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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.4233#0073
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Viel weniger erfreulich ist die Methode Berteis, dessen grobge-
schürztes Netz geistreichtuender Redensarten das dürftige Gerüst einer
dürren archäologischen Forschung schlecht verhüllt. Der Bedeutung des
Karikaturisten Daumier scheint man nicht gerecht zu werden, wenn man
das Hauptgewicht auf den politischen Zeichner, den Verspotter einzelner
Mitglieder des ventre legislatif und Satiriker bestimmter Tagesereignisse
legt. Der Kleinbürger, der Blaustrumpf, die Juristen und Ärzte sind zu
einer überindividuellen Allgemeingültigkeit gesteigert; in den Bildnissen
der Schauspieler drücken die verzerrten Züge keine persönlichen Leiden-
schaften aus, sondern sind zur Maske der antiken Komödie erstarrt.
Nicht die individuelle Lächerlichkeit, die Deformation des Einzelnen locken
diesen Künstler, für dessen vis comica (wie für jede große dramatische
Wirkung) ein ganz bestimmtes mächtiges Ethos die Grundlage bildet,
sondern die kleine Komik, die durch Alltäglichkeit zur Tragik wird, die
Comedie humaine des Alltags, deren Ernst lächert, deren Heiterkeit
Kummer bereitet. Nicht der Müller und sein Sohn, die den urdummen
Streich mit dem Esel begehen, sind die Helden des Bildes, sondern die
lustigen Weiber im Vordergrund, die sich vor Lachen ausschütten, das
Volk, das in der Torheit des Mitmenschen die eigene verhöhnt, seiner
selbst spottet und weiß nicht wie.

Beide Bücher sind in dem Ton geschrieben, der bei der Bespre-
chung neuerer Künstler leider noch immer der übliche ist. Ist es nicht
möglich, seiner Verehrung für solche Meister in einer andern Weise
Ausdruck zu geben als in den Verzückungen heulender Derwische! Auch
gemessener gehandhabt reicht doch das wundervolle Instrument unserer
Sprache aus, Höchstes und Tiefstes in Worten wiederzugeben! Das
Brillierenwollen um jeden Preis, das Aneinanderreihen von Knalleffekten
ermüdet den Leser und führt notwendig zu Entgleisungen. (Klossowski
S. 61, Don Quichote scheint mit dem Meister so verwachsen wie Schlemihl
mit seinem Schatten!) Ein wenig Zurückhaltung täte gut, allzuübel möchte
gerade ich es gewiß niemand nehmen, um Daumiers willen den Mund
etwas voll genommen zu haben. Hans Tietze.

Hermann Struck, Die Kunst des Radierens. Berlin,
Paul Cassirer, 1909.

Das »Buch soll eine Anleitung sein, die Künstler und kunstver-
ständige Dilettanten in den Stand setzt, die schöne Kunst des Schwarz
und Weiß selbständig zu erlernen; und es soll zugleich den Blick des
Kunstliebhabers schärfen, um die Erzeugnisse der Radierung besser und
intensiver genießen zu können«. Hermann Struck ist als Radierer schon
so manches hübsche Blatt gelungen und auch das faßlich und fesselnd
geschriebene Theorem über seine Kunst ist ganz darnach angetan, das
Ziel zu erreichen, das er sich in den obigen Sätzen des Vorwortes steckt.
Er spricht in dem Buch über den Unterschied zwischen Malerei und
Radierung und handelt vom Kupferstich, von der Aquatinta, der Schab-
kunst, der Crayonmanier und dem Vernis mou. Nach einem Goethe als
Radierer gewidmeten Intermezzo wird dann auf die Radierung selbst
übergegangen, zuerst das Plattenmaterial und wie damit umzugehen ist,
ferner das Ätzen und Verbessern der Platte, besonders das Aufätzen er-
örtert, kalte Nadel, verwandte Techniken und Vernis mou folgen, ein
kurzer Abschnitt beschäftigt sich mit dem Holzschnitt und der Litho-
graphie, und »zwanglose und unverbindliche Bemerkungen« über jene
alten und zeitgenössischen Künstler, von denen das Buch Abbildungen
bringt, machen den Schluß. Sie gehören zu dem Unterhaltlichsten und
Lehrreichsten des ganzen Werkchens, charakterisieren die Kunst des
betreffenden Meisters und erläutern die Technik seiner abgebildeten Ar-
beit. Das Buch ist vorzüglich ausgestattet, reich und geschmackvoll
illustriert, Originalradierungen von Max Liebermann (Amsterdamer
Judengasse), Edvard Münch (Landschaft), dem Verfasser (Alter Jude
aus Jaffa) Anders Zorn (Anna) und Paul Baum (Aus Sluis) gereichen
ihm zur besonderen Zierde, ein Gedicht von Alfred Kerr leitet es ein, ein
Sach- und Wortregister und ein Verzeichnis der Abbildungen erleichtern
seine Benutzung.

Der Verfasser hat auf dem Gebiet der modernen Radierung kaum
eine hervorragende Erscheinung übersehen und hat sich ersichtlich
Mühe gegeben, auch Künstlern gegenüber, mit denen er innerlich nichts
anzufangen weiß, objektiv zu bleiben, das Herz aber geht ihm doch erst

auf, wenn er von Liebermann und Israels spricht, und da entsagt er auch
absichtlich oder unbewußt, namentlich wenn er auf seinen Gott Lieber-
mann zu sprechen kommt, aller gesunden Kritik. Liebermann ist ein
Künstler und ist eine Persönlichkeit, »Gipfel aber, auf denen er Rem-
brandt die Hand reicht«, hat er niemals erstiegen und wird er niemals
ersteigen. So ein Wort zeugt nicht von einer Überschätzung Lieber-
manns, sondern, was viel schlimmer ist, von einer Unterschätzung
Rembrandts. A. W.

Lithographien aus dem Verlag der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei.

Leider ist die zuletzt erschienene Folge am wenigsten erfreulich.
Nr. 21 des Wandtafelwerkes, »Auf der Heide« von A. Rothaug, ist ja
ganz lieb und farbenfrisch, die Rinder rechts aber sind viel zu klein ge-
raten und im ganzen ist es doch nur eine ziemlich unbedeutende Arbeit.
Nr. 22, »Schönbrunn« von K. Moll, zeigt, daß dem geschickten Künstler
die Technik der Lithographie noch durchaus ungewohnt ist. Die Farbe
ist unangenehm, die Schraffierung der Schwarzplatte unbeholfen hart,
das Ganze wirkt ein bißchen leer. Nr. 24, »Im Torfstich« von 0. Barth,
kann sich mit dem famosen Winterbild desselben Künstlers nicht messen.
Die schwere düstere Regenstimmung paßt ja vorzüglich zur fettig dunkel-
braunen Farbe des Torfes, der Ziegelhaufen rechts vorne aber, die
Wand links und die Figuren sind schematisch und flau. Nr. 25, »Vor der
Schmiede« von M. Kurzweil, ist wohl das mißlungenste Blatt. Die Kom-
position ist öde. Pferd und Kutscher sind schlecht gezeichnet, die Farben-
gebung ist geschmacklos. KeineNummer trägt das Blatt von 0. Strna d,
»Der Parthenon«, und gehört daher wohl nicht zur Serie der Wandtafeln.
Uninteressant ist es nicht, aber maniriert auf Gelb und Blau gestimmt,
die Menschen sind von den Statuen nicht zu unterscheiden und die teil-
weise falsch und durchaus übertrieben angehäuften Weihgeschenke
scheinen einen Abriß der gesamten griechischen Kunstgeschichte geben
zu wollen. Immerhin aber verrät das Blatt des mir sonst unbekannten
Künstlers Talent. A. W.

Campbell Dodgson, Etchings & Dry Points by
Muirhead Bone. I. 1898 — 1907. A Catalogue. London,
Obach & Co., 1909.

Ein Katalog, wie er sein soll. Das knappe Vorwort berichtet über
das Zustandekommen des Buches und über die Gesichtspunkte, von
denen aus es angelegt ist. Die kurze Einleitung bringt die Biographie des
Künstlers und eine ästhetische Würdigung seines Werkes. Daß die Be-
schreibung, ihre Disposition und typographische Gliederung ausgezeich-
net, ja vorbildlich ist, dafür bürgt schon der Name des Autors. Der Kata-
log ist chronologisch angeordnet und umfaßt die Früchte des ersten De-
zenniums von Bones Tätigkeit als Radierer. Die Blätter aus dem Jahre
1908 sind noch nicht aufgenommen, nur das Selbstporträt von diesem
Jahre ist dem Buche im Original beigegeben. Ein knapper Auszug des
Katalogs erschien in provisorischer Gestalt 1906 in den Mitteilungen der
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst als Ergänzung zu Dodgsons Auf-
satz über Bone in den Graphischen Künsten desselben Jahres. Ein
Appendix verzeichnet dreizehn frühe Radierungen, die entdeckt wurden,
bevor noch der vorliegende Katalog erschienen, aber erst nachdem er
provisorisch bereits in den Mitteilungen publiziert war. Den Schluß des
Werkes bildet ein Index der Titel der einzelnen Blätter. Dodgson war seit
1904- an dem Katalog tätig. Seine Arbeit war mit beträchtlichen Schwierig-
keiten verbunden, einmal weil besonders die vor 1903 entstandenen
Blätter überallhin zerstreut waren und dann weil Bone nicht müde wird,
eine Platte zu überarbeiten, und auf diese Weise zahlreiche Zustände
schafft. Nr. 212 des Verzeichnisses z. B. weist, abgesehen von den Probe-
drucken, nicht weniger als fünfzehn Zustände auf. Ohne die stete Mit-
arbeit des Künstlers hätte das Buch selbstverständlich nie das werden
können, was es ist. Es ist dem Künstler und dem ihm befreundeten
Forscher zu wünschen, daß 1918, wie geplant ist, der zweite Band des
Katalogs ausgegeben werden kann. Daß die Ausstattung des Buches
(Einband, Papier, Druck) vorzüglich ist, versteht sich bei einem im Ver-
lag von Obach & Co. erschienenen Werke von selbst. A. W.
 
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