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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.4247#0029
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einzelnen Bilde zu sragen, welche Beweise für dessen Zuschrcibung an
Jan van Eyck vorhanden seien. Er geht aus von einer Gruppe von
Bildern, die dem Meister aus Grund unverdächtiger Inschristen mit
völliger Sicherheit zugeschriehen werden können. Die eingehende
Beschreibung und Zergliederung dieser Bilder gibt dem Verfasser Anlass
zu manchen feinen Beobachtungen, die uns das Wesen von Jan van
Eycks Kunst von mancher neuen Seite ansehen lassen. Vortrefslich ist
z. B. der Hinweis aus das Mittelalterliche, das Jans Kunst noch anhaftet
und das meist bei der Betrachtung seiner Werke über der Betonung des
Neuen, das sie bringen, vernachlässigt zu werden pslegt. Unter den Vor-
stusen von Jan van Eycks Arbeiten hätte aber neben der burgundischen
Plastik wohl auch die Miniaturmalerei eine Erwähnung verdient. Über
die schwierige Frage des Genter Altars, den Voll in historischer und
philologischer Hinsicht aus Grund einiger neuer Urkunden in einem der
letzten Heste des Repertoriums für Kunstwissenschast eigens behandelt
hat, bringt er hier nicht viel Neues vor: wie die Mehrzahl der heutigen
Gelehrten kommt er zu dem Schlüsse, »dass Jan die Hauptarbeit
geleistet hat und dass selbst in den Fällen, wo Hubert einzelne Tafeln
angelegt hat, Jan nachträglich Alles überging.« Da eine sichere
Scheidung der Hände wirklich ein Ding der Unmöglichkeit zu sein
scheint, müssen wir uns wohl mit diesem Ergebnisse begnügen. Das
Wichtigste aber an dem ganzen Buche ist der Abschnitt über die unbe-
zeichneten, echten Bilder und besonders der kritische Anhang über die
Jan van Eyck sälschlich zugeschriebenen Werke. Man muss dem
Verfasser zugestehen, dass er an diese Fragen mit ehrlich unbesangenem
Blicke herantritt und dass er nicht an der herkömmlichen Überlieferung
hängt, die sich auf jedem einzelnen Gebiete der Kunstsorschung von
einem Forscher zum andern sortspinnt und dadurch die Wahrheit
verschleiern hilft. Wenn wir Voll auch nicht in allen seinen Ansichten
beipslichten können, so haben doch seine Zweifel den unschätzbaren
Wert, dass sie uns aus manches aufmerksam machen, was vorher
unseren Augen entgangen war.
Einige von diesen Zweifeln scheinen mir aber völlig berechtigt
zu sein. Der berühmte »Mann mit der Nelke«, den wir seit Jahrzehnten
gewohnt sind, als eines der bezeichnendsten Werke des Meisters anzu-
sehen, ist, wie Voll zuerst gesehen hat, von allen bezeichneten Werken
Jan van Eycks so erheblich verschieden, dass wir ihn ohne Bedenken
aus der Zahl seiner Arbeiten streichen und in eine spätere Zeit versetzen
dürfen. Fälschlich dem Meister zugeschrieben sind auch meiner Ansicht
nach folgende Bilder: die neue Kreuzigung der Berliner Gemäldegallerie,
der Profilkops des segnenden Christus ebenda, das männliche Bildnis
im Leipziger Museum, das bei Oppenheim in Köln und das erst vor
einigen Jahren vom Berliner Museum erworbene (523 C). Weniger
begründet scheinen mir die Zweisel an den beiden Flügeln in
Petersburg, die Justi dem Meister zugeschrieben hat, und an dem
männlichen Bildnis zu Hermannstadt, das Frimmel dort entdeckt
hat. Unzweifelhaft echt sind trotz Volls Einwänden die beiden ganz
unverdächtig bezeichneten Werke: der Mann mit dem Turban in der
National-Gallerie zu London und das Bildnis Jan de Leeuws in der
Wiener Galerie; ferner die Flügel des kleinen Dresdener Altars und
vielleicht auch die Madonna von Ince Hall; unter den Hand-
zeichnungen die Studie zum Cardinal della Croce im Dresdener
Kupserstichcabinet und das Bildnis eines älteren Mannes im Louvre.
Endlich möchte ich bei einer Gruppe von Bildern, von denen mehrere
Wiederholungen vorhanden sind, die Frage etwas anders stellen, als
Voll. Es handelt sich dabei zunächst nicht um die Eigenhändigkeit,
sondern darum, ob diesen einzelnen Darstellungen originale Composi-
tionen von der Hand Jan van Eycks zugrunde liegen oder nicht. Erst
eine zweite Frage ist es, ob unter den vorhandenen Wiederholungen
tein Original Jans zu finden ist. Die letzte Frage bejaht Voll nur in
zwei Fällen: bei der Madonna mit dem Karthäuser bei Rothschild in
Paris, wovon theilweise Wiederholungen eine von der Hand des Petrus
Christus im Berliner Museum und eine schlechte bei Schollaert in Löwen
sind, und bei der sogenannten Kirchenmadonna in Berlin, wovon viele
Copien, sowohl Ölgemälde als Handzeichnungen, vorkommen. Diese

Lösung schein: mir sehr wahrscheinlich. Doch wird man auch bei
andern Bildern Originale von der Hand Jan van Eycks voraussetzen
müssen. So bei dem Brunnen des Lebens in Madrid: das Exemplar des
Prado mag sreilich, wie Kämmerer vermuthet, von Petrus Christus
herrühren; da wir aber die verschollenen, angeblich besseren
Exemplare nicht kennen, so können wir nicht mit Bestimmtheit sagen,
ob nicht eines darunter wirklich von Jan van Eycks Hand ist. Von dem
»Rex regum« lässt sich wenigsten mit gutem Recht behaupten, dass die
vorhandenen Exemplare, wovon zwei mit gesälschten Inschristen in
Berlin und Brügge, zwei andere in der Münchener Pinakothek und in
englischem Privatbesitze sind, nicht von Jan selbst herrühren. Und doch
scheint mir aucn hier ein Original des Meisters zugrunde zu liegen.
Dasselbe ist auch wohl möglich bei dem heiligen Franciscus (Wieder-
holungen in Turin, in Madrid und bei Lord Heytsbury) und bei den
heiligen Frauen am Grabe Christi bei Francis Cook in Richmond, einer
Darstellung, von der Crowe und Cavalcaselle noch ein anderes Exemplar
gekannt haben. Wenn wir nicht irren, so weist bei allen diesen
Compositionen neben gewissen Eigentümlichkeiten des Stils, die
unverkennbar sind, schon die grössere Anzahl von Copien oder Wieder-
holungen auf Originale von der Hand Jan van Eycks hin.
Obwohl wir uns nicht mit allen Ergebnissen von Volls
Arbeit einverstanden erklären konnten, so müssen wir doch anerkennen,
dass sie uns in diesen schwierigen Fragen um ein Stück weiter gebracht
hat. Ein wirklicher Fortschritt ist in der Wissenschast nur möglich* durch
Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Urtheils. Und gerade diese
Eigenschasten sind Karl Voll in hohem Grade eigen. Darum hoffen wir,
dass er uns aus diesem Felde noch manche Beiträge liefern wird, die
uns ohne Zweifel helsen werden, das Dunkel, das noch über der
Geschichte der altniederländischen Malerei liegt, zu erhellen.
Gustav G1Ü c k.
Die Kunstsammlung Friedrichs des Grossen
auf der Pariser Weltausstellung 1900. Be-
schreibendes Verzeichnis von Paul Seidel. Mit fünfund-
vierzigAbbildungen nach Zeichnungen und Radirungen von
Peter Halm. Berlin und Leipzig. Giesecke&Devrient. 1900.
Das vorliegende schmucke Büchlein ist einer jener Ausstellungs-
kataloge, die durch Text und Illustration einen bleibenden Wert
besitzen. Der Versasser, Dirigent der Kunstsammlungen in den Königlichen
(Preussischen) Schlössern, beschreibt darin den Theil von Friedrichs
Kunstbesitz, der in den Repräsentationsräumen des deutschen Hauses
auf der Pariser Weltausstellung zu sehen war. Vorausgeschickt ist dem
Verzeichnisse eine inhaltsreiche tresssiche Einleitung: Friedrich der
Grosse und die französische Kunst. Die Abbildungen von der Hand
P. Halms, des berusensten Interpreten der Rococokunst, sind nicht nur an
sich vorzüglich, sondern auch als einsach vornehmer Buchschmuck aufs
geschmackvollste in den Text vertheilt. Die reiche Illustrirung des
Katalogs wurde, wie das Vorwort sagt, dadurch ermöglicht, dass die
Abbildungen in dem von demselben Verfasser in demselben Verlage
erschienenen Prachtwerke: »Französische Kunstwerke des XVIII. Jahr-
hunderts im Besitze Seiner Majestät des deutschen Kaisers etc.« als
Vorlagen benützt werden konnten, wenn sie auch zum grossen Theile
verkleinert werden mussten.
Unter den Schöpfern der ausgestellten Werke sei sür dieFreunde
der österreichischen Künstlergeschichte der Bildhauer S. G. J. PsafT
(Baron von Pfasfenhoven) erwähnt, ein gebürtiger Wiener, der seine
Vaterstadt eines Duells wegen verlassen musste. Der Ort seiner künst-
lerischen Wirksamkeit war Abbeville. Ebendort erschien auch vor
kurzem eine Monographie über ihn, die aber dem Recensenten bisher
leider unzugänglich geblieben ist.
A. T.
 
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