Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1922

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3633#0038
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nekrolog.

fHans Wilczek (1837—1922). Am27.Jänner 1922
ist im 85. Lebensjahr 7.11 Wien in seinem Palais in der
Herrengasse Graf Hans Wilczek verschieden. In ihm ist
einer der besten Vertreter des alten, nunmehr der Ver-
gangenheit angehörenden Österreich, ein Edelmann in
jedem Sinne des Wortes, dahingegangen. Der Name des
Grafen Wilczek ist dauernd verknüpft mit dem Zustande-
kommen der von Payer und Weyprecht geführten üsterrei-
chischenNordpolexpedition (1872— 1874),mit der Gründung
der Wiener Rettungsgesellschaft im Jahre 1881, unmittelbar
nach dem Ringtheaterbrand, und mit seiner ureigensten
Schöpfung, der Burg Kreuzenstein. Diese Feste, die nahe
bei Korneuburg dem linken Donauufer zur weithin sicht-
baren Zier gereicht, wurde während der Jahre 1873—1906
erbaut und dank dem unermüdlichen und vom Glück be-
günstigten Sammeleifer des Grafen von oben bis unten
mit alten Kunstschätzen und altem Hausrat aller Art an-
gefüllt. Wie sich die Burg heute gibt, ist sie das Werk
eines verspäteten Romantikers, eine prachtvolle, großartige
Verkörperung derselben Gefühle und Gedanken, denen zum
Beispiel die Franzensburg in Laxenburg ihr Entstehen ver-
dankt, nur daß bei Kreuzenstein reichere Mittel, ein er-
lesenerer künstlerischer Geschmack und eine gründlichere
historische Bildung mithalfen. Bezeichnender Weise ist
die Rüstkammer die bedeutendste Sammlung der Burg und
war die berühmte Ambraser Waffensammlung im Kunst-
historischen Museum diejenige Abteilung des Hauses,
welche der Graf am häufigsten besuchte und am besten
kannte. Zweifellos hätte er am liebsten in Zeiten gelebt, da er
die hünenhafte Gestalt vom Wirbel bis zur Zehe in blanken
Stahl hätte hüllen können. Der leidenschaftliche Jäger,
der er zeitlebens war, der gemeine Soldat, als der er sich
1866 die große goldene Tapferkeitsmedaille erfocht, und der
fast achtzigjährige Greis, der es sich im Weltkrieg nicht
nehmen ließ, selbst einen Lazarettzug bis an die galizische
Front zu führen, all das sind nur andere romantische Seiten
des Burgherrn von Kreuzenstein. Als Kunstfreund war
Graf Wilczek weit mehr als ein Sammler und ein Kenner,
griff er doch schöpferisch ins Kunstleben ein, indem er
zahlreichen Künstlern, Architekten, Bildhauern, Malern und
den verschiedenartigsten Kunsthandwerkern Aufträge er-
teilte, selbstverständlich nur immer solche, die sich in
den Rahmen seiner idealen, romantischen Kunstauffassung
einfügten. Als Sammler war der Graf einer der wenigen
von internationalem Rufe, die es bei uns zu seinen Leb-
zeiten gegeben hat, ebenso wie er einer der ganz wenigen
Aristokraten der Monarchie war, die ernstes, werktätiges
Interesse an der bildenden Kunst hatten. Daß er Burg
Kreuzenstein in ein Fideikommiß umgewandelt hat, beweist,
daß ihm seine Sammlungen so ans Herz gewachsen waren,
daß er ihren ungeschmälerten Fortbestand noch nach

Graf Hans Wilczek.

seinem Tode sicherstellen wollte. Er machte seine Schätze
auf die liberalste Weise öffentlich zugänglich und zeigte
so, daß er sich der Pflichten, die der vom Schicksal bevor-
zugte Einzelne der Allgemeinheit gegenüber hat, wohl
bewußt war.

Natürlich verbanden den Grafen Wilczek auch
mannigfache Beziehungen mit den graphischen Künsten.
Den reichhaltigen Sammlungen auf Burg Kreuzenstein ge-
hören ebenso illuminierte Handschriften wie mit Holz-
schnitten illustrierte gedruckte Bücher an. Unter Glas und
Rahmen finden sich dort auch etliche wertvolle Zeichnungen
und vor allem schöne und merkwürdige Bilddrucke aus
der Zeit der ausklingenden Gotik und der Renaissance.
Mitglied unserer Gesellschaft war der Graf seit deren
Gründung, 1906 trat er ms Kuratorium ein und erst im
Vorjahr anläßlich des Jubiläums wurde er zugleich mit
HansThoma und Wilhelm Bode zum Ehrenmitglied ernannt.

Das neue Österreich brauchte nicht verloren gegeben
zu werden, stünden auch ihm Männer hilfreich zur Seite,
hochsinnig, gütig, vornehm und charaktervoll wie Graf
Hans Wilczek.

34
 
Annotationen