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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.4244#0038
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zu schafsen vermögen. Das heisst mit anderen Worten, der Jungbrunnen
soll archaistische Kunst bieten. Archaistische Kunst wäre aber ein
ziemlich zuverlässiges Merkmal der »Greisenhastigkeit des fin de siecle«»
und gerade gegen diese soll doch, wie wenige Zeilen vorher zu lesen
steht, das Unternehmen ein »Quell der Verjüngung« werden. Sonder-
bar berührt es auch, wenn vom Realismus gesagt wird, nicht deutsche
Männer hätten ihn in unser Vaterland verpflanzt, und niemals hätte er
im deutschen Volke tiefe Wurzel geschlagen. Da nur Realismus,
Classicismus und Romantik unterschieden werden, so müsste man
Menzel natürlich der ersten Kategorie beizählen. Seiner Kunst aber
kann doch wohl niemand im Ernste den Vorwurf machen, undeutsch
und unpopulär zu sein. In gleicher Weise ärgerlich ist es, wenn vom
Wiedererwachen der deutschen Romantik die Rede ist, und dabei wohl
der Märchen-Opern und -Dramen, welche den grÖssten Ersolg erzielen,
gedacht, aus BÖcklin aber ganz vergessen wird, der doch die deutsche
Romantik gar nicht zum Einschlasen kommen Hess. Oder ist auch er
undeutsch, weil er mit Vorliebe Kentauren und Tritonen malt? Auf
ähnliche Weise hat man ja auch Goethe, den deutschesten aller
deutschen Dichter aus der deutschen Literatur hinausescamotiren wollen.
So schlecht aber — die mitgetheilten Proben haben es wohl
erkennen lassen — die Einsührung ist, so erfreulich wirken die Bändchen
selbst. Sie sagen selber auch am besten und zwar auf schlichte und
klare Weise, was sie eigentlich bezwecken: gute deutsche Literatur
volkstümlicher und romantischer Art in neuer, billiger, von achtbaren
Künstlern reich illustrirter Ausgabe zu bieten.
Unter den drei Illustratoren der ersten vier Bändchen erscheint
Franz Stassen, von dem der Bilderschmuck zum Bärenhäuter, zu den sieben
Schwaben und den 25 Volksliedern herrührt, als das beachtenswerteste
Talent. Er hat Geschmack, eine glückliche Charakterisirungsgabe und
Humor. Die decorativen Umrahmungen sind spielend leicht erfunden
und verrathen die Freude an der Arbeit. Die Landschasten, welche sich
wie gewisse Blätter Thomas aus das Wesentliche beschränken, stimmen
besonders gut zum Tone der Volkslieder: sie heimeln an. Einige Frauen-
gestalten sind von nicht gewohnlicher Grazie. Auf manchen Bildern
sällt die geradezu slimmernde Lebendigkeit des Wechsels von Licht und
Schatten auf (vergl. zum Beispiel: Das Wunderhorn und Das Todaus-
treiben). Als besonders gelungen seien die Bilder, wie der Teusel den
Bärenhäuter srisirt, und wie die sieben Schwaben ihr vermeintlich letztes
Mittagsmahl zu sich nehmen, serner die Illustrationen zu den Liedern:
Einsiedler, Der Palmbaum, Zueignung, Die Schwalben und Der Brunnen
bezeichnet. — Von ganz anderer Art sind Georg Barlösius' Illustrationen
zum Hans-Sachs-Bändchen. Dieser Künstler zeichnet wirklich »im Geiste
und Sinne seiner Vorsahren«. Seine Arbeiten zeugen von eindringlichem
Studium der deutschen Holzschnitte vom Beginn des 16. Jahrhunderts.
Auch hat er sich wohl die Werke moderner Archaisten, zum Beispiel
Joses Sattlers genau angesehen. Trotzdem wirken seine Bilder nicht
unangenehm, denn er ist den alten Meistern wesensverwandt und ver-
lugt über ein nicht geringes Können. — Bernhard Wenig, der die
Königskinder illustrirte, strebt allem Anscheine nach der zum Beispiel
von Vallotton so meisterhast beherrschten Schwarz-Weiss-Technik zu,
welche aus die Striche verzichtet und nur mit übergangslosen, ge-
schlossenen schwarzen und weissen Flecken wirkt. Machen einige seiner
Bilder einen etwas nüchternen, schwersälligen Eindruck, so verrathen
dasür wieder andere ein gerade durch die Kargheit seiner Ausdrucks-
mittel sj'mpathisch berührendes persönliches Empsinden.
Alles in allem strasen die vier Büchlein ihren Gesammttitel nicht
Lügen, und es ist nur zu wünschen, dass sich die solgenden Bändchen
auf der gleichen Höhe erhalten.
A. W.
Ideen von Olbrich. Wien, Gerlach und Schenk.
Aus den Inhalt des vorliegenden Werkes einzugehen, würde
über den Rahmen unserer Zeitschrist hinausgreisen, es soll daher
hier nur von der vornehmen Einsachheit, welche die äussere Aus-
stattung auszeichnet, gesprochen werden. Im Format und äusseren
Anscheine bescheiden, steht doch die Form der Publication ganz im

Einklänge mit dem beachtenswerten Inhalt. Sowohl die Zink-
ätzungen, als auch die Lithographien sind mit der bekannten
Sorgsalt, mit welcher Gerlach und Schenk ihre Verlags werke aus-
zustatten pflegen, fertiggestellt. Die Mappensorm ist erweitert durch
eine übergreisende Klappe, die den doppelten Zweck erfüllt, den Rand
des aufgeschlagenen Blattes vor der dire£ten Berührung mit dem
Finger zu schützen und beim Zuklappen der Mappe als Lesezeichen
zu dienen, ganz in ähnlicher Weise, wie der Orientale seit jeher seine
vielgelesenen kostbaren Handschristen zu binden gewohnt ist. Am
wenigsten will uns die Ausführung der farbigen Blätter gesallen.
Besonders wohlthuend dagegen wirkt das gänzliche Fehlen von Typen-
druck auf den einzelnen Blättern. Olbrich schreibt nämlich alle Über-
schriften, Erläuterungen u. s. w. selbst mit seiner charakteristischen und
vorzüglich vertheilten künstlerischen Handschrist, indem er das Schrist-
seld gleichzeitig interessant in den Raum stellt. Dadurch werden hier die
sonst meist störenden Titel u. s. w. zum Blattschmuck und fördern die
Einheitlichkeit des Blatt-Bildes. Bios die »Einsührung« von Hevesi ist
Typendruck, alles sonstige an Schrist rührt von Olbrichs Hand
her, ist also künstlerische Schrist.
v. L.
Hokusai by C. J. Holmes: number one of the
Artist's Library edited by Laurence Binyon. Lon-
don, Unicorn Press 1899.
Ein volkstümliches, mit bezeichnenden Abbildungen ver-
sehenes Werkchen über den grössten und vielseitigsten unter den
japanischen Künstlern, wird sicherlich neben dem ausführlichen Buche
Edmond de Goncourts seine Leser finden. Der Versasser hat seine
Aufgabe mit Geschick, Feinsinn und Geschmack gelöst und gibt auf
wenigen Seiten alles das, was der moderne Künstler über Hokusai zu
wissen verlangen kann. Die Einleitung handelt von den Vorbedingungen
und Vorläusern von Hokusais Kunst, die folgenden Abschnitte von
seinem äussern Leben, von seinen Zeichnungen und Holzschnitten, von
seiner Schilderung des Lebens und von seiner Kunst als Landschasts-
maler. Das Schlusskapitel fasst die Eigentümlichkeiten von Hokusais
Zeichenkunst noch einmal zusammen; es gehört jedenfalls zu dem
Besten, was über diesen Gegenstand geschrieben worden ist. Ohne in
eintönige Lobpreisungen zu verfallen, weist Holmes auf die wesentlichen
Vorzüge dieser Kunst hin und vergisst dabei nicht die Mängel, die
sreilich gegen jene gering erscheinen. Dem ganzen Buche merkt man an,
dass es ein Mann vom Fach geschrieben hat. Auch die Art, wie er die
wenigen Abbildungen zur Erläuterung seiner Darstellung be*nützt, zeugt
von einem bewunderungswürdigen Lehrtalent, das wenigstens bei uns
nicht gerade häufig zu finden ist.
G. G.
Histoire de la Lithographie par Jules de
Marthold. (Petite Bibliotheque de vulgarisation artistique
publiee sous la diresilion de M. Edmond Benoit-Levy).
Paris, L. Henry May. Klein-Octav.
Unter diesem Titel liegt uns ein hübsches Büchlein vor, dass
einen Fachmann, den Präsidenten der Societe des Arlistes lithographes
srancais, Jules de Marthold, zum Versasser hat. Es ist ein kurzer Abriss
der Geschichte der Lithographie von ihrer Erfindung an bis aus die
neueste Zeit, mit besonderer Berücksichtigung Frankreichs. Wir erfahren
daraus nicht viel Neues, aber das Bekannte ist lebendig und klar
dargestellt. Auch die Technik des Steindruckes wird eingehend
behandelt, und sogar einige Recepte Senefelders haben Aufnahme
gefunden. Die Abbildungen sind sehr gut ausgewählt und nehmen sich
trotz der bedeutenden Verkleinerung, die durch das Format nothwendig
wurde, gar nicht übel aus. Der erste Abschnitt, der eine kurze Geschichte
der übrigen vervielsältigenden Künste bis zur Erfindung der Lithographie
enthält, wäre wohl besser weggeblieben. Es braucht nicht jede
»Geschichte« mit den alten Griechen und Römern anzufangen.
G. G.
 
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