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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0028
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— 24 —

ich weiß, von keinem anderen Meister des Stichels und der Nadel in gleicherweise wieder versucht worden1. Er
kombiniert besonders in den Umrissen zarte, in anderen Teilen, zum Beispiel in den Haaren, sehr harte, spießige
Grabstichelarbeit mit einer außerordentlich zarten, tonigen Punktiertechnik für die Fleischteile. Offenbar will er damit
die Wirkung seiner in den Gewändern und im Haar sehr flott, mit kräftigen Druckern gezeichneten, in den Gesichtern
sehr weich modellierten Kreideporträte, deren sich eine große Anzahl erhalten hat, wiedergeben. Die außerordentlich
subtile und schwierige Punktiermanier ist überhaupt vor der Erfindung bequemer und die Arbeit fördernder Werk-
zeuge, der Roulette und des Mattoir, nur von sehr wenigen Stechern geübt worden. Sie ist bekanntlich zuerst von
Giulio Campagnola eingeführt worden, der ebenso wie später Janus Lutma und verschiedene Ornamentstecher (zum
Beispiel Paul Vlindt um 1600) die feinen Punkte mit Hilfe des Punzens und des Hammers hervorgebracht hat. Opus
mallei nennt Lutma diese Arbeit. In Italien hat nach Campagnola erst wieder Federico Barocci in seinen wenig zahl-
reichen,aber sehr wertvollen Blättern die Effekte dieserTechnik besonders zurweichenModellierung des Fleischeshöchst
wirkungsvoll auszubeuten verstanden. In Deutschland scheinen Augustin Hirschvogel in seiner Cleopatra (Bartsch 5)s
und Franz Aspruck in seiner Apostelfolge3 die ersten, vereinzelten Versuche gemacht zu haben, die Punkte mit Hilfe
der Ätzung leichter und gleichmäßiger herzustellen. Erst in der von N. Cochin bearbeiteten, 1745 erschienenen Neu-
ausgabe von Abraham Bosses »Traicte de la maniere de graver« ist ein Abschnitt »de la facon de pointiller les chairs«
(S. 76 f.) der Punktierarbeit in den Halbtönen gewidmet. Die größeren Punkte solle man einätzen, dann die feineren
zum Übergang in das Licht mit dem Grabstichel hinzufügen. Punkte und punktartige Strichelchen haben natürlich
fast alle Stecher und Radierer unter die Linien gemischt; das Wesentliche der eigentlichen Punktiermanier liegt aber
darin, daß die Modellierung einzelner Teile in den tiefen Schatten wie in den Halbtönen ausschließlich durch größere
oder kleinere, enger oder weiter gestellte Punkte hervorgebracht wird.

Leoni mag dieses Kunstmittel seinem Landsmann Barocci abgesehen haben. Der Miniaturmaler verwendet aber
die Punktierung in ganz anderer Weise und in ganz anderer Absicht als der Meister der monumentalen Kunst, nicht
frei malerisch zur Verbindung starker Farbenkontraste, sondern mit sorgsamer Delikatesse, um ein zartes Sfumato,
hauchartig vertriebene Schatten, hervorzubringen, ganz ähnlich wie später, freilich mit anderen Mitteln, Bartolozzi
« und seine Nachahmer.

Die Punkte stehen ganz eng und sind deshalb auch nur ganz seicht eingegraben, so daß sie sich besonders auf
dem noch feuchten Abdruck, aber auch auf dem trockenen Blatt sehr leicht verwischen. In ihrer Struktur machen
die punktierten Flächen stellenweise fast den Eindruck von Aquatmta. Leoni hat aber augenscheinlich die Punkte
nicht eingeätzt, sondern sie einzeln mit dem Grabstichel oder der Nadel in das Kupfer eingestochen, wie überhaupt
alle seine in dieser Art durchgeführten Bildnisse ganz ohne Hilfe der Radierung gearbeitet zu sein scheinen.

Ausführung, Einschwärzen und Drucken solcher Platten müssen viel Geduld und eine besondere technische
Geschicklichkeit und Erfahrung erfordert haben. In Spanien kann es damals kaum einen Techniker gegeben haben,
der eine so fein gearbeitete Platte zu drucken verstanden hätte. Vielleicht hat man deshalb von der Vollendung unseres
Stiches abgesehen und sich mit Kopien begnügt.

Die vollkommene Übereinstimmung der Technik des Olivarez-Kopfes mit der der beglaubigten Stiche Ottavio
Leonis ist meiner Meinung nach augenfällig. Die Punktierarbeit ist in dem im Jahrbuch der Preußischen Kunst-
sammlungen abgebildeten Berliner Exemplar etwas verwischt; in dem Abdruck der Dr. Hofmannschen Sammlung ist
sie viel klarer und schärfer erkennbar. Hier kann man auch im Schattender von der Nase zum Mundwinkel geht, die
feinen Grabstichellinien bemerken, mit denen Leoni manchmal die Punktierung in den Tiefen zu verstärken sucht.
Aber auch abgesehen von der charakteristischen Punktierarbeit ist die Gleichheit der Technik auch in der Stichel-
führung evident, besonders in der unverhältnismäßig harten Behandlung des Haares, dessen stofflicher Charakter
durch einzelne getrennt voneinander gezogene tiefe und etwas spröde Linien sehr gut und ganz eigenartig wieder-
gegeben ist. Man beachte auch die feine, ganz stecherisch exakt, mit genau gleich starken und »aequidistanten«
Linien, in den tiefen Schatten mit glatten Kreuzlagen ausgeführte Schraffierung des Kragens, die sich ganz ähnlich
auf verschiedenen Blättern Leonis wiederfindet und die unverkennbar die sichere Hand des routinierten Technikers
v errät.

Unser Bildnis würde man für eine der letzten Arbeiten Leonis halten müssen, auch wenn die äußeren Umstände
nicht darauf hinwiesen. Die Stichelführung ist äußerst sicher und elastisch, die Punktierung von der größten Zart-
heit und Gleichmäßigkeit und wie nur in den spätesten Stichen, zum Beispiel dem Paolo Giordano (B. 21), dem
Kardinal Moriz von Savoyen (B. 36, von 1627), auch auf die Zeichnung der Augenbrauen ausgedehnt. Es ist nicht zu
leugnen, daß der Olivarez-Kopf alle anderen bekannten Stiche Leonis an Kraft und Lebendigkeit des Ausdrucks und

1 Auch die Stechweise Jean Morins (zirka 1600—1666), die mit der Leonis eine gewisse Ähnlichkeit hat, beruht auf ganz anderer technischer
Grundlage. Morin arbeitet fast ausschließlich mit der Radierung, die Leoni in seinen fein durchgeführten Bildnissen gar nicht angewendet zu haben
scheint, und setzt seine Halbtüne nicht aus eigentlichen Punkten, sondern aus ganz kurzen, dünnen Strichelchen zusammen.

• A. M. Hind hat in Heft 66 des Burlington Magazine (vol. XIII, September 1908, S. 366) auf dieses Blatt aufmerksam gemacht.

:l Siehe Jaro Springer in der Zeitschrift des Nordböhmischen Gewerbemuseums, N. F. I (1906), S. 68 ff.
 
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