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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0026
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eines wenig geschickten spanischen Stechers, der den Kopf durch eine drapierte Büste ergänzt hat". Dagegen verdient
das erstgenannte Blatt als eine künstlerisch und technisch feine und interessante Leistung des Grabstichels, auch ohne
ein Werk des Velazquez zu sein, einige Beachtung. Von diesem Stich, der nur den Kopf des Dargestellten wieder-
gibt, befindet sich ein Exemplar aus der Sammlung des Cean Bermudez im Königlichen Kupferstichkabinett zu Berlin,
das aber nicht, wie von Loga angibt, ein Unikum ist. Einen zweiten, besser erhaltenen Abdruck besitzt Dr. Julius
Hofmann in Wien. (S. Abb. auf S. 21.)

Von Loga hat die Vermutung, daß dieser Stich von Ottavio Leoni ausgeführt sein möchte, mit einer kurzen Be-
merkung zurückgewiesen. Da diese Hypothese von mir herrührt, so glaube ich nun, nicht unterlassen zu sollen, zu ihrer
Verteidigung einiges anzuführen. Der Name Velazquez, zu dem das Blatt, wenn auch willkürlich, in Beziehung
gebracht worden ist, rechtfertigt wohl die eingehendere Darlegung meiner Gründe.

Der unserem Stiche zugrunde liegende Bildnistyp hat sich in einer Reihe von Gemälden erhalten, unter denen
das Brustbild der Petersburger Eremitage (Nr. 422 aus der Sammlung Coesvelt) jetzt allgemein als das vorzüglichste
und als eine eigenhändige Arbeit des Velazquez gilt. Der Kupferstich stimmt mit dem Kopf dieses Porträts gegen-
seitig genau überein. Es genügt auf die Angabe des Schattens auf dem Kragen und auf die Anordnung der Haare aut
dem Kopf und im Barte, die in beiden die gleichen sind, hinzuweisen. Die Gegenüberstellung des Stiches und der
Photographie des Bildes läßt aber auch erkennen, wie viel plastischer und bewegter die Formen, wie viel lebendiger
und individueller der Ausdruck im Gemälde wirken. In der Detailbehandlung weicht der Stich ziemlich stark vom
Bilde ab. Alle Formen sind härter und schärfer begrenzt, kleinlicher herausgearbeitet; der eigentümliche Charakter
des wie lippenlosen Mundes, der breiten Nase und der eingekniffenen, weichlich gebetteten Augen ist merklich
geändert, ihre Häßlichkeit gemildert. Das Petersburger Bildnis des Conde-Duque Olivarez, der 1587 geboren ist, 1621
Minister König Philipps IV. wurde und 1643 vom Schauplatz seiner Taten abtrat, wird meist in die letzten Jahre vor
dem Sturze des Ministers, ja sogar noch später angesetzt. Außere Anhaltspunkte für eine genaue Datierung fehlen.
Die Schätzung des Lebensalters, die schon im gewöhnlichen Leben bekanntermaßen nichts weniger als zuverlässig
ist, wird hier vor dem Bilde eines so außergewöhnlichen, »offenbar psychopathischen«, in aufreibendster Tätigkeit
stehenden Mannes gewiß kein sicheres Frgebnis erhoffen lassen. Über die Datierung des Bildes nach seinem Stil
und seiner Malweise würde sich der Schreiber dieses kein Urteil erlauben, auch wenn er nicht auf die Betrachtung der
Photographien angewiesen wäre. Für die Entstehungszeit des Bildtypus könnte das Petersburger Gemälde auch
nur dann entscheidend sein, wenn es unzweifelhaft nicht nur ein eigenhändig, sondern auch ein unmittelbar nach
dem Leben vom Meister ausgeführtes Porträt wäre. Das wird jedoch von Justi- bestritten, der das Bild nur für eine
eigenhändige Replik des Meisters nach einem verlorenen, nach dem Leben gemalten Original hält. Der vielbeschäftigte
Minister scheint nicht gerne als Modell gesessen zu haben. Die zahlreichen bekannten Bildnisse von ihm lassen sich
alle auf drei Originalaufnahmen zurückführen. Der ohne Zweifel große Bedarf an Porträten, deren in der Zeit seiner
Macht gewiß viele begehrt und von ihm selber verschenkt wurden, mußte also durch Wiederholungen der vorhan-
denen Originale gedeckt werden. In besonders wichtigen Fällen wird gewiß Velazquez selber sich zur Anfertigung
oder wenigstens zur Retouschierung solcher Repliken verstanden haben. Wie von anderen Bildnissen, die Velazquez
von Personen des spanischen Hofes hergestellt hat, gibt es auch von dem hier in Frage stehenden des Olivarez eine
Anzahl von Wiederholungen. Justi scheint in dem Bildnis der Dresdener Galerie (Nr. 699), das aus Modena stammt,
die Arbeit oder wenigstens die Mitarbeit des Meisters erkennen zu wollen. Andere Exemplare werden in den Samm-
lungen des Lord Lansdowne und des M. Richard Ford und in der Petersburger Galerie, endlich ein miniaturartiges
Bildchen aus dem Escorial im Palast zu Madrid aufbewahrt.

Sicher wird Olivarez nicht unterlassen haben, auch dem Papste ein Abbild seiner gewichtigen Persönlichkeit zu
übersenden. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß er dies Bildnis durch den Maler selber, als dieser sich 1629 zu
längerem Aufenthalt nach Italien begab, habe überreichen lassen. Velazquez, der sich der besonderen Gunst des
Olivarez erfreute, trat seine Reise mit vielen offiziellen Empfehlungsbriefen versehen an. Jedenfalls dürfen wir ohne
Bedenken im Besitz des Papstes oder eines andern hohen Kirchenfürsten ein Bildnis des allmächtigen Ministers, der
übrigens in Rom geboren ist, voraussetzen, mag dies nun von Velazquez überbracht oder auf andrem Weg dorthin gesandt
worden sein. Ja vielleicht ist uns ein solches Bildnis des Olivarez noch erhalten in dem Dresdener Gemälde, das aus der
Modeneser Sammlung, für die es 1681 vom Grafen Prospero Toschi erworben wurde, stammt. Es ist sehr wohl möglich,
daß dies Bild, dessen Kopf mit dem des Petersburger Gemäldes und mit dem des Kupferstichs genau übereinstimmt,
sich ursprünglich in Rom befunden und Ottavio Leoni als Vorbild für seinen Stich gedient habe. Es ist aber auch denkbar,
daß der Stecher ein Miniaturbild von der Art des oben erwähnten im Palast zu Madrid als Vorlage benutzt habe. Eine Reise
nach Madrid brauchte der römische Künstler also nicht zu unternehmen, wenn er aus eigenem Interesse oder durch

i Auch der Kopf in dem von Hermann Panneeis gestochenen Titelbild (Abbildung im Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen
XXIX., [1908], S. 166) ist nur eine Kopie nach demselben Blatt, nicht unmittelbar nach einem Gemälde gearbeitet. Das geht aus der Übereinstimmung
von Formen, die von denen in den Bildern abweichen, und von Einzelheiten in der Zeichnung, z. B. in den Haaren, hervor.

ä Velazquez, II. S. 57 f.
 
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