Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0016
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 12

von dem italienischen Vorbild ihre Erklärung finden. Das Blatt des Nürnbergers wurde wohl um das Jahr 1503
gestochen, ungefähr zehn Jahre nach dem Erscheinen des venezianischen Werkes. Dürer mußte also der Beeinflußte
gewesen sein.

Das Stehmotiv, das die Figuren gemein haben, ist zwar keine besondere Eigentümlichkeit des Originals; Dürer
hätte es auch anderswo sehen können, weil es in der italienischen Kunst allgemein verbreitet war. Die Komposition
des fremden Grafikers hat auch unserem Meister nur die Grundlage zu einer künstlerischen Neuschöpfung geliefert.
Der Christus des Italieners weist mit der Rechten auf die Seitenwunde. Die ausgebreiteten Arme drücken dagegen bei
Dürers Figur nur das Gefühl des Leidens aus. Auf die naturalistische Umarbeitung der Einzelheiten ist es nicht
nötig hinzuweisen. Im wesentlichen hielt sich aber Dürer doch treu an das Gegebene. Die Bewegung der Füße, der
linken Hand und des Kopfes übernahm er, wie er sie gefunden und den Charakter der Formen veränderte er auch
nicht. Eigentümlich ist für die Zeichnung des Meisters N die starke Trennung der Formen, die besonders in der Zwei-
teilung des Rippenbogens bemerkbar ist. Die eigenartige Formenbildung kehrt auch in Dürers Figur wieder. In der
Zeichnung der Schlüsselbeine und Schultern, der engen Brust und der Abzweigung der Muskeln am Unterarm ahmt
er auch die gewählte Musterfigur nach. Die Zeichnung der Handfläche, der Füße und Knöchel und die Form des
Schienbeines mit dem Ansatz des Ristes stimmen ebenfalls hier wie dort überein, so daß man gezwungen wird,
anzunehmen, daß Dürer bei der Schöpfung des »Schmerzensmannes« gerade durch diesen Holzschnitt angeregt
worden ist.

Es scheint mir ferner ganz unzweifelhaft zu sein, daß dem Künstler noch ein anderes venezianisches Buch, der
1491 erschienene »Esopvs« (gedruckt bei Manfredo de Monteferrato) bekannt war. Der Titelholzschnitt und auch
drei andere Illustrationen dieses Werkes haben ganz gleiche, mit einem Rundbogen bekrönte architektonische
Umrahmungen. Auf dem Bogenfeld dieser Konstruktionen sind kämpfende nackte Figuren zu sehen. (Abgebildet beim
Prinzen v. Eßling S. 331.) Ähnlich aufgefaßte Figuren in derselben Verwendung kommen auch auf einer im Britischen
Museum befindlichen und Trajans Urteil darstellenden Zeichnung Dürers vor, welche zuerst von Campbell Dodgson
und Arpad Weixlgärtner für echt erkannt worden ist. (Publiziert durch die Dürer Society, 1902, VII.) Direkt verwandt
mit dem italienischen Original ist auf der Londoner Zeichnung der bogenschießende Apollo, bei welchem auch die
Zeichnung der Anatomie dem Vorbild entspricht. Die als Eckfigur angewendete Venus erinnert auch an den zu äußerst
links stehenden Wappenhalter auf der italienischen Komposition.

Vorläufig sind mir für Dürers Beziehungen zu der venezianischen Buchillustration nur diese Beispiele auf-
gefallen. Ein eingehenderes Studium des Materials (das ich auch unternehmen will) wird aber hoffentlich zu weiteren
Aufklärungen führen.

Die Bekanntschaft mit den leicht exportierbaren fremden Druckwerken wird immer als Waffe gegen die Theorie
der ersten venezianischen Reise Dürers benutzt. Die nun mitgeteilten Beispiele scheinen auch die Meinung der Gegner
dieser Annahme zu unterstützen. Ich glaube jedoch, daß wir den ersten Aufenthalt in Italien nicht bezweifeln können.
Die große Wandlung in Dürers Auffassung wäre im Jahre 1494 nicht so rapid eingetreten, wenn er sich nicht den
Einwirkungen einer ganz fremden Umgebung ausgesetzt hätte. Zoltän Takdcs.

Zwei unbeschriebene Schrotblättchen.

Die Sammlung von kunstindustriellen Gegenständen des Allerhöchsten Kaiserhauses besitzt zwei Gebetbücher
der zweiten Gemahlin Kaiser Maximilians I., Bianca Maria Sforza (Kaiserin 1494—1511). Das zweite, ein kleiner in
Leder gebundener Pergamentband (Inv. Nr. 5255, von Sacken, Ambraser-Slg., II, 209, 9, nur knapp beschrieben),
enthält drei Schrotblätter. Die ersten beiden sind auf der Vorderseite des letzten Blattes mit blauen Seidenfäden an-
geheftet, das dritte ist auf der Rückseite desselben Blattes mit zwei kleinen Messingstecknadeln befestigt. Das erste,
»Sant. Jost.«, ist von Schreiber, der allerdings nur ein unkoloriertes Exemplar in Maihingen verzeichnet, im III. Bande
seines Handbuchs unter Nr. 2687 beschrieben. Das zweite Blättchen, das zur selben Serie wie das erste gehört und
wohl auch von der gleichen Hand herrührt, stellt »S. Nicolaus« von Bari dar und mißt 61: 45 mm. Der Bischof ist
von vorn gesehen, hat die Rechte mit den beiden ausgestreckten Schwurfingern erhoben und hält in der Linken
unterhalb der Volute das auf den Boden aufgestützte Pastorale. Rechts und links steigt je eine Ranke mit drei Blumen
auf. Das dritte Blättchen zeigt »S.Augusti(nus)« und mißt gleichfalls 61 : 45 mm. Auch er ist als Bischof dargestellt,
steht nach links und hält in der Linken ein Buch in einem Beutel. Den Mittelgrund bildet die Meeresbucht, vor der
rechts das Christkind sitzt und mit einem Löffel Wasser in das Grübchen schöpft. Auf dem Ufer ganz hinten stehen
ein Baum und Gebäude. Auf allen drei Blättchen ist der Boden geschroten und alle drei sind roh mit Krapplack, Gelb
und Grün bemalt. Für ihre Datierung ist vielleicht die von Sacken mehrfach falsch gelesene Eintragung auf dem letzten
an den Deckel geklebten Blatt zu verwerten: »1 • A • 4 ■ O ■ 9 • 5 • septeper 8/ Ab got will zcu gluck/ F(riedrich III., der
Weise, 1486—1525) h(erzog) z(u) Sachssen kurfurst etc./ Sola tua fides/ archordene del scritor«. A. W.
 
Annotationen