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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.3633#0052
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entsteht 1698 bis 1718 unter der Leitung Leonhard
Dientzenhofers. Mit dem Dom in Fulda beginnt Johann
Dientzenhofer 1704 (—1712) seine Tätigkeit. Das
Kloster Melk entwirft Jakob Prandauer 1701, 1708
kommt St. Florian, von den Carlone angelegt, unter
seine Hand. Im selben Jahre legt Johann Balthasar
Neumann den Grundstein zu Schönthal (vollendet
1728). Während dieser Vorgänge in Süddeutschland
plant im Norden Schlüter den großartigen, zusammen-
fassenden Grundriß von Schloß, Brücke und Dom,
schafft die Süd- und Ostfront des Schiosses, das
Treppenhaus und die berühmten Repräsentationssäle.
Auch sie von nachhaltiger Wirkung auf das deutsche
Ornament der Folgezeit.

Die Kurven der Friese drehten sich bisher
schwer und langsam; fleischig und vielfach gezaddelt
war der Akanthus, aus dem Italienischen ungelenk
ins Deutsche übertragen. Das Schwere des südlichen
üppigen Barocks sprach stark aus ihnen, grob war
die Technik, hölzern die Struktur der Striche (sie
verleugnet nicht die Art des XVII. Jahrhunderts, aber
immer häufiger in unkünstlerisch ausgeschriebener
Handschrift). Da beginnen die Elemente sich leise zu
wandeln: das Bandwerk krümmt sich energischer und
schwingt zur C-Kurve ein, die französische kristal-
linische Muschel (bei Berain und Marot) tritt plötzlich
an zu akzentuierenden Stellen auf, Kurven schließen
sich zu S-Kurven zusammen unter dem auflösenden,
verfeinernden Einfluß der späten Louis XIV-Epoche,
der Zeit Berains. Seine Tat war es, das Verhältnis der
Grotesken zu Laub und Bandwerk, die sich in Frank-
reich als Motive durch das XVI. und XVII. Jahrhundert
verfolgen lassen, als künstlerisch gelöste Einheit im
Barock zu seiner reifsten Ausprägung zu gestalten
und voi allem die Bandwerkmotive dem Prinzip der
C-Kurven zu unterwerfen. Die C-Kurve ist mit innerer
Energie gesättigt: die Bogen beginnen mit enger
Windung, um weit auszuschvvingen und sich mit der
Schwungkraft vibrierender stählerner Federn wieder in größerem Bogen einzurollen oder als Variante in der Mitte um-
zubrechen und im Gegensinne weiterzuschwingen (Abb. 1 des Berliner Ornamentstichkataloges, S. 3). (Die Renaissance
hat ihre Bandbogen kaum anders denn als mathematisch klare Kreissegmente geschlagen.)

Um 1690 gab Leonhard Heckenauer bei Jeremias Wolff in Augsburg eine Stichfolge: »Romanisches Laub-
werk Erster (zweiter) Teil So bestehet in schwungwerck mit Bilder und Kindern, auch unterschidlichen Tisch fuess
und Gutschen gesteil, in Rom selbst nachgezeichnet, . . .« heraus, Ornamente aus Laub und Bandwerk, für die das
Gesagte charakteristisch ist. Das Titelblatt bildet eine herzförmige, ganz italienische Kartusche, umschlungen von Laub
und Rollwerk, quallig gedrehten barocken Füllhörnern und von derben Putten umspielt. Blatt 10 bringt eine Straffung
der Kurven zur Berainschen C- und S-Kurve, der Akanthus wird immer mehr in begleitende und akzentuierende
Funktion gedrängt (Blatt 12).

Aber Heckenauer gibt den neuen Weg wieder auf; im »andern Theil« besinnt er sich wieder auf das Italienische
der Formen: der Akanthus erhält seine primäre Bedeutung zurück und ergießt sich wieder in großen, kompliziert und
geistreich gezaddelten, aber träge gerundeten Ranken. Auf dem Titelblatt sowie Blatt 4 bis 10 erhält er die Auf-
gabe, vier- und achteckige, bandumzogene Innenfelder mit Darstellungen »italienischer- Heroengestalten zu um-
rahmen. Als Steigerung flechten sich auf den folgenden Entwürfen Fruchtgehänge zwischen die Akanthusranken ein,
Waffenembleme, Kanonen, Putten, waffenschmiedende Heroen und Göttergestalten des klassischen Mythos. Aber alle
Formen sind plastisch betont und höchstens bis zur Zerfahrenheit erregt, doch ohne die Energie der sich ankündigenden
neuen Mode.

Blatt aus der Säulenfolge des Johann Georg Erasmus (Nürnberg um 1666),
gestochen von Wilhelm Pfann.

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