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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.4207#0045
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MITTEILUNGEN

DER

GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTIGENDE KUNST.

BEILAGE DER „GRAPHISCHEN KÜNSTE".

1914. WIEN. Nr. 4.

Studien und Forschungen.

Ignaz Elhafens drei Elfenbeinreliefs im Wiener Hofmuseum.

J. von Schlosser publiziert in seinen »Werken der Kleinplastik in der Skulpturensammlung des Allerhöchsten
Kaiserhauses« (Wien 1910) im zweiten Band auf Tafel LV drei Elfenbeinreliefs von Ignaz Elhafen, von denen zwei
aus der Schatzkammer, das dritte aus Schloß Ambras ins Hofmuseum gekommen sind. Schlosser verweist im Text
auf Christian Scherer, Studien zur Elfenbeinplastik der Barockzeit (Straßburg 1897), der in einem Elhafen gewidmeten
Absatz (S. 1—17) auch den Zusammenhang der Arbeiten des Künstlers zu verschiedenen Stichvorlagen hervorhebt.
Als Ergänzung hierzu sollen sich die folgenden Zeilen mit den bei Schlosser abgebildeten Reliefs: Diana und Kallisto,
Parisurteil (beide 167 X105 cm) und Bacchantengruppe (19"4XlO'l cm) beschäftigen.

Diana und Kallisto stimmt im wesentlichen mit dem Relief im Bayrischen Nationalmuseum in München (Scherer
a. a. O., Taf. IV) überein, als dessen Vorbild Scherer den Stich des Saenredam nach einer Zeichnung des Hendrick
Goltzius (B. 52 III) angeführt hat. Doch ist die kompositionelle Übereinstimmung des Wiener Reliefs mit dem Stich
größer als die des Münchner Stückes, da jenes nur Kürzungen, dieses auch Zutaten und Verschiebungen aufweist.
Bei beiden ist der Stich im Gegensinn benutzt und die Gruppe der zwei Nymphen hinter Kallisto weggelassen, im Münchner
Relief rückt die eine dieser Nymphen zu Diana heran und nimmt den Platz der vorn Rücken gesehenen Gefährtin der
Göttin ein; zwischen sie und die Göttin ist als Zutat ein Hund eingeschoben; eine andere Zutat ist die lagernde Frauen-
figur, die hinter der Kallistogruppe sichtbar wird.

Das Parisurteil ist aus verschiedenen Stichvorlagen zusammenkomponiert; für die Gruppe: Paris und Merkur
benutzte der Künstler ein in demselben Sinn gestochenes Blatt des W. Swanenburg nach der Erfindung des Miereveit
(Größe ohne den Text 13'5x22'8 cm), für die beiden Göttinnen Juno und Venus zwei weitere Blätter derselben Folge,
nur daß er den Junostich im Gegensinne nahm; zur Pallas verwendete er nicht mehr das vierte Blatt der Miereveit-
Serie, sondern vielleicht eine Darstellung aus Gerardus de Jodes Poesis picturata im Gegensinn (14Xlö'6 cm).

Auch bei der Bacchantengruppe setzt Elhafen Figuren zusammen, die er verschiedenen Vorlagen entnimmt. Ich
fand die Tamburinschlägerin in dem Stich von Pietro Aquila Panormitano nach dem »Sacrificio della Caccia da Seno-
fonte celebrato a Diana etc.« des Pietro da Cortona; dort kniet sie etwa in der Mitte des Mittelgrundes und hält
gemeinsam mit einer von vorn gesehenen stehenden Frau ein Gefäß; über dem rechten Arm fehlt die Draperie, der
Fuß ist von den Falten des Rockes bedeckt; trotz dieser Abänderungen ist die Übereinstimmung der Stellung, des
Haarschmucks, der Gewandung so stark, daß ein Zusammenhang der Figur mit dem Stich angenommen werden muß.
Der Jüngling rechts mit dem Mädchen ist eine Wiederholung im Gegensinn nach der Gruppe in den drei Lebens-
altern von Tizian (London, Bridgewater-Galerie; abgebildet in den Klassikern der Kunst, S. 20). Der flüchtige Stich
nach diesem Gemälde in Valentin Lefebures Opera selectiora (Nagler, Künstlerlexikon 4. Band, S. 472) kann nicht
vermittelt haben. Im Relief hat der Jüngling die Hand auf den Nacken des Mädchens gelegt, das Mädchen hält in
jeder Hand eine Flöte, der Ärmel flattert um ihren rechten Oberarm — alles Motive, die auch beim Originalbild vor-
kommen, aber im Stich Lefebures fehlen. Sollte ein getreuerer Stich nach dem Bilde existiert haben und verschollen sein?
Oder — das Wahrscheinlichere — es hat Elhafen nach dem Original oder einer der alten Kopien (Crowe und Caval-
caselle, Tizian, 1. Bd., Leipzig 1877, S. 172) eine genaue Zeichnung gemacht, die er dann mittels des Spiegels
 
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