von Witsen ausgestellt, Eindrücke aus Dordrecht,
so ausführlich ausgearbeitet, so wahr in der Wieder-
gabe der verschiedenen Sorten des Stoffes, aus dem
die Dinge gemacht sind: Steine, Wasser, Holz u. s.w.,
so geistvoll und oft pikant detaillirt, so durch und durch
alt-holländisch in einem Worte, dass man nicht müde
wird, diese trotz aller Ausführlichkeit wunderfrisch
gehaltenen Sachen anzuschauen.
Nur beiläufig kann ich erwähnen die famose
Sammlung von Caricaturen in schwarzer Kreide aus der
Pariser Weltausstellung, die der noch junge, aber viel-
versprechende Willy Sluyters im November in Pulchri-
Studio ausstellte; die Beiträge mehrerer Holländer zu der
oben besprochenen Ausstellung der Libre Esthetique,
Brüssel, und zwar die mit staunenswerter Lebendigkeit
ausgestatteten und mit unvergleichbarer Vermessenheit
auf das Papier geworfenen Zeichnungen von Isaak Israels
(Sonntag-Abend, Regenschauer u. s. w.); die Radirungen
von W. O. J. Nieuwenkamp; die prachtvolle Tete de
Femme und ausserordentlich feinempfundene meist kleine
Radirungen mit der kalten Nadel von Jan Toorop, alle von
ihm selbst gedruckt; die vortresflichen Lithographien
»Zierstudien« von Ch. van Hoytema; den ganzen Reich-
thum graphischer Arbeiten, Radirungen, Holzschnitte,
Lithographien, der im December im »Haagschen Kunst-
kring« ausgestellt war und wo u. a. Bauer, Dupont,
Witsen, Bosch, Jan Veth, Haverman, Nieuwenkamp,
Storm van 's Gravesande, Veldheer, van der Valk mit
Werken ersten Ranges vertreten waren; und endlich
die kleinere, während derselben Zeit geöffnete Aus-
stellung des Vereines Laecken-Halle im städtischen
Museum in Leiden, obgleich ich dort — non multa, sed
multum — bezaubernde Zeichnungen von Bauer (Aus
dem Orient) und von Wiggers (holländische Landschaften)
bewundert habe. Pol de Moni.
Besprechungen neuer Erscheinungen (Einzelblätter, Mappen und Bücher).
Die Pariser Placate der Palais Centennaux.
Die Generaiverwaltung der Pariser Weltausstellung hat 10 Placate
bestellt, die zum Schmuck der Palais Centennaux dienen sollten. Fünf
der hervorragendsten sranzösischen Künstler wurden dieselben über-
tragen und jeder hat zwei davon nach seiner ihm eigenen Weise
gezeichnet. Carriere bekam — oder verlangte — den Bergbau und
die »Metallurgie«, Cheret die Textilindustrie (Stickerei und Spitzen),
Grasset die Frauenkleidung, Leandre das Transportwesen und Willette
den Ackerbau.
Leandre ist ein Poet. Sein herrliches Placat der Cantomimes mit
dem Liebespaar Pierrot und Colombine in der Dachkammer beweist
es. Und reizend ist auch sein erstes Verkehrswesen-Placat. Ein junges
Biedermaierliebespaar auf der Hochzeitsreise in der Postkutsche. Sie
sind eingeschlasen und sitzen eines an das andere gelehnt. Das
Gesichtchen der jungen Frau ist mit demselben Zauber gezeichnet,
der auch die Colombine so entzückend macht. Im Hintergrund wie
eine Vision ein galoppirender Reiter. Man denkt unwillkürlich an jene
Stelle in Balzacs »Femme de trente ans«, wo die junge Marquise
d'Aiglemont aus ihrer Hochzeitsreise den jungen Engländer zum ersten-
mal erblickt. Den Contrast bildet das zweite Placat, das moderne
Eisenbahnwesen. Nacht, Sturm, eine heranbrausende Locomotive und
das Weib des Bahnwärters an der Weiche.
Cherets Stil ist zu bekannt, um ihn hier nochmals zu besprechen.
Zwei von der unzähligen Schar seiner leichten Tanzgrazien tändeln mit
Spitzenklöppeln und Spindel. Keckfleckig ist der Hintergrund gesetzt,
blau und roth, es knistert die schimmernde Seide um den schlanken
Leib, die Füsschen kennen keine Ruhe.
Grassets Glassenstersarben erfüllen seine beiden Placate, eine
sitzende und eine gehende Mondaine in decorativer Landschast.
Carrieres Placate sind ernst und gross. Schwarz ist der Grund,
aus dem ein grelles Weiss heraustaucht. Gewischt und gebürstet ist die
Zeichnung, ein Bergarbeiter hier und dort ein Hochofenarbeiter, der den
Strom des flüssigen weissglühenden Metalls aus der Kesselhölle leitet.
Man sühlt das Stampfen und Keuchen, man sieht die verzerrten
Gesichter. Und dabei die primitivste Einsachheit, aus den grossen Grund-
aecord concentrirt.
Lustig ist Willette und so sreudig in der Farbe. Sein Weinbau
ist amüsant. Aus dem Fasse, das den Segen birgt, steht die Republik
selbst im fussfreien Trikolorenröckchen, den Thyrsosstab und den
Champagnerkelch schwingend. Und um das Fass in seliger Trinker-
sreude Clerus und Armee, Regierung und Volk: ein Priester und ein
Soldat, ein Maire und ein Rekrut. Ernster und voll hübscher Symbolik
ist der Ackerbau. Am Flussuser ein gepslügter Acker. Durch die Schollen
schreitet säend ein junges schönes Weib. Ihr solgt ein Engel, die Giess-
kanne schwingend und über ihm der Regenbogen: der besruchtende
Regen.
Alle diese Blätter sind im richtigen Placatstil gehalten, ins Auge
sallend, klar und auch voller Kunst. Und doch ist jedes individuell, mit
ungehinderter Freiheit geschaffen, mit Freude auch geschafsen. Somit
ein vortreffliches Mittel der Erziehung zur Kunst,besonders für die breiten
Massen. Was mich wichtig dünkt, ist, dass eine Regierungsbehörde
derartige Kunstwerke als Strassenplacate bestellt und ihren Schöpfern
diese seltene Freiheit der Gestaltung gönnt. Ein untrügliches Zeichen
alter sicherer Cultur und ehrenvoll Tür Künstler und Volk. E. W. Braun.
Niederlande (Buchschmuck und Ansichts-
karten).
Mit Buch-Decoration beschästigten sich unsere Künstler im
vergangenen Jahre nur spärlich. Das Ländchen ist ja klein, dazu
zwei- und selbst dreisprachig: circa 4,000.000 Einwohner haben das
Niederländische, 3,000.000 den einen oder den anderen wallonischen
Dialekt und 50.000 bis 60.000 eine deutsche Mundart als Muttersprache.
Wenn man auch ziemlich viel liest, kaust man doch nur sehr wenig
Bücher und am liebsten billige. Viel Gelegenheit wird also unseren
Zeichnern von belgischen Verlegern nicht geboten, sich in dem
genannten Fache zu üben.
Glücklicherweise bekommen unsere besseren Jüngeren in der letzten
Zeit mehr und mehr Austräge aus den nördlichen Niederlanden und sogar
aus Deutschland. Edmond van Ofsel und Alsried van Neste lieserten
gediegene Illustrationen für Dichtungen und Erzählungen, die in den
beiden illustrirten Monatschristen Woord en Beeld nud Elsevier's
Maandschrist erschienen, und Karel Doudelet schmückte mit einem
Dutzend in jeder Hinsicht gelungener Zeichnungen eine Erzählung
von Eugene de Molder in der von Bierbaum, Heymel und Schroeder
redigirten Insel.
Cohens, van Mieghem und die drei vorher genannten Künstler
lieserten auch jeder 6 oder 12 Federzeichnungen, die von einer
Antwerpener Firma, de Vos en van der Groen, Jezusstraat 20—22,
unter dem Titel: Tuisko-Karten, mit deutschem und niederländischem
so ausführlich ausgearbeitet, so wahr in der Wieder-
gabe der verschiedenen Sorten des Stoffes, aus dem
die Dinge gemacht sind: Steine, Wasser, Holz u. s.w.,
so geistvoll und oft pikant detaillirt, so durch und durch
alt-holländisch in einem Worte, dass man nicht müde
wird, diese trotz aller Ausführlichkeit wunderfrisch
gehaltenen Sachen anzuschauen.
Nur beiläufig kann ich erwähnen die famose
Sammlung von Caricaturen in schwarzer Kreide aus der
Pariser Weltausstellung, die der noch junge, aber viel-
versprechende Willy Sluyters im November in Pulchri-
Studio ausstellte; die Beiträge mehrerer Holländer zu der
oben besprochenen Ausstellung der Libre Esthetique,
Brüssel, und zwar die mit staunenswerter Lebendigkeit
ausgestatteten und mit unvergleichbarer Vermessenheit
auf das Papier geworfenen Zeichnungen von Isaak Israels
(Sonntag-Abend, Regenschauer u. s. w.); die Radirungen
von W. O. J. Nieuwenkamp; die prachtvolle Tete de
Femme und ausserordentlich feinempfundene meist kleine
Radirungen mit der kalten Nadel von Jan Toorop, alle von
ihm selbst gedruckt; die vortresflichen Lithographien
»Zierstudien« von Ch. van Hoytema; den ganzen Reich-
thum graphischer Arbeiten, Radirungen, Holzschnitte,
Lithographien, der im December im »Haagschen Kunst-
kring« ausgestellt war und wo u. a. Bauer, Dupont,
Witsen, Bosch, Jan Veth, Haverman, Nieuwenkamp,
Storm van 's Gravesande, Veldheer, van der Valk mit
Werken ersten Ranges vertreten waren; und endlich
die kleinere, während derselben Zeit geöffnete Aus-
stellung des Vereines Laecken-Halle im städtischen
Museum in Leiden, obgleich ich dort — non multa, sed
multum — bezaubernde Zeichnungen von Bauer (Aus
dem Orient) und von Wiggers (holländische Landschaften)
bewundert habe. Pol de Moni.
Besprechungen neuer Erscheinungen (Einzelblätter, Mappen und Bücher).
Die Pariser Placate der Palais Centennaux.
Die Generaiverwaltung der Pariser Weltausstellung hat 10 Placate
bestellt, die zum Schmuck der Palais Centennaux dienen sollten. Fünf
der hervorragendsten sranzösischen Künstler wurden dieselben über-
tragen und jeder hat zwei davon nach seiner ihm eigenen Weise
gezeichnet. Carriere bekam — oder verlangte — den Bergbau und
die »Metallurgie«, Cheret die Textilindustrie (Stickerei und Spitzen),
Grasset die Frauenkleidung, Leandre das Transportwesen und Willette
den Ackerbau.
Leandre ist ein Poet. Sein herrliches Placat der Cantomimes mit
dem Liebespaar Pierrot und Colombine in der Dachkammer beweist
es. Und reizend ist auch sein erstes Verkehrswesen-Placat. Ein junges
Biedermaierliebespaar auf der Hochzeitsreise in der Postkutsche. Sie
sind eingeschlasen und sitzen eines an das andere gelehnt. Das
Gesichtchen der jungen Frau ist mit demselben Zauber gezeichnet,
der auch die Colombine so entzückend macht. Im Hintergrund wie
eine Vision ein galoppirender Reiter. Man denkt unwillkürlich an jene
Stelle in Balzacs »Femme de trente ans«, wo die junge Marquise
d'Aiglemont aus ihrer Hochzeitsreise den jungen Engländer zum ersten-
mal erblickt. Den Contrast bildet das zweite Placat, das moderne
Eisenbahnwesen. Nacht, Sturm, eine heranbrausende Locomotive und
das Weib des Bahnwärters an der Weiche.
Cherets Stil ist zu bekannt, um ihn hier nochmals zu besprechen.
Zwei von der unzähligen Schar seiner leichten Tanzgrazien tändeln mit
Spitzenklöppeln und Spindel. Keckfleckig ist der Hintergrund gesetzt,
blau und roth, es knistert die schimmernde Seide um den schlanken
Leib, die Füsschen kennen keine Ruhe.
Grassets Glassenstersarben erfüllen seine beiden Placate, eine
sitzende und eine gehende Mondaine in decorativer Landschast.
Carrieres Placate sind ernst und gross. Schwarz ist der Grund,
aus dem ein grelles Weiss heraustaucht. Gewischt und gebürstet ist die
Zeichnung, ein Bergarbeiter hier und dort ein Hochofenarbeiter, der den
Strom des flüssigen weissglühenden Metalls aus der Kesselhölle leitet.
Man sühlt das Stampfen und Keuchen, man sieht die verzerrten
Gesichter. Und dabei die primitivste Einsachheit, aus den grossen Grund-
aecord concentrirt.
Lustig ist Willette und so sreudig in der Farbe. Sein Weinbau
ist amüsant. Aus dem Fasse, das den Segen birgt, steht die Republik
selbst im fussfreien Trikolorenröckchen, den Thyrsosstab und den
Champagnerkelch schwingend. Und um das Fass in seliger Trinker-
sreude Clerus und Armee, Regierung und Volk: ein Priester und ein
Soldat, ein Maire und ein Rekrut. Ernster und voll hübscher Symbolik
ist der Ackerbau. Am Flussuser ein gepslügter Acker. Durch die Schollen
schreitet säend ein junges schönes Weib. Ihr solgt ein Engel, die Giess-
kanne schwingend und über ihm der Regenbogen: der besruchtende
Regen.
Alle diese Blätter sind im richtigen Placatstil gehalten, ins Auge
sallend, klar und auch voller Kunst. Und doch ist jedes individuell, mit
ungehinderter Freiheit geschaffen, mit Freude auch geschafsen. Somit
ein vortreffliches Mittel der Erziehung zur Kunst,besonders für die breiten
Massen. Was mich wichtig dünkt, ist, dass eine Regierungsbehörde
derartige Kunstwerke als Strassenplacate bestellt und ihren Schöpfern
diese seltene Freiheit der Gestaltung gönnt. Ein untrügliches Zeichen
alter sicherer Cultur und ehrenvoll Tür Künstler und Volk. E. W. Braun.
Niederlande (Buchschmuck und Ansichts-
karten).
Mit Buch-Decoration beschästigten sich unsere Künstler im
vergangenen Jahre nur spärlich. Das Ländchen ist ja klein, dazu
zwei- und selbst dreisprachig: circa 4,000.000 Einwohner haben das
Niederländische, 3,000.000 den einen oder den anderen wallonischen
Dialekt und 50.000 bis 60.000 eine deutsche Mundart als Muttersprache.
Wenn man auch ziemlich viel liest, kaust man doch nur sehr wenig
Bücher und am liebsten billige. Viel Gelegenheit wird also unseren
Zeichnern von belgischen Verlegern nicht geboten, sich in dem
genannten Fache zu üben.
Glücklicherweise bekommen unsere besseren Jüngeren in der letzten
Zeit mehr und mehr Austräge aus den nördlichen Niederlanden und sogar
aus Deutschland. Edmond van Ofsel und Alsried van Neste lieserten
gediegene Illustrationen für Dichtungen und Erzählungen, die in den
beiden illustrirten Monatschristen Woord en Beeld nud Elsevier's
Maandschrist erschienen, und Karel Doudelet schmückte mit einem
Dutzend in jeder Hinsicht gelungener Zeichnungen eine Erzählung
von Eugene de Molder in der von Bierbaum, Heymel und Schroeder
redigirten Insel.
Cohens, van Mieghem und die drei vorher genannten Künstler
lieserten auch jeder 6 oder 12 Federzeichnungen, die von einer
Antwerpener Firma, de Vos en van der Groen, Jezusstraat 20—22,
unter dem Titel: Tuisko-Karten, mit deutschem und niederländischem