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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.4244#0036
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—• 33 —

unschätzbarem Preis«, Federzeichnung, 500 fl. »Color
d'amore e di pietä sembiante«, in schwarzer und rother
Kreide von D. G. Rossetti ausgeführt, 4500 fl. »St. Georg«,
von demselben Künstler, 4800 fl. Miss Frances Woodley,
später Mrs. Banks, nach Romney, Kupferstich von J."Walker,
erster Plattenzustand, 4100 fl. Das »Liber Studiorum«
Turners, 1600 fl. Frank Shorts neun Mezzotintoblätter,
welche das »LiberStudiorum« vervollständigen, erzielten
300 fl.
Kein Werk Turners schätzte bekanntlich Ruskin so
hoch wie das »Liber Studiorum«. Überhaupt aber können
beide nicht ohne einander gedacht werden. Da Ruskin als
der bedeutendste Ästhetiker und Kritiker Englands gilt, und
er, ganz abgesehen von seinen graphischen Leistungen,
eine der merkwürdigsten Erscheinungen bildet, die sich
innerhalb der Regierungsperiode der Königin Victoria, weit
über das allgemeine Niveau erhebt, so dürften einige
Bemerkungen über diesen grossen Todten am Platz sein.
Ganz England, ohne Unterschied der Parteien oder
sonstiger trennender Verhältnisse, betrauert einmüthig
und aufrichtig den am 20. Januar dieses Jahres auf seiner
Besitzung Brantwood bei Coniston erfolgten Tod John
Ruskins. Er war am 8. Februar 1819 geboren und studirte
1839 eifrig in Oxford, woselbst er den Ehrenpreis für das
Gedicht »Salsette und Elephanta« erhielt, sowie den
Grad als Baccalaureus der Kunst erwarb. Vor allem die
Natur, dann aber Homer, Walter Scott, Byron und Keats
sind die Pole, um die sich seine Jugend bewegt. Seine
erste literarische Arbeit von Bedeutung bestand in einer
Flugschrift zur Vertheidigung des heute so berühmt
gewordenen Landschafters Turner und der modernen
englischen Landschaftsmalerei im allgemeinen, eine
Studie, welche er 1843 in erweiterter Gestalt unter dem
Titel »Modem Painters« herausgab. Die Wirkung dieses
Werkes auf die englische Kunst, besonders aber auf die
Kunstkritik, machte sich sofort bemerkbar. Bisher war
wirkliche Kunstkritik so gut wie unbekannt gewesen, es
sei denn, dass man episodische Essais von Reynolds
und Hazlitt aus der früheren Generation als solche gelten
lassen will. Durch eine Art von Zufall zum Kunstkritiker
geworden, übte er dieses Amt dann im Laufe der Zeit in
merkwürdigster Vereinigung von Dichter, Romancier und
Historiker, sowie als Prediger der Lebensweisheit aus.
Um Material zur Fortsetzung" seiner »Modern
Painters« zu sammeln, ging er nach Italien. Hier entstehen
eine Fülle von Einzelblättern, Federzeichnungen und aus-
geführten Tuschzeichnungen. Sein Vorbild ist und bleibt
Turner. Die Illustrationen dieses Meisters zu Rogers
■Italy«, bildeten das früheste Lehr- und Vorlagebuch
Ruskins. In Italien entsteht das Werk »Seven Lamps
of Architecture« (1849—1851), sowie »Examples of
Architecture« (1851), beides Arbeiten, welche vor Allem
die modernen Architekten bewegen sollten, auch für
den Entwurf von Privatbauten einen höheren Stand-
punkt einzunehmen. Gleichwie die letzten Theile der
•■Modern Painters«, wurden diese Werke von ihm selbst

illustrirt, ein Umstand, der die heftigste Kritik seiner
Gegner hervorrief. Schliesslich aber siegte Ruskin, weil
man fühlte, dass er in seine Doctrinen sein Herzblut und
eine enthusiastische Leidenschaft für die Kunst hinein-
gemischt hatte.
Seit 1851 trat er mit Briefen an die »Times« über
das Thema »Praeraphaelitismus« an die Öfsentlichkeit, die
wie bekannt von nachhaltigem Einflüsse auf das jüngere
Malergeschlecht blieben und einer Reihe der bedeutendsten
Maler Englands die Richtung gaben. 1854 erschien
»Lectures on Architecture and Painting«, und 1854— 1855
»Giotto and his work in Padua« letztere Arbeit im Auf-
trage der »Arundel Society«. Interessant ist es hier zu
beobachten, wie der Meister seinen Schülern einprägt, nur
die positive und wirkliche Natur zu sehen, wie er aber
selbst in jeder Wolke eine Idee erblickt.
Die Titel seiner Bücher, die hier unmöglich auf-
gezählt werden können, da sie eine kleine Bibliothek
bilden, lauten mitunter ganz wunderlich. Von späteren
Arbeiten darf jedoch nicht übergangen werden »Ariadne
Florentina«, welche über Holzschnitt und Kupferstich
handelt; ferner »Val dArno«, Vorlesungen über die Kunst
Pisas und Florenz' im dreizehnten Jahrhundert, »The
Laws of Fiesole«, enthaltend eine Abhandlung über die
elementaren Grundsätze des Zeichnens und Malens im
alten Toscana, sowie eine Reihe von Schriften über ver-
schiedene Museen und ihre Kataloge. Im Jahre 1885
begann die Veröfsentlichung von Ruskins Autobiographie.
Er fragte niemals danach, ob seine Ansicht für
richtig befunden wurde; zur Registrirung gelangte sie
unbedingt, denn man hörte ihn stets mit Interesse. Seit
40 Jahren war die englische Nation gewohnt, von ihm ge-
warnt und auch getadelt zu werden. Alles in allem war
Ruskins Stellung in England ohne jede Parallele.
Der Dahingeschiedene besass den grossen Vorzug,
niemals persönlich verletzend zu werden, denn er kannte
nur den sachlichen Streit. Sein nach Hooker und George
Herbert modellirter Stil war tadellos. Zwischen jeder Linie
suchte man den Verfasser. Was immer der Gegenstand
eines Buches sein mochte, er blieb von geringerem
Interesse für den Leser als die bedeutende Persönlichkeit
des Autors selbst. In jedem neuen Bande erkannte man
nur eine Abschlagszahlung auf die weitere Enthüllung
seines eigenen Ichs. Bis in seine Siebziger-Jahre hat Ruskin
selbst die Zeichnungen für seine Werke angefertigt und
dabei häufig an das »Liber Studiorum« angeknüpft, aber
niemals figürliche Compositionen geschaffen. Landschaft
und Architektur bleiben seine Hauptschöpfungen.
In England sind bereits zwei Bibliographien, die
von Wise und Smart über die Ruskin-Literatur entstanden.
Seine vorzüglichsten Biographen sind: Cook, Spielmann,
Hobson, Mather, Waldstein und Collingwood. Robert de
la Sizerannes Buch über ihn betitelt sich: »Ruskin et la
religion de la beaute.«
Die Natur hatte Ruskin mit dem Eifer eines Asketen,
der Arbeitskraft eines unermüdlichen professionellen
 
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