Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1902

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4250#0081
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Studien und Forschungen.

Die thronende Jungfrau mit den Schutzheiligen von Chur. Ein unbeschriebener
Holzschnitt Hans Springinklees.

Als ich vor einigen Jahren über Bücher schrieb, die
bei Erhard Ratdolt in Augsburg gedruckt und von Jörg Breu
illustrirt wurden, bot sich mir die Gelegenheit, eine
illustrirte Ausgabe des Churer Breviars zu erwähnen,1
die 1520 auf Kosten Georg Ratdolts gedruckt worden
sein soll, aber jetzt so selten ist, dass es mir unmöglich
war, ein Exemplar des Buches aufzufinden oder irgend
einen anderen Beweis seiner Existenz anzuführen als
eine mir durch Herrn Weale mitgetheilte Notiz. Derselbe
Forscher war so freundlich, meine Aufmerksamkeit auf
die Thatsache zu lenken, dass ein Druck des Buches
unter Nummer 324 im Katalog der Bibliothek des ver-
storbenen Henry White aus London erschien. Dieses
Exemplar gelangte am 21. April 1902 bei Sotheby zur
Versteigerung. Es wurde für die Bibliothek des Britischen
Museums erstanden, und so hatte ich Gelegenheit, es
mit Müsse zu studiren. Meine Vermuthung, dass die
Illustrationen nicht von Breu wären, bestätigte sich;
aber ich war nicht darauf gefasst, einen Titelholzschnitt
von solcher Bedeutung und so stark von Dürer be-
einflusst zu finden. Der erste Blick zeigte, dass der
Holzschnitt trotz des Druckortes keine Augsburger
Arbeit sein konnte, wohl aber auf den unmittelbaren
Dürerkreis hinwies; und ich hatte mich bald dafür ent-
schieden, dass er nur das Werk eines einzigen unter
Dürers Schülern sein konnte — Hans Springinklees. Ich

i Jahrb. d. k. preuss. Kunstsamml., 1900, XXI, 196, Anmerkung 1.

habe mich seither durch Vergleich mit den übrigen Holz-
schnitten Springinklees überzeugt, dass seine Urheber-
schaft unzweifelhaft ist.
Der in Rede stehende Band, welcher nur den
Sommer-Theil des Breviars enthält, hat Grossfolio-Format
und ist hübsch gedruckt, durchwegs in Schwarz und
Roth. Es findet sich kein Titel, indem das Recto des
ersten Blattes gänzlich von dem Holzschnitt eingenommen
wird, während das Verso in 34 Zeilen den bischöflichen
Erlass enthält. Auf den Kalender, der 6 unpaginirte
Blätter einnimmt, folgt eine tabula septuagesime (1 Blatt)
und eine tabula pro parte estivali (3 Blätter), die einen
Index zu Psalmen, Hymnen und Schriftstellen sammt
einer Liste der in den Monaten April bis November
gefeierten Feste enthält. Das Breviar selbst umfasst
293 Blätter, zum Theil mit, zum Theil ohne Foliirung und
wird durch die Worte Incipit Psalterium s'm cursum
ecclesie Curien eingeleitet. Am Ende (Fol. 28 a) des
Commune Sanctorum findet sich der Kolophon:
Diligentissime excussu3 ac emendatü
Auguste Vindelicorss. Expensis
ac sumptibus. G. Ratdolt
anno a natiuitate xpi
. 1520 .
Der Drucker, der nicht eigens genannt wird, ist
Erhard Ratdolt.
Der Holzschnitt auf der ersten Seite stellt die
thronende Jungfrau mit dem Kind dar, verehrt von den
 
Annotationen