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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.8342#0005
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.
BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1910. WIEN. Nr. 1.

Studien und Forschungen.

Kopien vom Meister S.

Gelegentlich der Erwerbung eines seltenen und wegen seiner Datierung interessanten Blattes vom Meister S
veröffentlichte Herr Professor Jaro Springer vom Berliner Kupferstichkabinett einen kleinen Aufsatz, in dem er
mit kurzen Strichen das Bild der künstlerischen Entwicklung dieses Stechers entwirft1. Er spricht dort über seine
Bildungsquelle, als die vor allen Dingen Lucas van Leiden in Betracht komme. Aber auch Dürer könne er gekannt
haben.

Diese Vermutung bestätigt sich. So wie es außer den vielen Entlehnungen von Lucas van Leiden auch direkte
Kopien nach ihm gibt, so existieren auch mit dem Monogramm S bezeichnete Kopien nach Dürer. Da sie sehr selten
sind und bisher meines Wissens nicht alle beschrieben wurden, bilde ich sie hier ab.

1. Der Koch und seine Frau (»Die Atzel, die von dem Aal schwätzt«). B. 84.
Gegenseitige verkleinerte Kopie, 56:41 '/a mm, Kupferstich. Bezeichnet.
Exemplar in der Bremer Kunsthalle aus der Klugkist-Sammlung. — Vgl. Abb. 1.

2. Apollo und Diana. B. 68.

Gegenseitige verkleinerte Kopie, 42:28'/a mm, Kupferstich, nielloartig. Bezeichnet. Beschrieben im Katalog Lanna
von H. W. Singer, Nr. 5600.

Exemplar der Sammlung Lanna, versteigert bei Gutekunst 1909. — Vgl. Abb. 2.

3. Die Anbetung der Hirten. Holzschnitt. B. 20.

Gleichseitige verkleinerte Kopie, 65:31 mm, Kupferstich. Bezeichnet.

Exemplar in Oxford, Ashmolean Museum, aus Douce-Collection2. — Vgl. Abb. 5.

Wesentlich Neues über den Stil des Stechers S lehren uns diese Kopien nicht. Sie sind so getreu, wie es ihm
möglich war. Auffallend ist die starke Verkleinerung besonders bei Apollo und Diana. Das Blatt sieht auf diese Weise
einem italienischen Niello ähnlicher als einem Dürer, und vielleicht hat der Kopist auch das Italienische, das in Dürers
Arbeit unzweifelhaft liegt und dessentwegen Grimm sie ja auch in direkten Zusammenhang mit Luca Signörelli
brachte, stark empfunden. Interessant aber ist, wie Meister S eine Kopie nach Dürer dann später für seine eigenen
Zwecke weiterbenutzt hat. Ein von ihm gestochenes und bezeichnetes Blatt (vgl. Abb. 4), Pass. 278, verrät deutlich die
Abhängigkeit von Dürers »Koch und Frau«. Sehr viel Deutsches ist ja nicht davon geblieben, aber daß wir es wirklich
mit keiner zufälligen Ähnlichkeit zu tun haben, sondern mit einer bewußten Umstilisierung, beweist außer der ja
erwiesenen Tatsache, daß der Stecher das Dürersche Blatt gekannt hat, noch die Anwesenheit der »Atzel«. In der
Werkstatt des Brüsseler Stechers scheint übrigens der geheime Sinn dieses Blattes3, den uns Konrad v. Lange mit-
geteilt hat, auch nicht bekannt gewesen zu sein, denn sonst hätte er den Vogel sicher auch gegenseitig übernommen,
und nicht so, wo er sich an die falsche Adresse wendet.

1 Monatshefte für Kunstwissenschaft, I. Jahrgang. 2. Halbband. S. 800.

2 Für die Erlaubnis der Reproduktion bin ich dem Aufsichtsrat des Ashmolean Museums und der freundlichen Vermittlung des Herrn Direktors
Bell sehr verpflichtet.

3 K. v. Lange, Zeitschrift für bildende Kunst. Neue Folge. Band 18. S. 94 ff.
 
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