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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0041
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— 37 —

Franz Hoch.

die man dem Publicum anbieten
wollte, natürlich nicht theuer sein
dursten, so ist man zunächst auf
Reproductionen von zumeist älteren
Kunstwerken verfallen. Gut aus-
gewählt können sie gewiss viel zur
Bildung desGeschmackes beitragen.
Dennoch aber darf man sich nicht
verhehlen, dass das Verständnis
für die Kunst der Vergangenheit
sich selbst dem Gebildeten nicht
ohne weiteres eröffnet. Es bedarf
dazu der Überwindung vieles
Fremdartigen, mancher besonderer
Kenntnisse. Und dann gibt die
Reproduktion doch nur ein Schatten-
bild, das nie die lebendige Wirkung
des Originals erreicht. -Höchstens
die täuschende Wiedergabe von
Kupferstichen und Holzschnitten,
wie sie uns heute zu Gebote steht,
macht eine Ausnahme davon. Was
uns noth thut, das sind graphische
Originalwerke, welche die Absicht
des Künstlers in unmittelbarer
Frische dem Beschauer ver-
mitteln. Dasür kommt heutzutage
keine andere Technik mehr in
Betracht als die Lithographie.
Kupferstich und Radirkunst sind
von Hause aus intime Künste, die in der Hand oder niedrig gehängt an
der Wand eines Cabinets betrachtet werden wollen. Erst ein entarteter
Geschmack konnte auf die Idee kommen, den Kupserstich aus die Fern-
wirkung hin zur bildmässig abgerundeten Wiedergabe von Gemälden zu
verwenden. Der Holzschnitt ist sür unsere Zwecke zu theuer und den
Künstlern auch nicht mehr geläufig genug. Die Lithographie dagegen kostet
verhältnismässig wenig und lässt dem Künstler jede erdenkliche Freiheit.
Die Engländer und Franzosen hatten sich das seit Jahren zu Nutze gemacht.
Von Heywood Sumner oder von Riviere konnte man um ein Billiges
ausgezeichnete sarbige Lithographien als Wandschmuck erwerben. Wir
Deutschen hatten, abgesehen von ein paar Placaten, gar nichtsdergleichen.
Als geradezu erlösend ist darum das vereinte Vorgehen der beiden
Leipziger Verlagsanstalten von Teubner und Voigtländer zu
begrüssen, die eine Reihe billiger Originallithographien zum Wand-
schmuck sür Schule und Haus herauszugeben begonnen haben. Sie
wussten sür ihr Unternehmen einige unserer besten Graphiker zu ge-
winnen und haben den Druck der Lithographien der bewährtesten An-
stalt sür diese Zwecke, der Druckerei des Karlsruher Künstlerbundes,
übertragen. Der Preis der Blätter ist so niedrig normirt, dass man hosfen
dars, dass diese Blätter auch in Arbeiterwohnungen Ausnahme sinden
werden. Das Unternehmen wird energisch unter Auswendung ansehn-
licher Mittel betrieben. Vierzehn Blätter sind in kurzer Zeit erschienen
und noch siebzehn, bereits angekündigt, stehen demnächst zu erwarten.
Für Sammler und Institute mit grösserem Bedars ist ein Abonnement
mit Prämien eingerichtet und wer ein Bild sertig zum Aushängen für
seine Stube wünscht, sindet die Blätter in einsachen, geschmackvollen
Rahmen von dunklem Ton. Jeder, der die Bestrebungen zur Erziehung
des Kunstsinnes im deutschen Volke sympathisch versolgt, wird diesem
Unternehmen von Herzen alles Glück wünschen. Es ist nur begreislich,
wenn die Freude In diesem Falle die Neigung zur kritischen Betrachtung
mindert, dennoch aber werden vielleicht selbst Künstler und Verleger es
wünschen, dass aus die bisher erschienenen Leistungen mit ein paar
Worten eingegangen werde.
Um als Wandschmuck in einer sarbigen Umgebung decorativ zu
wirken, müssen die Blätter sarbig sein. Davon ist man mit vollem Rechte
ausgegangen. Doch haben die Künstler in diesem Sinne ihre Aufgabe
verschieden genug gelöst. Die einen — Volk mann, Hoch, Luntz und


»Morgen im Hochgebirge«. Nach der farbigen Originallithographie.
Biese — haben tonige Wirkungen oder eine discrele Vereinigung
weniger, sorgsältig auseinander gestimmter Farben erstrebt. Ein Blatt
Hans von Volkmanns, »Die Sonn' erwacht«, ist beinahe monochrom,
nur mit goldigen Lichtern belebt. Wie rathlos das gebildete Publicum
ost solch einem stilisirten Bilde gegenübersteht, das konnte man
hier sehen. Aus dem Dresdner Kunsterziehungstag erhob sich ein würdiger
Herr und erklärte ganz ernsthast, er habe es niaht herausbringen können,
was aus dem Blatt dargestellt sei. Ja, ja, Leute über fünfzig Jahre ver-
stehen sich ost schlechter auf das Bilderbesehen als kleine Kinder. Gegen-
über so schlichten Bildern, wie Volkmanns »Ansicht von Bingen«
und dem »Schwäbischen Städtchen« von AdolsLuntz, wirkt Bieses
»Hünengrab« ein wenig pathetisch und sentimental. Dem Publicum
gesällt es darum ganz besonders gut. Von Franz Hoch ist wohl das
beste die »Hochgebirgslandschast« mit einem stillen Wasserspiegel,
hinter dem schneebedeckte Berge aufsteigen. Im Gegensatz zu den ge-
nannten Künstlern haben Kallmorgen in seiner »Dorsstrasse« und
Otto Fischer in der »Ansicht von Dresden« sehr lebhaste Farben bunt
nebeneinander gesetzt und damit, wie ich glaube, für die Kinderstube
gerade den rechten Ton angeschlagen. Die markige Steinzeichnung
Walter Geo rgis (»Pslügender Bauer«) macht einen etwas unruhigen
Findruck. Als ein stilles, seines Stimmungsbild steht daneben Kamp-
manns »Mondausgang«, einsach und grosszügig wie seine Landschafts-
gemälde. So verschieden alle diese Künstler ihre Stofse behandelt haben,
man lässt einen jeden gerne gelten und »wer die Wahl, hat die Qual«
heisst es vor ihren Blättern. Nur gegen Otto Fikentschers »Fuchs«
kann man ein leises Bedenken nicht unterdrücken: künstlerisch ist das
Blatt nicht sonderlich interessant; es sieht wie eine gut gezeichnete
Tasel für den Anschauungsunterricht aus. Und das sollte man gerade
hier vermeiden. Man sollte den Gegenstand des Bildes so wählen
oder ihn so behandeln, dass der Schulmeister keinen Anlass sindet,
ihn für die Lehrzwecke des Unterrichtes dienstbar zu machen. Die
Erörterungen, die dann ersolgen, haben mit Kunst nichts zu schafsen
und können nur dahin sühren, dass die Kinder die Hauptsache im Bilde
verkennen.
Sehr gespannt dars man auf die Fortsetzung der Folge sein, sür
die eine Reihe unserer besten Künstler ihre Mitwirkung zugesagt haben.
Hofsentlich haben wir nun auch manche sigürliche Darstellungen zu
 
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