sprechend der Jahreszeitenfolge von der Melancholie an dritter Stelle zu handeln. Nach Wiederholung ihrer elementa-
ren Eigenschaften lautet ihre Schilderung derart: »und ist die unedelst complex. Der mensch, der derselben natur
ist, der ist gern karg und geitig, traurig und aschenvar, trag und untrey, unstet, vertrogen und hat alvveg ein pösen
magen und ist varichtsam. Er hat pöse pegir und erleich ding nit lieb, er hat pleden syn und ist unvveis und hat
hart fleisch. Ertrinkchet viel und ysset wenig. Er mag nit wol gehelsen. Ym ist vil nöt, das er sich hüt von aller speis
und ding, die kalt und truckchen sein. All ding, die warm und feuchter natur sein, die sein gar gesunt als guett wein
und gut gewürzt.«
Daß die ebengeschilderte Auffassung von der Melancholie dem Kaiser frühe bekannt gewesen sein wird, ergibt
ein Blick auf den Verlauf seiner medizinischen Studien. In einem Unterrichtsbuche seiner Knabenzeit folgen auf eine
lateinische Grammatik in Frage- und Antwortform die fünfundzwanzig Anfangsverse des regimen Salernitanum,
sicherlich, um von Max auswendig gelernt zu werden.1 Damals wurde er denn auch mit dem übrigen Inhalt vertraut,
jedoch erschien aus der Temperamentenlehre nur der oben erwähnte Auszug merkenswert. Denn es ist sehr wahr-
scheinlich, daß der ihn enthaltende Sammelcodex, der nachweisbar im Besitz Maximilians sich befunden hat, für ihn
zusammengestellt wurde. So machte er mit dem deutschen regimen sanitatis ebenfalls in früher Zeit seine Bekanntschaft.
Die medizinischen Interessen haben den Kaiser dann nicht wieder verlassen; er selbst legte auf seine Kenntnisse in der
Heilkunst viel Gewicht, kurierte sich öfter auch nach eigenem Ermessen und trug bei der Abfassung des Weißkunigs
Sorge, daß ein Kapitel, »wie der jung weißkunig in der erzney lernet« aufgenommen wurde. Dementsprechend
sammelte er eifrig Bücher, betreffend »Nigromantia und Arzney«, wie ein Abschnitt eines kürzlich entdeckten Bücher-
verzeichnisses überschrieben ist, das um so beredter diese Neigung bezeugt, als es nur einen Teil seines Bücher-
besitzes, die auf der Burg zu Innsbruck befindliche Bibliothek, beschreibt.2 Darnach waren dort Werke, wie »Cunraten
Megenbergers Arzneybücher von der natur der menschen, thier, kreuter und gestein« in nicht weniger als sieben
Drucken und einer Handschrift, »Ortolffen von Beyrland teutsche medicin« viermal gedruckt vertreten. Jede neue
Auflage scheint Maximilian erworben zu haben. Wieviel im Verzeichnis nicht genannte Arzneischriften mögen ihn,
der die größte Zeit seines Lebens auf Reisen war, begleitet haben oder an anderen Orten aufbewahrt worden sein!
Ofsenbar entging ihm keine bedeutendere Erscheinung des Büchermarktes auf medizinischem Gebiet und sicher auch
nicht »das nüv Buch der rechten Kunst zu destillieren« von dem Straßburger Arzt Hieronymus Brunschwig. Denn
darin werden die verschiedensten Pflanzen beschrieben mit genauer Angabe, wie bei jeder das Heilmittel zu gewinnen
ist, ein Thema, das den Kaiser außerordentlich fesseln konnte. Weisen doch seine Gedenkbücher auch derartige
Eintragungen auf, zum Beispiel die Notiz: »Ist ein wurzlin, haist graseil, wechst auf dem hohen gepürg, ist gut für
die pestillencz; wenn einem graust oder die pestillencz ankumbt, so schnaid ein wenig von der würzen klein« u. s. w.3
Aber auch aus diesen Arzneibüchern vermochte der Kaiser nur die hergebrachte Lehrmeinung über das
Wesen der Schwarzgalligkeit zu entnehmen. Megenberg, ein Arzt des XV. Jahrhunderts,1 geht mehrmals näher
auf die Melancholie ein, so im Kapitel über die Milz: »Galenus spricht, daz melancholia ir sideln hab in dem miltz,
und wenn die melancoli ain Oberhand nimpt und sich zeugt zuo dem haupt, so kumpt dem menschen sweigen
und betrahten und swerigkeit, wainen und trähkeit, vorcht und sorg und kleinmuetigkeit,« dann bei Besprechung
der Heilwirkung von verschiedenen Arzneien: »Das (Wachholder)oel ist auch wider die natürlichen melancoli
guet, wenn man das oel mit ezzen nimt. Die melancholi macht die laut toeroht, also das manig mensch sich selber
ertoett oder waent, es sei glesein oder es sei tot,« beziehungsweise an anderer Stelle: » es benimt auch den Siechtum, der
melancolia haizet, daz haizent die Dürgen rasen, wenn ein mensch mit ihm selber redet grämlichen ding.« Desgleichen
bezeichnet Ortolff (um 1400), der das Buch der Natur benützte, die Melancholiker als solche, die »traurent gern und
waynen gern ir Sünden,« und die Melancholie selbst wieder als ein »siechtumb«, einen »bösen rauch der natur«.5
Nicht anders äußert sich darüber auch Brunschwig bei Besprechung der Heilwirkungen des »Hyrtzzungen«, und des
»Ochsenzungenwassers«; das erste ist »gut für schwer grusatz und forchtsam dröm, die oft von boßheit des bösen
miltz kummen, für schwermütig und trurikeit, die auch von dem miltz kummet und von der melancoly,« das andere
stärkt »daz Hirn, das bekümmert ist mit verbrannter melancholyscher Feuchtigkeit,« und ist gut »für die unsinnikeit,
genannt mania; wann es abstreifen ist die melancoly.« Im Anschluß daran erzählt er einen von ihm selbst in Koblenz
1461 beobachteten Krankheitsfall, wie »ein Schulmeister also fast studiert und sein haupt gekrenkt, das er von sinnen
kam«, aber durch den Gebrauch des Wassers und das Auflegen des Ochsenzungenkrauts »uff das haupt in plasters
< Vgl. Bergmann, Lateinische Grammatik, moralische und diätetische Verse sammt einer Vermahnung in Prosa zum Unterricht des Erzherzogs,
nachherigen Kaisers Maximilian I. geschrieben, ein Beitrag zur Geschichte der Lehr- und Lernweise des XV. Jahrh. aus einer Handschrist der Ambraser
Sammlung, Jahrbuch der Literatur, Bd. 78, Jahrg. 1837, Anzeigeblatt 17. fs.
2 Vgl. Theodor Göttlich, Die Ambraser Handschriften, Die Büchersammlung Kaiser Maximilians L, p. 99.
» Vgl. Hormayrs und Mednyanskys Taschenbuch für die vaterländische Geschichte, 8 Jg. (1827), p. 202.
* Vgl. Kranz Pseiffer, Das Buch der Natur von Conrad von Megenberg, Stuttgart 1861; eine neuhochdeutsche Übersetzung gibt Hugo Schulz,
Greisswald 1897.
5 Vgl. den von Anton Koburger 1477 hergestellten Druck p. 48 v. und 50 v.
ren Eigenschaften lautet ihre Schilderung derart: »und ist die unedelst complex. Der mensch, der derselben natur
ist, der ist gern karg und geitig, traurig und aschenvar, trag und untrey, unstet, vertrogen und hat alvveg ein pösen
magen und ist varichtsam. Er hat pöse pegir und erleich ding nit lieb, er hat pleden syn und ist unvveis und hat
hart fleisch. Ertrinkchet viel und ysset wenig. Er mag nit wol gehelsen. Ym ist vil nöt, das er sich hüt von aller speis
und ding, die kalt und truckchen sein. All ding, die warm und feuchter natur sein, die sein gar gesunt als guett wein
und gut gewürzt.«
Daß die ebengeschilderte Auffassung von der Melancholie dem Kaiser frühe bekannt gewesen sein wird, ergibt
ein Blick auf den Verlauf seiner medizinischen Studien. In einem Unterrichtsbuche seiner Knabenzeit folgen auf eine
lateinische Grammatik in Frage- und Antwortform die fünfundzwanzig Anfangsverse des regimen Salernitanum,
sicherlich, um von Max auswendig gelernt zu werden.1 Damals wurde er denn auch mit dem übrigen Inhalt vertraut,
jedoch erschien aus der Temperamentenlehre nur der oben erwähnte Auszug merkenswert. Denn es ist sehr wahr-
scheinlich, daß der ihn enthaltende Sammelcodex, der nachweisbar im Besitz Maximilians sich befunden hat, für ihn
zusammengestellt wurde. So machte er mit dem deutschen regimen sanitatis ebenfalls in früher Zeit seine Bekanntschaft.
Die medizinischen Interessen haben den Kaiser dann nicht wieder verlassen; er selbst legte auf seine Kenntnisse in der
Heilkunst viel Gewicht, kurierte sich öfter auch nach eigenem Ermessen und trug bei der Abfassung des Weißkunigs
Sorge, daß ein Kapitel, »wie der jung weißkunig in der erzney lernet« aufgenommen wurde. Dementsprechend
sammelte er eifrig Bücher, betreffend »Nigromantia und Arzney«, wie ein Abschnitt eines kürzlich entdeckten Bücher-
verzeichnisses überschrieben ist, das um so beredter diese Neigung bezeugt, als es nur einen Teil seines Bücher-
besitzes, die auf der Burg zu Innsbruck befindliche Bibliothek, beschreibt.2 Darnach waren dort Werke, wie »Cunraten
Megenbergers Arzneybücher von der natur der menschen, thier, kreuter und gestein« in nicht weniger als sieben
Drucken und einer Handschrift, »Ortolffen von Beyrland teutsche medicin« viermal gedruckt vertreten. Jede neue
Auflage scheint Maximilian erworben zu haben. Wieviel im Verzeichnis nicht genannte Arzneischriften mögen ihn,
der die größte Zeit seines Lebens auf Reisen war, begleitet haben oder an anderen Orten aufbewahrt worden sein!
Ofsenbar entging ihm keine bedeutendere Erscheinung des Büchermarktes auf medizinischem Gebiet und sicher auch
nicht »das nüv Buch der rechten Kunst zu destillieren« von dem Straßburger Arzt Hieronymus Brunschwig. Denn
darin werden die verschiedensten Pflanzen beschrieben mit genauer Angabe, wie bei jeder das Heilmittel zu gewinnen
ist, ein Thema, das den Kaiser außerordentlich fesseln konnte. Weisen doch seine Gedenkbücher auch derartige
Eintragungen auf, zum Beispiel die Notiz: »Ist ein wurzlin, haist graseil, wechst auf dem hohen gepürg, ist gut für
die pestillencz; wenn einem graust oder die pestillencz ankumbt, so schnaid ein wenig von der würzen klein« u. s. w.3
Aber auch aus diesen Arzneibüchern vermochte der Kaiser nur die hergebrachte Lehrmeinung über das
Wesen der Schwarzgalligkeit zu entnehmen. Megenberg, ein Arzt des XV. Jahrhunderts,1 geht mehrmals näher
auf die Melancholie ein, so im Kapitel über die Milz: »Galenus spricht, daz melancholia ir sideln hab in dem miltz,
und wenn die melancoli ain Oberhand nimpt und sich zeugt zuo dem haupt, so kumpt dem menschen sweigen
und betrahten und swerigkeit, wainen und trähkeit, vorcht und sorg und kleinmuetigkeit,« dann bei Besprechung
der Heilwirkung von verschiedenen Arzneien: »Das (Wachholder)oel ist auch wider die natürlichen melancoli
guet, wenn man das oel mit ezzen nimt. Die melancholi macht die laut toeroht, also das manig mensch sich selber
ertoett oder waent, es sei glesein oder es sei tot,« beziehungsweise an anderer Stelle: » es benimt auch den Siechtum, der
melancolia haizet, daz haizent die Dürgen rasen, wenn ein mensch mit ihm selber redet grämlichen ding.« Desgleichen
bezeichnet Ortolff (um 1400), der das Buch der Natur benützte, die Melancholiker als solche, die »traurent gern und
waynen gern ir Sünden,« und die Melancholie selbst wieder als ein »siechtumb«, einen »bösen rauch der natur«.5
Nicht anders äußert sich darüber auch Brunschwig bei Besprechung der Heilwirkungen des »Hyrtzzungen«, und des
»Ochsenzungenwassers«; das erste ist »gut für schwer grusatz und forchtsam dröm, die oft von boßheit des bösen
miltz kummen, für schwermütig und trurikeit, die auch von dem miltz kummet und von der melancoly,« das andere
stärkt »daz Hirn, das bekümmert ist mit verbrannter melancholyscher Feuchtigkeit,« und ist gut »für die unsinnikeit,
genannt mania; wann es abstreifen ist die melancoly.« Im Anschluß daran erzählt er einen von ihm selbst in Koblenz
1461 beobachteten Krankheitsfall, wie »ein Schulmeister also fast studiert und sein haupt gekrenkt, das er von sinnen
kam«, aber durch den Gebrauch des Wassers und das Auflegen des Ochsenzungenkrauts »uff das haupt in plasters
< Vgl. Bergmann, Lateinische Grammatik, moralische und diätetische Verse sammt einer Vermahnung in Prosa zum Unterricht des Erzherzogs,
nachherigen Kaisers Maximilian I. geschrieben, ein Beitrag zur Geschichte der Lehr- und Lernweise des XV. Jahrh. aus einer Handschrist der Ambraser
Sammlung, Jahrbuch der Literatur, Bd. 78, Jahrg. 1837, Anzeigeblatt 17. fs.
2 Vgl. Theodor Göttlich, Die Ambraser Handschriften, Die Büchersammlung Kaiser Maximilians L, p. 99.
» Vgl. Hormayrs und Mednyanskys Taschenbuch für die vaterländische Geschichte, 8 Jg. (1827), p. 202.
* Vgl. Kranz Pseiffer, Das Buch der Natur von Conrad von Megenberg, Stuttgart 1861; eine neuhochdeutsche Übersetzung gibt Hugo Schulz,
Greisswald 1897.
5 Vgl. den von Anton Koburger 1477 hergestellten Druck p. 48 v. und 50 v.