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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.8342#0045
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— 41 —

Abb. 1. Rembrandt, Der Mann in der Laube.
Radierung. B. 257.

Zur Herleitung" der Kunst Rembranclts.

Aufgabe der folgenden Zeilen ist es, drei bisher unbekannte Entlehnungen
Rembrandts nachzuweisen. Es dürfte vielleicht hier am Platze sein, die metho-
dische Bedeutung des Nachweises von Entlehnungen klarzustellen.

Wir müssen zweierlei Arten von Entlehnungen unterscheiden: 1. die, wie
man sie nennen könnte, zufälligen Entlehnungen, wo der Künstler einmal eine
gute Idee eines anderen übernimmt. Als Beispiel möge die von Gustav Pauli
nachgewiesene Entlehnung Manets von Raffael dienen.1 2. Die historisch
begründeten Entlehnungen. Es finden sich in dem Oeuvre eines Meisters zu
wiederholten Malen und durch längere Zeit hindurch Entlehnungen aus den
Werken eines einzelnen Künstlers oder einer Schule, und zwar darum, weil sein
Stil von eben diesem Künstler oder dieser Schule hergeleitet ist.

Als Beispiel für die letztere Art folge der Versuch einer Analyse des Ver-
hältnisses von Rembrandt und Pieter Lastman an der Hand der bis jetzt bekannten
Entlehnungen. Wir wußten aus den erhaltenen Urkunden, daß Rembrandt ein
halbes Jahr lang (April bis Oktober 1627) Schüler Lastmans war, hatten aber
keinen festen Anhaltspunkt, um zu bestimmen, wie stark und wie lange an-
dauernd dieser Einfluß war. Nun wurden in der letzten Zeit folgende Fälle von
Entlehnungen festgestellt:

1. Die Zeichnung Kat. HdG. 45. »Susanna im Bade«. Berlin, Kupferstich-
kabinett. Um 1635. Kopie nach dem Gemälde Lastmans in der Sammlung Delaroff in Petersburg, jetzt leihweise im
Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin.3 (Abgebildet in Bodes Aufsatz in den »Graphischen Künsten« XXXI, 1908, S. 107).

2. Zwei Gemälde, »Bathseba im Bade« darstellend. Das eine im Mauritshuis, das andere bei Baron Steengracht
im Haag (Bode III. 193 und IV. 246) von 1637 und 1643. Unter dem stärksten Einfluß eines Gemäldes von Lastman
bei Herrn Zabielsky in Petersburg.3

3. Die Taufe des Kämmerers B. 98 von 1641. Unter dem Einfluß der Komposition Lastmans in Karlsruhe, wie
schon von älteren Autoren hervorgehoben wird.

4. Die Zeichnung »Juda und Thamar«, früher bei Rudolf Kann in Paris, repr. HdG. 69. Um 1650. Die Kompo-
sition von einer uns unbekannten Zwischenstufe zwischen Lastmans Radierung und der Budapester Rötelstudie zu
dieser entlehnt. i

Der Nachweis dieser Entlehnungen ergibt also das interessante und in gewisser Hinsicht überraschende
Resultat, daß der Einfluß der Lastmanschen Komposition nicht nur, wie die ältere Literatur annimmt, auf die Werke
des jungen Rembrandt von ausschlaggebender Wichtigkeit war, sondern daß ihr Einfluß noch mindestens bis an das
Ende der mittleren Periode in Rembrandts Schaffen reicht.

Ist dies einmal festgestellt, dann erkennen wir auch leicht, daß sich Rembrandt in Werken wie dem »Abschied
der Hagar« in Newnham-Paddox (Bode V. 334), um 1650 entstanden, * oder der »Anbetung der Könige« im Bucking-
ham-Palast (Bode VI. 406) von 1657 noch enge an Lastmansche Kompositionen anschließt.

Wir sehen aus diesen Beispielen also, wie durch den Nachweis von Entlehnungen bloße Vermutungen zu
sicheren Theorien werden können. So, gewissermaßen historisch verwertet, wird der Nachweis von Entlehnungen
wertvollere Resultate zutage fördern, als den an einem speziellen Beispiel neuerdings erbrachten Beweis, »daß
Rembrandts Schöpfungen gegenüber dem Machwerk des einst so gefeierten Akademikers aus der sogenannten vor-
rembrandtischen Zeit eine so viel höhere Stufe bedeuten«. (Kurt Freise a. a. O.)

I.

Rembrandt und Raffael.

Es ist eine seit dem Aufsatze Hofstede de Groots 8 bekannte Tatsache, daß Rembrandt in dem radierten Selbst-
porträt von 1639 B. 21 sowie in dem gemalten von 1640 in der Nationalgalerie zu London (Bode IV. 256) von Raffaels
Castiglione-Bildnis im Louvre beeinflußt ist; Rembrandt sah das Gemälde im Jahre 1639 auf der Auktion Uffelen in
Amsterdam. Dort entstand auch die bekannte flüchtige Federskizze 7 nach dem Gemälde Raffaels (Kat. HdG. Nr. 1430),

i Vergleiche Monatshefte für Kunstwissenschaft. 1908. 2 Vergleiche R. Wilhelm Valentiner in der Zeitschrift für bildende Kunst. 1907.

8 Vergleiche Kurt Freise in den Monatsheften für Kunstwissenschaft. Juni 1909. »Bathsebabilder von Rembrandt und Lastman«.

* Vergleiche Zeitschrift für bildende Kunst. 1908. >Eine unbekannte Entlehnung Rembrandts«.

'■> Sehr ähnlich ist die Zeichnung Lastmans in Berlin (K. K.) »Der Engel erscheint Abraham und Sara« sowie die meines Wissens nur in dem
Stich des Karl Ludwig Stieglitz bekannte Zeichnung: ».Abschied der Hagar«. « Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen. 1894.

7 Die Aufschrift des Blattes ist oft abgedruckt und kommentiert, u. a. bei Hofstede de Groot. Die Urkunden über Rembrandt, Haag 1906,
Nr. 71, S. 79.
 
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