der
modernen Kunst, die Techniken aller und jeder Art, seien
sie alt oder neu, für sich zu erobern, ist es begreiflich,
dass gegenwärtig in Paris jene Bewegung zu Gunsten
dieses interessanten, aber schwierigen Kunstzweiges ent-
standen ist. Vor kurzem wurde dort unter dem Vorsitze
Rasfaellis eine »Societe de l'Estampe originale en couleurs«
gegründet, die im Laufe dieses Jahres ihre erste eigene
Ausstellung eröfsnen sollte. Die farbige Radirung war hier
in Wien durch Maurin, Ranft, Potter, Rasfaelli, Bejot
und Jourdain, die farbige Lithographie durch Riviere
und Lunois, der Farbenholzschnitt durch Riviere allein
vertreten. Gegen die Arbeiten Maurins, Potters und
Ranfts glauben wir einwenden zu müssen, dass, wie es
im Vorworte des Ausstellungskataloges sehr richtig heisst,
farbige Werke der Graphik, der Technik entsprechend,
nie den Charakter eines Bildes haben sollen. Insbesondere
widersprechen die vielgerühmten farbigen Radirungen
Graphische Ausstellung der Wiener Secession. Decoration von Auchentalle
Charles Maurins dem hier ausgesprochenen Grundsatze;
sie nähern sich ohne Zweifel dem Aquarell und gehen
auf naturalistische Bildwirkung aus. Dies liegt aber
keineswegs im Wesen dieser Technik, die unserer Ansicht
nach nur einfache Mittel verlangt. Denn, wenn Maurin,
wie man uns erzählt hat, einen vollen Tag zum Bemalen
der Platte und zum Drucke eines Abzuges braucht, was
wir gerne glauben, warum malt er dann lieber nicht gleich
ein Aquarell? Seine Blätter sind Kunststücke oder Curio-
sitäten, keine Kunstwerke, schon von dem Gesichtspunkte
der Radirtechnik aus allein betrachtet, wenn wir selbst
von ihrem geringen künstlerischen Gehalte ganz absehen
wollen. Wir glauben nicht inPrincipienreiterei zu verfallen,
wenn wir den jungen Wiener Künstlern, die sich etwa in
der farbigen Radirung versuchen wollten, den Rath geben,
sich nicht Maurin oder Potter zum Vorbilde zu nehmen,
sondern Rafsaelli, Bejot oder Jourdain. Raffaellis Arbeiten
auf diesem Gebiete sind von früheren Ausstellungen der
Secession her bekannt; auch die neuen Beispiele, die wir
hier sahen, hatten denselben Charakter und erscheinen
uns der feinen und discreten Anwendung der Farbe
wegen als wahrhaft mustergiltig. Neu für Wien waren
die beiden Blätter von E. Bejot. Ganz besonders hat uns
das eine gefallen, wo man aus einem Fenster über Töpfe
von rothen Geranien weg auf einen Theil von Paris blickt.
Es vereinigt gute decorative Wirkung mit einem eigen-
_ thümlichen poetischen Reiz, die Farbengebung ist
von grösster Feinheit, und das Ganze wird belebt
von einer Wärme der Empfindung, die Paris so
ansieht, wie wir selbst es kennen — trotz allen
Lärmes und Getümmels — als die gemüthlichste Stadt
der Welt. Neben dieser zarten auch auf die Einzel-
heiten eingehenden Kunst wirken die Arbeiten
Francis Jourdains fast derbe: mit Hilfe weniger,
stark geätzter Striche und zweier Farben (Schwarz
und Roth) vermag er den Eindruck einer Erscheinung
mit der grössten Sicherheit wiederzugeben. In seinen
beiden Blättern »Frau in altmodischer Tracht« und
»Der schwarze Hahn« geht er in der Vereinfachung
der Mittel von allen Künstlern, die hier ausgestellt
haben, am weitesten, noch weiter als der Engländer
Nicholson in seinen bekannten Farbenholzschnitten,
von denen einige Beispiele in sehr guten Drucken
zu sehen waren. Jourdains Kunst geht aber keines-
wegs auf das Witzige oder gar auf das Caricaturen-
hafte aus, dem sich manche Arbeiten Nicholsons
nähern, sie haben einen ganz merkwürdigen
prickelnden Reiz und sogar in ihrer Einfachheit
fast etwas Grossartiges.
Nicht umsonst haben wir so lange bei den
französischen Werken verweilt; sie bildeten, wie es
auch in der Absicht der Veranstalter lag, den
wichtigsten Theil, das Ereignis der Ausstellung.
Doch müssen wir zugeben, dass Deutschland nicht
viel weniger gut vertreten war: fast alle Namen von
Menzel an bis Walter Leistikow und Heinrich Otto