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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0038
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- 34 —


Glocke von 1341 in Lemberg. Gez. von K. v. Siegl. Holzschnitt aus
>Österr.-ung. Monarchie in Wort und Bild«.
Interessant und belehrend war die Art, mit
welcher Siegl die Vorstudien zu vielen seiner Blätter
betrieb. Selbstverständlich machte er sich die Photo-
graphie zu nutze; aber nicht etwa in der Weise, um
eine bequeme Unterlage zu haben und um eine
Reise in entfernte Ortschaften zu ersparen. Es bedarf

der

eines scharfen Auges, um bei Siegl diesen Behelf
herauszufinden, denn er sass vor jedem Original, um
den vollen Charakter der fremden Leistung zu
studiren. Trat er an ein altes, schon recht schlimm
aussehendes Werk, wie zumBeispiel Wandmalereien
heran, so photographirte er bei gehörigem Licht das
Original. Dann wurden direct nach diesem Original
Zeichnungen und Farbenskizzen gemacht, um die
Wirkung von Schwarz und Weiss, wie sie der
Holzschnitt erfordert, genau kennen zu lernen. Dann
wurden die eventuell vorhandenen kunsthistorischen
Berichte über das Werk nachgelesen und der Stoff
endlich, wenn thunlich, auf einer sogenannten Salz-
photographie verarbeitet.
So glich Karl Ritter von Siegl bei seinen
Arbeiten oftmals einer Biene, dann wieder einem
genialen Interpreten, der den Geist und die Stimmung
alter und neuer Kunstwerke, wie Wenige nur, zu
erfassen und festzuhalten wusste.
Die öffentliche Kritik hat sich wenig mit Siegl
beschäftigt, wenn aber, so in anerkennender Weise.
Der Künstler hat in den Achtziger-Jahren eine
graphische Ausstellung im Künstlerhause beschickt
und nahm auch an der Jubiläumsausstellung 1898
als reproducirender Künstler theil.
Eine Privatbeschäftigung Siegls waren Studien
über Altwien; in dieser Hinsicht verfügte er über ein
Wissen, das manchen geborenen Wiener in Schatten
stellen konnte.
Im persönlichen Verkehre kam seine Be-
scheidenheit in auffallender Weise zum Ausdrucke.
Im Gespräche mit ihm fieng aber der Quell seines
Wissens und Könnens zu sprudeln an, und man gieng
selten von ihm, ohne Belehrendes oder Unter-
haltendes eingeheimst zu haben.
In den letzten Jahren wurde ein Leidenszug in dem
Antlitze des Künstlers bemerkbar, und einmal erzählte er
in seiner ruhigen Weise dem Schreiber dieser Zeilen über
seinen Krankheitszustand: ein wahres Martyrium! Am
12. April 1900 starb Karl Ritter von Siegl nach langem und
schwerem Leiden. Josef Böck-Gnadenau.

Ausstellungen.

Paris. — In der Ecole des Beaux-Arts wird in den
ersten Monaten des Jahres 1902 eine sehr beachtenswerte
Historische Ausstellung der Holzschneidekunst
stattfinden. Das Comite zählt unter dem Vorsitze A. Leperes
etwa dreissig Mitglieder: die Herren Christian, Beraldi,
Claudin, Vever, Roger Marx, Delteil,PierreDauze.R.Bouyer,
Masson, Ed. Pelletan,Ruffe,C. Beltrand, Bing, Fürst Essling.
Clement-Janin u. a. Die Ausstellung wird in sechs Ab-
theilungen zerfallen: 1. die historische französische unter
der Leitung der Herren Claudin und Masson; 2. die
historische deutsche und schweizerische (Herr Graul und

Herr Kautzsch in Leipzig); 3. die historische italienische
(Herr Fairfax, Herr Murray und Fürst Essling); 4. die
historische vlämische und holländische (Herr Hymans),
5. die japanische (Herr Bing) und 6. die Ausstellung der
französischen Holzschnitte von 1800 bis 1875 (Herr
Beraldi). Der Katalog wird von den Herren Claudin,
Masson, Bing und Beraldi mit fachmännischen Bemer-
kungenversehen und durch Facsimile-Reproductionen der
seltensten Stücke der Ausstellung illustrirt werden. Den
decorativen Schmuck des Buches hat die »Vereinigung
der Holzschneider« übernommen. Die Ausstellung ver-
 
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