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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0043
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— 39 —

Holbeins. Von unübertresflicher Feinheit ist ihre Zusammenstimmung
mit dem Inhalte der Dichtung. Wie sie, zwischen die Aufzüge gestellt,
die poetischen Fäden drüberspinnen, die Hauptvorstellungen des Kom-
menden andeuten und die Stimmung vorbereiten, das lässt sich nur mit
der Wirkung der Musik vergleichen. In dieser Beziehung stellt Heins
Gedicht mit seinen Zeichnungen das Muster der strengen künstlerischen
Einheitlichkeit eines illustrirten Werkes dar, die, wenn auch schwer er-
reichbar und selten erreicht, doch als ideale Forderung bestehen bleiben
muss. F. Diirnhöffcr.


MANY GO OD MOR-

liyam Shaw. Illustration zu Shakespeare, König
Heinrich IV., II. Th.

The Chiswick Shakespeare.Illustratedby Byam
Shaw. London, George Bell and Sons, 1900. 8°.
Der schier unbegreissich rührige Verlag hat in seinem Chiswick
Shakespeare eine in jeder Hinsicht erfreuliche Ausgabe geschafsen. Die
Güte des Textes ist dadurch verbürgt, dass er nach jenem der Globe
Edition, dem sogenannten Cambridge Text, gedruckt ist. Jeder Band ent-
hält ein Stück, und jedem Stücke geht eine Einsührung von John Dennis
voraus, die in ebenso knapper wie sachlicher Weise literargeschichtliche
Auskunst gibt. Ausserdem erleichtern rückwärts angehängte Wort- und
Sacherklärungen aus derselben Feder das Verständnis des Dichters. Die
Ausstattung der einzelnen Bändchen ist, selbst wenn man vom Bilder-
schmuck absieht, zugleich geschmackvoll und gediegen. Umschlag und
Einband, Vorsatzblätter und Merkbändchen, Druck und Papier, — alles
ist auss sorgfältigste gegen einander abgewogen und vereint sich zu einem
Ganzen von angenehmster Einheitlichkeit. Die schönste Zierde der
schmucken Büchlein aber bilden die Illustrationen. Jeder Band wird durch
sechs Vollbilder und zu Beginn eines jeden Actes sowie am Schlüsse
des ganzen Dramas durch je eine Vignette belebt. Bereits im Hinblick
auf die Wiedergabe mittels Strich- oder Netzätzung gezeichnet, sind die
Abbildungen trotz ihres kleinen Formates auch technisch äusserst
gelungen. Zuvörderst aber erfreuen sie künstlerisch. Sie alle rühren von

einer Hand her, was, glaube ich, ein dringendes Erfordernis bei der
Illustration von Gesammtausgaben gerade dichterischer Werke ist. Byam
Shaw, der damit betraut wurde, den ganzen Shakespeare zu illustriren,
gelang es, dieser schwierigen Aufgabe in ansprechender Weise gerecht
zu werden. Er ist so geschickt und anpassungsfähig, dass er der Viel-
seitigkeit des Dichters zu folgen vermag, und besitzt doch wieder so viel
künstlerischen Charakter, dass er hiebei mehr als blosse Äusserlichkeiten
gibt. Freilich geht es ohne'diese nicht immer ab, und manchmal vermisst
man über Costüm und Schauspielergeberde das echte, packende Leben
Shakespeares. Für derlei Mängel weiss aber der Künstler oft noch auf
demselben Blatte zu entschädigen, z. B. durch eine stimmungsvolle Land-
schaft. Wie er mit den Mitteln des bildenden Künstlers dem Dichter nach-
zuschaffen versteht, zeigen Bilder, wie das nebenstehende. Heinrich IV.
sitzt nach schlafloser Nacht müde am Tische, das schmerzende Haupt in
die linke Hand gestützt. Auf seinem Antlitz, aus dem die trüben Augen
ins Leere starren, malen sich Krankheit und Sorge. In seine Gedanken
vertieft, hat er Warwicks und Surreys Kommen überhört. Scheu stehen
diese an der Thür, und beklommen klingt ihr Morgengruss. — Hält sich
Byam Shaw in den Vollbildern streng an Shakespeares Worte, so lässt
er in den kleinen decorativen Zeichnungen seiner durch den Dichter an-
geregten Phantasie freien Lauf. Er ist freilich kein Dürer und kein Menzel,
aber es sindet sich unter diesen Bildchen mancher hübsche Einsall in
gefälliger Form. Als Beispiel diene die hier wiedergegebene Vignette zu
Beginn von „König Lear". Goneril und Regan strecken mit der einen
Hand der Krone ihre Herzen entgegen, während sie mit der anderen
hinter dem Rücken Dolch und Narrenkappe bereit halten. Auf der anderen
Seite ist Cordelia in die Knie gesunken, blickt zu Boden und verbirgt mit
beiden Händen ihr Herz hinter sich.
Sieht man sich diese Shakespeare-Ausgabe an, die zugleich billig
und hübsch ist, so fragt man sich unwillkürlich, ob etwas Ähnliches zu
schaffen denn bei uns in Österreich unmöglich wäre, insbesondere nachdem
in Deutschland bereits eine ganze Reihe von Versuchen geglückt ist,
geschmackvoll ausgestattete Bücher herzustellen, die nicht viel kosten.
Man sollte doch glauben, dass ein Gewand ähnlich dem des Chiswick
Shakespeare unseren heimischen Dichtern gut stehen und vielleicht sogar
gut thun müsste. Man denke sich nur unseren lieben Raimund in solcher
Ausstattung: Einband und Vorsatzpapier imGeschmacke der Biedermeier-
zeit verziert und die Bilder von der Hand Heinrich Lessers (dessen Talent
uns ja einen illustrirten Raimund förmlich schuldet), alles übrige so gut
wie bei dem englischen Vorbild und vor allem den Preis ebenso niedrig,
— sollte ein solches Unternehmen wirklich keinen Anklang finden? A. W.


R. Hellberger, Franz Schubert. (XIV. Band der
Sammlung: Berühmte Musiker. Herausgegeben von
H. Reimann.) Berlin 1902.Verlagsgesellschaft »Harmonie«.
Obwohl das vorliegende Buch an dieser Stelle nur in Hinsicht
auf seinen bildlichen Schmuck besprochen werden kann, so sei doch
erwähnt, dass es dem Verfasser gelungen ist, auch noch nach Kreissie,
Grove und Max Friedländer wertvolle neue Quellen für die an äusseren
Ereignissen so dürstige Lebensgeschichte des grossen Musikers zu ent-
decken. Der stattliche Anhang von Anmerkungen gibt darüber näheren
Aufschluss. Der Text selbst hat vor den früheren Biographien das voraus,
dass die nunmehr abgeschlossene Monumentalausgabe der sämmtlichen
 
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