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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0060
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— 56 —

sind), ist es nicht unmöglich, daß auch solche dem Nürnberger Kleinmeister vorgelegen haben. Bisher ist nur ein
derartiges sicheres Blatt bekannt gewesen, der stehende Landsknecht von 1515 bei Lanna in Prag (Albertina-Publikation,
1321). Zweifelhaft ist eine andre Darstellung dieser Gattung, die in der Albertina aufbewahrt wird (Nr. 3244). Dagegen
kann ich dem Meister heute eine neue Landsknechtzeichnung mit Wahrscheinlichkeit zuweisen, die in der Abbildung auf
Seite 57 wiedergegebene Komposition: »Landsknecht und Marketenderin« im Berliner Kupferstichkabinett, deren
Attribution bislang zwischen Schäufelein, H. Dürer, Graf und Altdorfer schwankte. Die Zeichnung ist so schlagend über-
einstimmend mit den Holzschnitten, daß die Zuschreibung weiterer Worte nicht bedarf. Doch sei noch ausdrücklich
auf den eigentümlichen Windhund (?) aufmerksam gemacht, der ähnlich in Zeichnungen mit der Verkündigung an
die Hirten wiederkehrt und wohl (nach einer Vermutung D. Burckhardts) aus Dürers Eustachius-Holzschnitt abgeleitet
ist. Die Zeichnung ist jedenfalls vor dem Behamschen Stich, das heißt vor 1520, entstanden, vielleicht in der gleichen
Periode wie der Holzschnitt bei Mr. Huth (1515)1.

Ein andres Moment, das mich bestimmt, einen Einfluß Hubers auf H. S. Beham anzunehmen, ist der land-
schaftliche Hintergrund einiger dieser Blätter. Der auffällige Baum auf der »Verkündigung an Joachim« findet sich
auf dem Altdorferschen Vorbild nicht, dafür ist die Zeichnung der Zweige und das ganze Gewächs durchaus in
Hubers Manier. Auch die Eisenradierung P. 61 (Heiliger Hieronymus in Landschaft) hat einen völlig huberisch
anmutenden Hintergrund: die Form der Berge, der Bäume und noch mehr die eigentümlichen breitwachsenden
Grasbüschel, die für Huber im Gegensatz zu Altdorfer charakteristisch sind (Cfr. Ursprung des Donaustils,
Seite 36 f.).

Vielleicht wirkt die These des Huberschen Einflusses jetzt einigermaßen überraschend — allein es gilt zu
bedenken, daß der Passauer Meister als Landschafter seinem Lehrer völlig gewachsen war und aus der naturtreuen
Wiedergabe der oberdeutschen Landschaft eine Spezialität gemacht hatte, die seinen Namen überallhin tragen mußte.
Riggenbach (Der Maler und Zeichner Wolf Huber, Basel 1907) mutmaßt sogar einen Einfluß Hubers auf seinen
Regensburger Meister; er meint, die größere Sachlichkeit des Passauers habe auf den meist subjektiveren Altdorfer
rückgewirkt, als dieser seine radierten Landschaften schuf.

Neben dem Gebiet des Landschaftlichen zeigt auch das Architektonische bei Beham gelegentlich die Beeinflussung
durch die Donaumeister. Ich denke im besonderen an die Holzschnittserie der Passion Christi, P. 818 bis 825, die
im ganzen, wie Pauli stark und mit Recht betont, vor allem die Dürersche Tradition fortführt, aber in der Erweiterung
des Raumes, den kunstvollen perspektivischen Durchblicken, der freien Verteilung der Figuren und in der Bevor-
zugung des tiefen Gesichtspunktes entschieden das Studium der Altdorferschen Passion2 verrät. So bringt P. 818
das Abendmahl, ein sehr weiträumiges Kirchenschiff3 in diagonaler Perspektive und mit völlig asymmetrischer
Anordnung des Figürlichen. Wie weit sind wir hier von Dürers Auffassung der gleichen Szene entfernt! Auch
P. 822, Die Schaustellung Christi, wäre ohne die kühnen räumlichen Experimente der Altdorferschen Holzschnitte
in dieser Freiheit unmöglich; man vergleiche für die eigentümliche Form des Gewölbes etwa die Verkündigung,
B. 44. In P. 825 erinnern sowohl der Helldunkeleindruck der Grotte wie die Bogenform des Eingangs, vor allem aber
die starken Verkürzungen der Figuren an Altdorfers Holzschnitte von zirka 1511 bis 1514.

Einzelne Stiche H. S. Behams, die Altdorfersche Anregungen aufweisen, sind etwa P. 18 »Heilige Jungfrau auf
Halbmond«, worin die Gewandbehandlung und die Auffassung stark an Altdorfer gemahnen, ferner P. 89 und 90,
»Triton und Nereide« von 1523, Blätter, die in der äußeren Aufmachung (dunkel schraffierter Grund, knappe,

• Ich möchte nicht verschweigen, daß mir das Problem der Huberschen Landsknechtdarstellungen noch nicht ganz mit Sicherheit gelöst
scheint. Der Holzschnitt bei Huth hat, obwohl vom gleichen Jahre wie die charakteristische Zeichnung bei Lanna, für Huber befremdende Züge.
Während ihm das Berliner Blatt ganz nahe kommt, weicht der Basler Holzschnitt wiederum ab. Diesen nun mit Riggenbach bis auf 1520 hinauf-
zusetzen, scheint mir ebenfalls nicht angängig. Die Berliner Zeichnung, die von jener bei Lanna ziemlich abweicht, hat andrerseits enge Beziehungen
zu den Blättern 132—137 im Triumphzug Maximilians, die von der gleichen Hand wie 57—88 herrühren. Der Meister dieser Holzschnitte könnte
der H. D. des Gebetbuches sein, der mit Hans Dürer identifiziert wird. Der außerordentlich starke Einfluß des Donaustils in diesen Blättern (von
denen drei bei Schmidt, nach einer Wesselyschen Notiz, als Altdorfer angeführt waren, unter der Bezeichnung: Zug von Bauern) würde entweder auf
eine Einreihung des Hans Dürer bei der Altdorfer-Gruppe führen oder auf eine Aufgabe der Auflösung des (bekanntlich später erst hinzugefügtem
Monogramms H. D. in Hans Dürer. Leider ist die Art, wie die Landsknechte Hubers und jene des H. D.(?) in Holz geschnitten worden sind, gänzlich
verschieden, so daß der unmittelbare Vergleich dieser sich sonst nahe stehenden Blätter sehr erschwert wird. In diesem Zusammenhang kann das
Problem nicht weiter verfolgt werden. Verwandtschaft mit den Landsknechten Hubers besitzt auch eine Gestalt des Monogrammisten S. B. (Nagler,
IV, Nummer 3957): Landsknecht, die Flöte blasend. Das von 1515, also verhältnismäßig früh datierte Blatt ist sehr fein und schwungvoll behandelt
und erinnert in der kecken Pose sowie der Tracht und der Zeichnung nach an den Passauer Meister. Wohl von einem Künstler aus seiner Nähe.

- Diese Serie scheint von zeitgenössischen und späteren Künstlern stark in Anspruch genommen zu sein. Eine unbeachtete Entlehnung
möchte ich hier anmerken; sie betrifft den Monogrammisten C. W. (Passavant III, Seite 317), dessen Abendmahl-Holzschnitt, P. 2, nichts andres
als eine freie Vergrößerung (und Vergröberung) von B. 18 darstellt. Der Holzschnitt gehört zu einem 1554 in Salzburg verlegten Buch.

3 Im Gegensatz zu den Nürnbergern haben die Tiroler und Bayern eine Leidenschaft für die Darstellung von Kircheninneren. Von Michael
Pacher bis zu den letzten Werken Wolf Hubers durchklingt der gotische Kirchenraum fast alle architektonischen Innensichten — manchmal in
direktem sachlichen Widerspruch zum Inhalt der Darstellung. Man hat dieser Tatsache ohne Angabe von Gründen widersprochen — ich habe kaum
nötig, zu sagen, daß ich die betreffenden Bemerkungen in meinem Buche durchaus aufrecht erhalte.
 
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