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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.4139#0024
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unter einer leichten Ehrenpforte
auf dem Vorderteil der Schiffe
stehen. Über den Ruderern
scheint ein Zeltdach gespannt
und über diesem wehen zwei
Reihen von Bannern im Wind. An
einem Mast aber flattert die Fahne
des Schiffes. Man sieht ferner ein
Vergnügungsboot, in dem zwei
Herren mit ihren Knaben, Wein
trinkend und in frohem Gespräch,
dem Schauspiel beiwohnen. In
einerUferbuchtvorne ist ein Kahn
mit leichtem Verdeck von drei
Mädchen bemannt, die Lotus-
blumen in eine große Vase sam-
meln, und ein offenes Lusthaus
ist auf Pfählen in den See hinaus-
gebaut, zum Aufenthalt schöner
Frauen, die teils mit Blüten ihr
Haar schmücken, teils mit den
Fächern in der Hand dem Boote
auf dem Wasser zusehen.

Drittes Blatt: Herbst, fehlt offenbar.
Viertes Blatt: Winter.

Im Winter herrscht des Nord-
winds kalter Lauf.

Die Welt starrt traurig. Frauen
schauen aut

Von ihrer Nadel: Schnee nur
blüht am Baum,

Im frostigen Wind treibt er wie
Daunenflaum.

Doch warm im Saal sitzt man in
guter Hut

Faibenliolzsehnitt von Ting Chen-bsicn aus Su-chou: Die zweiten drei Monate des Jahres.

Und freut sich an der roten Kohlenglut.

Und einsam weinen schöne Frau'n zur Nacht,

Die ach so lang, so trostlos hingebracht.

Und Männer, die am weißen Schnee sich freu'n,

Die trinken jetzt aus Blütenschalen Wein.

Rings steht die Welt mit Eis und Frost heran,

Als schaute dich ein dunkles Auge an.

Ein Wanderer sucht mit treulichem Gemüt,

Ob unterm Schnee nicht schon die Pflaume blüht.
Hier ist nun ein rechtes Winterbild: Schnee aut den Bergen, auf den Dächern und den kahlen Bäumen. Hinten
im eingeheizten Gehöft sitzen drei Männer beim Wein. Von ihren Knaben wartet der eine auf, der zweite holt Wasser
vom Bach und der letzte macht ihm das Tor auf, während zwei Hündlein im Schnee spielen. Im oberen Stockwerk
des reichen Hauses vorne wärmen zwei Damen sich am Kohlenbecken, ein Mädchen schaut in den Hof hinab, unten
gibt eine Frau der Magd einen Auftrag und eine Dame in winterlicher Kapuze lehnt sich sehnsüchtig ins Freie, als
schaute sie aus nach dem Frühling oder nach dem Geliebten. Draußen aber trabt fröstelnd ein reisender Herr auf
flinkem Maultier seinem Ziele zu, vom eiligen Diener gefolgt — vielleicht ist's der Herr des Hauses, der von der Reise
heimkehrt.

Während also bei den Monatsbildern locker gefügt bestimmte Geschichten erzählt werden, die mit dem Leben der
Natur wohl nur in einem losen Zusammenhang stehen, so sind die Jahreszeitenbilder einheitlich gesehene Stimmungs-

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